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Exklusiv-Interview

Mirko Sansa: „Die einzige Antwort kam von Wolfgang Schäuble“

© Mirko Sansa
Die Gastronomie steht unter Druck. Steigende Kosten durch die Inflation, den Mindestlohn sowie die Mehrwertsteuererhöhung im Januar zwingen die Branche zu Preiserhöhungen. Das „Ortenau Journal“ sprach mit dem Betreiber des „Hafen17“ in Kehl über die Situation seines Betriebs und der Gastro-Szene insgesamt.

Ortenau Journal: Herr Sansa, Sie haben 2017 eröffnet, dann kam auch schon bald Corona. Wie hat der Hafen17 die Pandemie überstanden?

Mirko Sansa: Schwieriges Thema. Keiner wusste natürlich, was passiert. Keiner wusste, was eigentlich los ist. Aber am Ende des Tages muss man fairerweise sagen, dass man seitens des Staates während der Pandemie nach anfänglichen Schwierigkeiten doch ganz gut bis sehr gut unterstützt worden ist von der finanziellen Hinsicht her. Das ist auf jeden Fall gewährleistet worden. Aber allerdings wollten wir halt arbeiten. Es war eine ganz skurrile Situation.

Ortenau Journal: Viele Beschäftigte haben der Gastronomiebranche während der Pandemie den Rücken gekehrt. Haben Sie seither Schwierigkeiten, genügend Personal zu finden?

Mirko Sansa: Also wir jetzt speziell nicht. Wir haben unsere Leute weiterbeschäftigt. Wir haben dann auch das To Go-Geschäft gemacht und versucht, unsere Mitarbeiter zu halten. Was wir auch geschafft haben. Aber klar, die Gastronomie war immer schwierig in den letzten 15 oder 20 Jahren. Das hat sich dann einfach nochmal etwas zugespitzt.

Ortenau Journal: Seit diesem Januar gilt wieder der MwSt-Satz von 19 %. Auch die Energie-, Lebensmittel und Personalkosten sind seit dem Ukraine-Krieg gestiegen. Sind Restaurantbesuche in diesem Jahr viel teurer geworden?

Mirko Sansa: Ja, na klar. Aber ich sag immer, die letzten zwei Jahre waren eigentlich schwieriger als die Corona-Jahre. Dieses Jahr kamen noch ein paar andere Aspekte mit dazu Zum einen der erhöhte Mehrwertsteuersatz, davor natürlich die galoppierende Inflation. Dann die Aussetzung der Energiepreisbremse und die Erhöhung des Mindestlohns. Wenn man das alles zusammennimmt, dann ist es dieses Jahr doch viel teurer. Also ich finde es tatsächlich selbst sehr teuer, auszugehen oder Essen zu gehen. Obwohl ich für den Mindestlohn bin. Das ist ein sehr globales Thema, glaube ich. Da ist zum einen der Mindestlohn, und ich bin dafür, dass man noch viel mehr bezahlt, da die Leute nicht nur tagsüber sondern auch abends arbeiten. Und dem Tierwohl muss man auch gerecht werden. Die Leute merken das und das Ausgehverhalten ist ein anderes geworden, als die letzten beiden Jahre.

Ortenau Journal: Können Sie es in Zahlen ausdrücken, um wie viel sie die Preise erhöhen mussten?

Mirko Sansa: Wenn man dieses Jahr vergleicht mit letztem Jahr: die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes um zwölf Prozent auszugleichen reicht nicht. Es sind wahrscheinlich um die 20 Prozent.

Ortenau Journal: Sie haben vorhin gesagt, das Verhalten der Leute hat sich geändert. Merken Sie das auch in ihrem Lokal bei den Umsätzen?

Mirko Sansa: Ja, das Geschäft ist ein bisschen unstetiger geworden. Wo man es merkt, ist beim Mittagstisch. Die Leute wollen schnell und günstig essen und da ist natürlich eine Preiserhöhung um 15 bis 20 Prozent, so genau kann ich das gar nicht beziffern, schon heftig. Da ist das Verhalten schon anders geworden. Abends können wir den Umsatz fast halten im Vergleich zu den Vorjahren.

Ortenau Journal: Ökonomen halten den Wegfall des vergünstigten MwSt.-Satzes für gerechtfertigt. Sie sprechen von einem Stukturwandel in der Branche. Haben Sie Verständnis für die Maßnahme?

Mirko Sansa: Der Staat hat uns gut unterstützt in der Pandemie, da wurde der Mehrwertsteuersatz gesenkt und irgendwann muss das Geld wieder reinkommen. Das ist ok. Aber der Zeitpunkt war äußerst schlecht gewählt. Es kam mit der Mindestlohnerhöhung, der Aussetzung der Energiepreisbremse und der teuren Lebensmittel, wenn man das alles zusammen nimmt, war es fatal, es zu diesem Zeitpunkt zu machen. Da hätte man noch warten müssen, bis es sich wieder einpendelt. Aber nach dem die Lebensmittel jetzt 20, 30 oder 40 Prozent mehr kosten als noch vor zwei Jahren, ist es einfach eine Katastrophe.

Ortenau Journal: Sie profitieren von der Nähe zur Metropole Straßburg. Funktioniert der Hafen17 als Tourismus-Magnet, was die Übernachtungen angeht?

Mirko Sansa: Im Bereich der Übernachtungen schon. Wir haben dieses Jahr ganz bewusst ins Hotel investiert, weil ich auch immer gesagt habe, das wird eine schwierige Nummer werden mit der Mehrwertsteuererhöhung. Dass sich das Ausgehverhalten ändern wird. Wir haben in neue Zimmer investiert, in jedes Zimmer neue Klimaanlagen und neue Fenster eingebaut sowie neues Interieur angeschafft. Wir wollten versuchen, die Auslastung zu erhöhen, um die Rückgänge im Restaurant zu kompensieren.

Ortenau Journal: Wie gut sind die Kultur-Events besucht?

Mirko Sansa: Die sind ganz gut besucht und werden dankend angenommen. Die Saison begann mit dem Hafenfestival Ende Juni. Also die Events laufen ganz gut.

Ortenau Journal: Wo kommt das Publikum hauptsächlich her? Aus einem größeren Einzugsgebiet?

Mirko Sansa: Unser Einzugsgebiet ist so ca. 40 km Umkreis, also so bis Rastatt hoch würde ich sagen.

Ortenau Journal: Steht ihr Betrieb insgesamt auf gesunden Beinen?

Mirko Sansa: Ja, absolut. Also wir machen uns jetzt keine Sorgen um das Morgen.

Ortenau Journal: Das Gastgewerbe ist ja nicht nur reiner Selbstzweck, es ist ja auch ein Raum für soziale Interaktion, Menschen kommen zusammen. Das müsste man ja eigentlich erhalten. Denn die Branche insgesamt ist ja schon unter Druck. Viele Betriebe geben auf. Wie könnte die Politik die Gastronomie mehr unterstützen?

Mirko Sansa: Letztendlich hat die Politik hier nur bedingt Einfluss drauf, was die Geschicke der Gastronomie betrifft. Die Betriebe sind meines Erachtens seitens des Verbandes, der DEHOGA, sehr vernachlässigt worden in den letzen 20 oder 30 Jahren. Es wurden immer schlechtere Löhne bezahlt in der Gastronomie. Die Absprungquote bei Auszubildenden in der Gastronomie liegt glaube ich bei rund 90 Prozent. Da hat man sich nicht getraut, die Leute anständig zu bezahlen, um den Preis dann an den Kunden weiterzugeben. Die Frage ist: Was darf ein Schnitzel kosten, wenn ich ein anständiges Stück Fleisch kaufe, wenn ich den Mitarbeiter anständig bezahle, der abends arbeitet, der Sonntags arbeitet. An sich ist es ein super Job, aber so ist er nicht attraktiv. Es gibt immer noch Betriebe, die lassen ihre Lehrlinge 14 Stunden arbeiten und vergüten das nicht. Dann wird es natürlich schwierig und deshalb ist die Gastronomie heute so am Boden.

Ortenau Journal: Sind Sie Mitglied in der DEHOGA?

Mirko Sansa: Nein. Aber es gibt noch ganz viele Themen, über die wir sprechen können. Was die Politik betrifft. Da könnte ich ihnen Storys erzählen. Meine Tochter hat in Guatemala gelebt für ein paar Jahre. Irgendwann wollte ich einen guatemaltekischen Koch einstellen, der eine Privatschule besucht hat und seit 15 Jahren Koch war. Das war zur gleichen Zeit, als die Lufthansa nach der Pandemie die Leute aus der Türkei geholt hat, nach dem sie während der Pandemie die ganzen Leute entlassen hatten. Aber diesen Koch habe ich nicht bekommen, weil ihm die Anerkennung für seinen Abschluss gefehlt hat. Das Arbeitsamt hat zugestimmt, dass ich den bekommen, das Ausländeramt hat zugestimmt. Wer nicht zugestimmt hat, war die IHK, die diese Ausbildung nicht anerkannt hat. Die selbe IHK, die einem Gastwirt die Zustimmung gibt, ein Restaurant mit 1000 Plätzen oder ein Hotel zu führen. Die nichts anderes verlangt, als eine zweistündige Hackfleischverordnungsunterweisung, also man braucht keinerlei Ausbildung um den Job als Gastronom zu machen. Ich habe dann ein Schreiben an die Abgeordneten Stächele, Schäuble und Mettenleitner sowie ans Arbeitsministerium, ans Wirtschaftsministerium und den Präsidenten der IHK geschickt. Der einzige, der geantwortet hat, war der Schäuble. Er meinte, er nimmt sich dieser Thematik an. ich hätte mit allem Recht, was ich schreibe. Ich meine, da kann die Politik reagieren, solche Dinge zu vereinfachen. Den anderen habe ich dann nach drei Wochen geschrieben: „Vielen Dank. Sie brauchen sich nicht mehr zu kümmern. Wolfgang Schäuble kümmert sich.“

Interview: Wolfgang Huber

 

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