logo_portal2
Kunstausstellung

„I Feel The Earth Whisper“ im Museum Frieder Burda

© Regina de Rossi
Eine etwas andere Ausstellung zum 20-jährigen Jubiläum im Frieder Burda Museum: Der brasilianische Künstler Ernesto Neto mit seinem installierten heilsamen Baumraum neben Installationen von Bianca Bondi, Julian Charrière, Sam Falls

„I feel the earth whisper – ich fühle, wie die Erde flüstert, wie sie sich bewegt, wie sie sich aufbäumt, zur Ruhe begibt, neu erwacht. Ich fühle sie, die Natur, die Steine, die Sonne, den Mond, wir alle müssen sie wieder zu fühlen lernen, denn sie gibt uns so so viel“.

Ernesto Neto steht mit seiner graumelierten Lockenmähne, die sanft in seinen Vollbart übergeht und gestikuliert so eindringlich, dass man zuhören muss. Er appelliert an die Besucher seines Kunstwerks, das im Museum Frieder Burda den großen Ausstellungsraum im Erdgeschoss füllt. Barfuß, damit man die Erde unter sich spürt, lädt er seine Gäste ein. Diese folgen bereitwillig. Im Takt geht er voran, leise singend, Patricia Kamp und Jérome Sans folgen ihm. Sie, die Stieftochter des 2019 verstorbenen Frieder Burda und Jérome Sans aus Paris, haben die neue Ausstellung in Baden-Baden kuratiert und sich mit der Einladung von gleich vier Künstlern etwas Besonderes einfallen lassen. Denn das Frieder Burda Museum feiert in diesem Jahr sein zwanzigjähriges Bestehen. „Ohne unsere Besucher, die sich für Kunst begeistern, würde das Museum nicht existieren. Deshalb feiern wir mit unseren Gästen!“

Und sie feiern die Natur. Angesichts des Klimawandels findet die Natur hier Gehör, findet sie Raum in der Kunst, wird selbst zum Kunstwerk und kommt damit zu ihrem eigentlichen Ursprung eines jeden Kunstschaffenden zurück. Wer oder was animiert einen Künstler mehr als die Natur?

Der Natur Einlass gewährt

Wurde von dem Initiator Frieder Burda in diesem mondänen Haus hochkarätige Kunst gesammelt und ausgestellt, so war es immer die Architektur, die den Namen Richard Meyer trägt, die den Zugang zur Natur Erwähnung fand, hier der besondere Lichteinfall, dort die übergroßen Fenster. Mit dieser Ausstellung soll es anders werden. Jetzt wurde der Natur Einlass gewährt.

Ein kunterbuntes Netz aus handgehäkelten brasilianischen Baumwollstoffen bestimmt die Installation des brasilianischen Künstlers Ernesto Neto das an einen riesigen Baum erinnert. Im Mittelpunkt eine Raum, ein begehbarer Stamm, weich und warm der Boden, bunt und lichtdurchlässig darüber das Dach. „Kommt hierher um euch auszuruhen, euch mit Freunden zu treffen, Musik zu machen, zu singen, zu tanzen zu meditieren!“ Der Raum ist umgeben von eingehüllten hängenden Steinen, duftenden Kräutern. Ernesto hat sie im Wald gesammelt. Gemeinsam mit dem Förster. Einfach mitnehmen galt nicht. Und er hat jedem Stein versprochen ihn wieder zurück zu bringen. Er wird sein Wort halten, denn dieser Künstler ist eines, – ein Mensch der liebt, was er tut. Ernesto Neto wurde 1964 in Rio de Janeiro in Brasilien geboren, wo er auch heute lebt und arbeitet.

Die Natur hineingeholt, das hat auch Sam Falls aus New York. Für seine verwunschen anmutenden Waldbilder hat er die Natur sprechen lassen, meterlange weiße Leinwand im Wald ausgelegt, darüber Blätter, Blüten, Pflanzen aus der Umgebung arrangiert. Die Sonne, der Regen und feine Farbpigmente, sie haben traumhafte Naturbilder entstehen lassen, die der 1984 in San Diego geborene Künstler unter dem Titel „Waldeinsamkeit“ hier präsentiert. Bevor man seinen Waldgarten betritt, schreitet man durch einen dichten Vorhang aufgefädelter kleiner Heilsteine aus Rosenquarz und Amethyst, aus Bergkristall und Moosachat.

Von Sagen und Mythen inspiriert

Bianca Bondis´ Kunst-Raum könnte einem übrig gebliebenen feudalen Gemach einer alten, in sich zusammengesunkenen Villa entsprungen sein, das von der Natur zurückerobert wurde. Inmitten des Raumes wachsen Bäume, echte Bäume umlegt von feinem Moos. An den Wänden und auf gewebten kleinen Wandteppichen finden sich kleine Installationen wieder, inspiriert von den Sagen und Mythen des Schwarzwaldes. Eine Installation, die die Grenzen zwischen der Innen- und Außenwelt verwischt, Mystik entstehen lässt und die sich gewollt im Laufe der Ausstellung verändern wird. Bianca Bondi wurde 1986 in Südafrika geboren. Sie lebt und arbeitet heute in Paris.

In der oberen Etage lädt der Berliner Künstler Julian Charrière die Besucher ein, sich ihrer eigenen Rolle im ökologischen Gleichgewicht unserer Erde bewusst zu werden. Mit „Call for Action“ ermöglicht er eine Live-Videoverbindung zwischen dem Schwarzwald in Baden-Baden und einem Küstenwald in Equador. Im abgedunkelten Zimmer beobachten, wahrnehmen, zurückfinden zum Ursprung und das unterstützen, was Julian Charrière antreibt, den Erhalt des Ökosystems in Equador. Zu sehen sind zudem seine beeindruckenden Bilder von Sonnenuntergängen zwischen kilometerlangen Palmenhainen. Somit hat er der eigentlich erschreckenden Monokultur solcher Anlagen etwas Schönes abgewinnen können, ein Augenblick, wie ihn nur die Natur wie ein Geschenk einwerfen kann, aller menschlichen Gebaren zum Trotz und was diese Ausstellung zu einer wertvollen macht, einer sehenswerten und berührenden. Julian Charrière wurde 1987 in Morges in der Schweiz geboren.

Auf dem Foto: Die beiden Kuratoren Patricia Kamp, Stieftochter von Frieder Burda und Jérome Sans aus Paris mit Ernesto Neto (rechts).

Das Museum Frieder Burda ist von Dienstag bis Sonntag, 10.00 – 18.00 Uhr und an allen Feiertagen geöffnet. Lichtentaler Allee 8b, 76530 Baden-Baden.

Regina de Rossi

Weitere Beiträge