Von Wolfgang Huber
Nach den Auswirkungen auf das Ökosystem in Folge 2 und dem Interview mit Felix Neumann von Zweierpasch anlässlich ihres „Live auf der Hornisgrinde“-Videos wollen wir uns heute in Teil 4 der Serie „Windenergie im Wald“ mit den etwaigen Auswirkungen beim Bau von Windrädern im Schwarzwald auf den Tourismus befassen.
Bäume markiert
Während Teile der Öffentlichkeit in unseren Gefilden noch um das Für und Wider im Falle des Windparks Hummelsebene streitet, schaffen die Projektverantwortlichen Schritt für Schritt Fakten. Zunächst durch den vielbeachteten Spatenstich am 15. November 2024. Zuletzt veröffentlichten die Stadtwerke Oberkirch einen Blogbeitrag zu einem Treffen im Baubereich auf der Hummelsebene, bei dem Bäume markiert wurden, die gefällt werden müssten. Darin heißt es: „Ja, es werden Bäume gerodet, um Platz für die Windräder zu schaffen, und es werden Bäume gerodet, um den Weg frei zu machen für die Baumaßnahme.“ Insgesamt sollen 2,05 Hektar Wald dauerhaft umgewandelt werden. Dies sei eine vorbereitende Routine.
Gegnern des Windparks Hummelsebene dürfte das Herz bluten. Sie haben nicht nur artenschutzrechtliche Bedenken, sondern befürchten beispielsweise auch negative Auswirkungen auf den Tourismus. Michaela Winkler, die nur etwa einen Kilometer weit weg von der Hummelsebene auf Durbacher Seite wohnt, drückt es so aus: „Die norddeutschen Touristen sagen: wir leben zwischen den Dingern, aber das ist das flache Land. Aber hier sagen die: Dann gehen wir künftig ins Elsass. Amerikanische Touristen sagen alle: Das könnt ihr nicht machen.“ Ihr Mann geht davon aus, dass es nicht bei den drei Windrädern bleiben werde. „Die angrenzenden Grundstücke werden auch als Vorranggebiete geprüft. Bis fünf (Windräder) geht vereinfachtes Verfahren, dann stellen die noch zwei dazu“, so Karl-Heinz Winkler.
Zahlreiche Studien
Nun ist der Schwarzwald eine weltweit bekannte Urlaubsdestination. So kamen in den ersten elf Monaten des Jahres 2023 laut der Schwarzwald Tourismus GmbH rund 8,3 Mio. Gäste in die Ferienregion. Die Zahl der Übernachtungen betrug 21,5 Millionen. Die Touristen tätigten Bruttoausgaben in Höhe von 7,6 Milliarden Euro. Das Zugpferd Tourismus schuf direkt in der Region 125.000 Vollzeitarbeitsplätze. Weitere 375.000 Arbeitsplätze hängen indirekt am Tourismus. Ein Einbruch bei den Gästezahlen wäre wirtschaftlich kaum zu verkraften. Wohlstandsverlust wäre die Folge. Doch besteht tatsächlich ein Zusammenhang zwischen dem Bau der Windparks und der Entwicklung des Tourismus? Es gibt zahlreiche Studien, die sich mit diesem Thema befassen. Da sich diese auf verschiedene Regionen beziehen, können daraus nicht unbedingt endgültige Schlüsse für den Schwarzwald gezogen werden, teilweise aber schon.
Ein erster Hinweis ist die Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München, die erst im Oktober dieses Jahres in einem Online-Beitrag des WDR zitiert wurde. Demnach würden 50 Prozent der Urlauber in Winterberg in Nordrhein-Westfalen Windräder in dem Ferienort ablehnen. Touristikforscher hatten dafür Urlauber und Tagestouristen online befragt, quer durch alle Altersschichten. In Winterberg hängen zwei Drittel der Arbeitsplätze von den Gästen ab.
Steigende Störempfindlichkeit
Laut einer Studie der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaft, die von dem Verein Landschaftsschutz westlicher Bodensee e.V. online zitiert wird, würde die Störempfindlichkeit gegenüber Windkraftanlagen mit zunehmendem Alter steigen. 45 Prozent der Befragten würden Windkraftanlagen in Landschaftselementen als störend empfinden.
Derartige Zahlen sind zunächst für die Schwarzwald Tourismus GmbH kein Grund, den massiven Ausbau der Windenergie in ihrem Zuständigkeitsgebiet ernsthaft zu hinterfragen. In den „Richtlinien zum Klimaschutz und zur Energiewende“, einem Strategiepapier des Verbands, ist vom Tourismus als einem wichtigen Wirtschaftsfaktor die Rede, der das Leben im Schwarzwald präge. Weiter ist zu lesen: „Der Schwarzwald verdankt seine Beliebtheit nicht zuletzt seinem besonderen Landschaftsrelief und seiner natürlichen Schönheit. Keine andere deutsche Destination ist für Bundesbürger so sehr mit dem Begriff unverfälschte Natur und Wandern verbunden. Millionen von Touristen kommen nicht zuletzt deshalb Jahr für Jahr in den Schwarzwald.“
Vage Information
Die Schwarzwald Tourismus GmbH nimmt dann Bezug auf eine Umfrage aus dem Mai 2022, wonach die Mehrheit der Tourismusakteure im Schwarzwald keine negativen Auswirkungen auf den Tourismus in der Region durch den Bau neue Windkraftanlagen erwarte. Eine etwas vage Information. Stattdessen könnten Erneuerbare-Energien-Anlagen mit Erholungsgebieten und Tourismus kombiniert werden: „So kann sich der Schwarzwald mit Energiewende-Projekten als nachhaltige Region positionieren und Windparks als Besucherattraktion nutzen.“
Eine Einschätzung, die sich nicht mit den Ergebnissen einer wissenschaftlichen Erhebung der Hochschule Furtwangen University (HFU) deckt, die allerdings aus dem Jahr 2014 stammt. Demnach gaben auf die Aussage „Die Umsetzung erneuerbarer Energien finde ich gut, daher buche ich genau deshalb in die Region“ 16 Prozent der Befragten an, dies „trifft voll zu“ oder „trifft eher zu.“ 47 Prozent antworteten hingegen mit „trifft nicht zu“ oder „trifft eher nicht zu“. Gleichzeitig stimmten 33 Prozent der Teilnehmer der HFU-Studie dem Satz zu „Meinen Urlaub buche ich woanders, da ich ungestörte Ferien ohne eine versperrte Sicht oder Geräuschbelästigung genießen möchte.“ 43 Prozent fühlten sich von mehreren Windrädern (mindestens fünf) in ihrem Ausblick auf die Natur gestört und knapp die Hälfte hielt Windkraft für notwendig, so lang sie nicht in die Natur/Landschaft eingreife. Weitere 26 Prozent fühlten sich von Windrädern „generell gestört“. Generell lässt sich sagen, dass mit zunehmender Zahl an Windrädern deren Akzeptanz schwindet.
Interessensgeleitete Studie
Für die Einstufung von Windrädern als Tourismusmagnet, wie durch die Schwarzwald Tourismus GmbH, spricht sich auch die IG Windkraft aus, die österreichische Interessenvertretung für Windenergiebetreiber und -hersteller. Dort wird in einem Papier eine Studie von 2017 angeführt, die nicht näher benannt wird. Darin wird euphorisch verkündet: „Am meisten profitiert der örtliche Tourismus aber, wenn der Windpark mit eigenen Besucherzentren komplett ins Tourismusprogramm integriert ist. Die genannten Beispiele erreichen mehrere zehntausend Besucher pro Jahr.“
Möglicherweise ist die IG Windkraft da etwas interessensgeleitet. Denn eine weitere statistische Analyse des Instituts für Wirtschafts- und Kulturgeographie der Leibniz Universität Hannover zeigt, „dass sich Windkraftanlagen negativ auf den Tourismus im nahen Umland bis 20 Kilometern auswirken können.“ Allerdings besagt die Studie auch, dass die negativen Auswirkungen durch eine insgesamt weiter steigende Tourismusnachfrage kompensiert werden könnten. Allerdings: je mehr die Urlaubsregion von der Küste entfernt liege, desto mehr leide sie unter den negativen Effekten von Windkraftanlagen. Nun liegt der Schwarzwald ja bekanntlich sehr weit von der Küste entfernt.
Zielgruppenspezifische Studie
Einem gemeinsamen Papier der PROJECT M GmbH, dem europäisches Tourismus Institut, der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften sowie dem Institut für Tourismus- und Regionalforschung wird eine zielgruppenspezifische Untersuchung von 2015 unter der Leitung von Prof. Dr. Heinz-Dieter Quack von der Ostfalia Hochschule angeführt. Befragt wurde eine besonders naturaffine touristische Zielgruppe: die Wanderer. Für lediglich 14 Prozent von ihnen stehe fest, einen bestimmten Wanderweg auf Grund der Präsenz von Windenergieanlagen in Zukunft zu meiden. Bei 98 Prozent jedoch ist das Störempfinden durch die Dominanz im Landschaftsbild am größten. Für 77 Prozent ist die dadurch entstehende Beeinträchtigung der Aussicht relevant.
Auch das Alter spielt bei der Frage nach der Ablehnung von Windrädern in Urlaubsregionen womöglich eine entscheidende Rolle. So habe insbesondere die jüngere Zielgruppen laut dem Papier eine deutlich höhere Akzeptanz gegenüber Windenergieanlagen als ältere. Die über 50-Jährigen hingegen fühlen sich demnach zu 46 Prozent von Windrädern gestört. Ob das Durchschnittsalter von Schwarzwald-Touristen jenseits der 50 liegt, bliebe noch zu erfragen.
Grundsätzliche Einstellung
Den Zusammenhang zwischen der Akzeptanz von Windenergie und dem Alter wurde allerdings von einer Centouris-Studie im Auftrag der IHK Arnsberg wiederum nicht bestätigt. Der IHK-Geschäftsbereichsleiter Thomas Frye zitiert in einer Stellungnahme die Centouris-Projektleiterin Marina Reischl, wonach für eine kritische Bewertung von Windkraftanlagen im Urlaubsgebiet immer weniger das Alter oder die soziale Herkunft ausschlaggebend sei, sondern vor allem die grundsätzliche Einstellung gegenüber dieser Form der Energieerzeugung. 92 Prozent der Befragten stünden der Windkraft in Deutschland positiv oder zumindest neutral gegenüber. Ein „vorsichtiger Vergleich mit der Studie aus 2012“ lasse erkennen, dass die Befürwortung des Windkraft-Ausbaus in deutschen Mittelgebirgen offenbar gestiegen sei. Auch eine sehr vage Aussage.
„Die Interessen von Windkraft und Tourismus sind vereinbar, wenn bei der Standortwahl nach dem Prinzip des geringsten Eingriffs in den Landschaftsraum verfahren wird“, schreibt IHK-Mann Thomas Frye. Intakte Waldflächen, allen voran die Laub- und Mischwälder, sollten ihm zufolge windkraftfrei bleiben. Hier gilt es zu erwähnen, dass sich die Studie auf das Sauerland mit dem Zielgebiet NRW bezieht und nur schwer mit dem teils internationalen Tourismus im Schwarzwald vergleichen lässt. Immerhin 27 Prozent würden sich jedoch durch Windenergieanlagen in der Nähe von Unterkunft oder von touristischen Ausflugszielen im Sauerland als Tourist oder Tagesausflugsgast gestört fühlen und 17 Prozent würden sich gegen einen solchen Urlaubsort entscheiden.
Exorbitante Größe
Ein Experte auf diesem Gebiet ist der Landschaftsarchitekt mit Schwerpunkt Landschaftsplanung im Ruhestand, Ulrich Bielefeld aus Überlingen am Bodensee. Er befasst sich seit 1990 mit Umweltprüfungen bei Wind- und Solarprojekten in Regionalplänen. Anfänglich sei er für Investoren tätig gewesen, doch aufgrund der exorbitanten Größe der Windräder von über 250 Metern habe er dies irgendwann nicht mehr mittragen können, wie er auf Anfrage des Ortenau Journals erklärt. „Am Anfang waren die Dinger noch 80 oder 90 Meter hoch. Jetzt mit dieser Größe sind die Eingriffe im Schwarzwald immens groß. Das Ökosystem Wald werde erhebliche gestört. Auch Bielefeld bestätigt die Bandbreite der Studien bezüglich der Ablehnung von Windrädern in Tourismusgebieten von etwa 17 bis 27 Prozent. „Im Hunsrück in Rheinland Pfalz ist da, wo massiv ausgebaut wurde mit hohen Windrädern, der Tourismus um bis zu 40 Prozent eingebrochen. In einer Gemeinde in der Nähe Paderborn, mit ebenfalls massivem Ausbau ist der Tourismus praktisch auf Null zurückgegangen.“
Die Schwarzwald Tourismus GmbH, habe bei einem theoretischen Rückgang der Übernachtungszahlen von 25 Prozent einen Verlust von 40.000 Arbeitsplätzen errechnet, sagt Bielefeld. 1,8 Prozent der Fläche für Windenergie, wie von der Landesregierung gewünscht, bringe optisch einen einzigen riesigen Windpark. Der ganze Horizont sei verbaut. „Kann mir nicht vorstellen, dass das noch anziehend ist“, so Bielefeld. In der Ebene wäre der Schaden geringer, da es durch die vorhandene Infrastruktur weniger Eingriffe gäbe und die Windräder wären nicht auf den Höhenrücken zu sehen.
Halbes Jahr Stillstand
Es gäbe Beispiele wie die Schwäbische Alb bei Schloss Lichtenstein, wo das Landratsamt mit Auflagen dafür gesorgt habe, das die Anlagen von Anfang März bis Mitte September tagsüber komplett abgestellt werden müssen, weil dort der Rotmilan zu hause sei. Nachts kämen dann die Fledermäuse, was auch Stillstand bedeute. Also ein halbes Jahr Stillstand. Bielefeld: „Es macht auch keinen Sinn, alles auf Windkraft umzustellen, weil Wind bei der Einspeisung bei Überproduktion Vorrang hat. Dann wird anderer erneuerbarer Strom abgestellt. Da kommt einfach nur was obendrauf und es wird immer teurer. Dabei ist der Einspareffekt beim CO2 gleich Null.“
Wie am späten Mittwochabend die ARD-„Tagesthemen“ berichteten, könne aber auch das Gegenteil von Überproduktion eintreten. So wurde zwischen dem 11. und 13. Dezember 2024 in Deutschland kaum noch Strom produziert. Es schien weder die Sonne, noch wehte der Wind. Dabei liegt der Anteil von Sonne, Wind, Biomasse und Wasserkraft im Jahresmittel bei rund 47 Prozent. Doch es gibt starke Schwankungen. Wegen der Dunkelflaute musste jedenfalls teurer (Atom-)Strom aus Frankreich importiert werden. Damit ist genau das eingetreten, was Gegner der Energiewende seit Jahren predigen.
Kommentar
Es lässt sich festhalten, dass die Studien zwar kein völlig einheitliches Bild abliefern, die Ablehnung von Windrädern in Urlaubsgebieten und damit ein Rückgang des Tourismus von vielleicht bis zu 30 Prozent aber möglich erscheinen lassen. Ob die Verantwortlichen dieses Risiko aufgrund von finanziellen Interessen von Investoren oder einigen Bürgern in Form von Beteiligungen sowie politischer Ideologie eingehen wollen, wird sich zeigen. Oder wird es billigend in Kauf genommen? Der Schaden für das traditionelle Tourismusziel Schwarzwald und dessen einzigartiger Kulturlandschaft wäre gigantisch und damit irreparabel. Begriffe wie Waldumwandlung oder regionale Wertschöpfung entspringen dem Framing von Kommunikationsexperten. Es ist ein Feldzug gegen die Identität, die Natur und das Selbstverständnis unserer Region. Bleibt die Landtagswahl 2026 abzuwarten, doch auch dadurch dürfte sich zunächst mal nichts ändern. Sollte es keine Neuauflage des grün-schwarzen Bündnisse geben, darf man gespannt sein, wie die CDU sich zu dem Thema verhält. Die Zustimmung zum massiven Windenergieausbau im Schwarzwald scheint jedoch parteiübergreifend hoch zu sein.
Foto: Fotosimulation des Landschaftsarchitekten Ulrich Bielefeld. Es zeigt Durbach mit dem geplanten Windpark Hummelsebene im Hintergrund.
Siehe auch:
Folge 1: „Wir in der Ortenau stehen zu Windenergie an sinnvollen Standorten“
Folge 2: IHK und Greenpeace zu Hummelsebene: „Finger weg von Laubmischwäldern“
Folge 3: Zweierpasch´s „Live auf der Hornisgrinde“-Video: „Die wilde Schönheit der Natur“
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