Umweltschutz

726 Baumfällungen im Gemeinderat Offenburg: Grüne ziehen Antrag zurück

Bäume in Offenburg
© Stadt Offenburg
Ende November gab die Stadt Offenburg die Fällung von 726 Bäumen bekannt, die meisten davon mit der Begründung „Allgemeiner Vitalitätsmangel“. Baumretter Ralph Fröhlich meldete sich zu Wort und die Fraktionen der Freien Bürger und der Grünen stellten Eilanträge an den Gemeinderat. Vor der Sitzung am 16. Dezember legte Fachbereichsleiterin Linda Schneider dar, was die Gründe für Fällungen seien. Baumerhalt habe grundsätzlich Vorrang.

Der Antrag der Grünen-Fraktion von Anfang Dezember enthielt die Forderung, insbesondere die Bäume mit der Beurteilung „Allgemeiner Vitalitätsmangel“ zu erhalten und deren Zustand durch einen unabhängigen Gutachter erneut zu beurteilen. Eine sofortige Aussetzung der geplanten Baumfällungen, die mit „Allgemeiner Vitalitätsmangel“ begründet werden, bis die neue Baumschutzsatzung 2025 in Kraft trete, forderten die Freien Bürger mit ihrem Fraktionsvorsitzenden Fritz Düker in ihrem Antrag.

Investitionen in Baumerhalt

Von den rund 20.000 Bäumen, die im Baumkataster des Jahres 2023 erfasst sind, sollen 726 gefällt werden. Wobei es laut Bürgermeister Oliver Martini bedauerlich sei, wenn diese eine Zahl isoliert betrachtet werde: „Das wird dem Sachverhalt und dem Engagement der Mitarbeitenden nicht gerecht.“ 1,7 Millionen Euro nimmt die Stadt dieses Jahr für Baumerhaltungsmaßnahmen in die Hand – im Jahr 2010 waren es 200.000 Euro, wie die Stadt Offenburg in einer Pressemitteilung schreibt.

Während früher bei der Baumbewertung lediglich der Stammumfang kommuniziert worden sei, würden die Fachleute inzwischen deutlich differenzierter vorgehen. Wie Linda Schneider, Fachbereichsleiterin Hochbau, Grünflächen und Umweltschutz, in einem Pressegespräch vor der Gemeinderatssitzung dargelegt habe, habe bei der Baumschau höchste Priorität, den jeweiligen Baum zu erhalten. Wenn Schäden festgestellt werden, gehe es darum, die Schadensart festzustellen und entsprechende Maßnahmen zum Erhalt einzuleiten. Wenn die Experten sicher sind, dass ein Erhalt nicht möglich sei, werde eine Fremdfirma beauftragt, den Baum zu fällen.

Wildwuchs und „Durchforstung“

Von den 726 zur Fällung ausgewiesenen Bäume handele es sich bei 134 um Wildaufwuchs; 345 würden aus flächigem Bestand entnommen („Durchforstung“), da sie zu dicht stehen. Von den verbleibenden 247 würden 41 an irreparablen Krankheiten leiden, die nicht unbedingt von außen zu sehen seien, da sie von innen wachsen würden; für die benachbarten Bäume bestehe Ansteckungsgefahr. 27 Bäume hätten Sturmschäden erlitten und müssten aus statischen Gründen gefällt werden: „Die Technischen Betriebe verhindern hier Schlimmeres“, wird Schneider zitiert.

Wegen Baumaßnahmen mussten fünf Bäume gefällt werden. Würden 173 bleiben, die an einem „allgemeinen Vitalitätsmangel“ leiden – einer Kategorisierung, der eine „gewissen Beliebigkeit“ unterstellt wurde; „wir bemühen uns um eine andere Begriffsfindung“, so Schneider. Unter „allgemeinem Vitalitätsmangel“ würden Bäume erfasst, die ein Schadbild aufweisen, das nicht in die bereits aufgeführten Kategorien passe. 166 von ihnen seien bereits abgestorben oder im Absterben begriffen. Die restlichen sieben seien einer erneuten Schau unterzogen worden mit dem Ergebnis, dass auch sie gefällt werden müssten.

Baumerhalt als oberstes Ziel

Schneider verwies auf die speziell ausgebildeten Mitarbeiter, die sich der „sehr komplexen Aufgabe“ der Baumschau und der baumfachlichen Baubegleitung widmen, wie es in der Mitteilung weiter heißt. Sie würden regelmäßig an Schulungen und Weiterbildungen teilnehmen. „Niemand lässt leichtfertig einen Baum fällen.“ Oberstes Ziel habe der Baumerhalt, dabei werde jeder Baum genau angeschaut und begutachtet. Nach Möglichkeit werden Nachpflanzungen laut Schneider an Ort und Stelle vorgenommen. Allerdings gebe es Standorte, die für ein pflanzliches Lebewesen nicht geeignet seien. Daher sei die Stadt ständig auf der Suche nach neuen Standorten, die erschlossen werden können. Jüngstes Beispiel sei der Ortseingang an der Ortenberger Straße, wo 45 Bäume neu gepflanzt wurden. Auch in der Ritterstraße vor dem früheren Eingang des Museums im Ritterhaus wurden erst fünf neue Bäume gepflanzt. Außerdem arbeite die Stadt mit innovativen Bewässerungssystemen in den neu entstehenden Quartieren Bahnhof/Schlachthof, Sportpark Süd und dem gesamten Areal der Landesgartenschau.

Unerwarteter Verlauf

Auch der Gemeinderat befasste sich in seiner Sitzung eine Woche vor Weihnachten noch einmal ausführlich mit dem Thema. Die Fraktionen der Grünen und der FBO hatten beantragt, Fällungen von Bäumen mit der Kennzeichnung „Allgemeiner Vitalitätsmangel“ auszusetzen. Die Debatte nahm allerdings einen unerwarteten Verlauf, wie die Stadt schreibt. In einem Fachvortrag habe die zuständige Fachbereichsleiterin Linda Schneider alle Aspekte erklärt. Jeder Fall werde sorgfältig geprüft.

Dafür erhielt sie Unterstützung aus dem Gremium. „Offenburg ist federführend in der Baumpflege“, sagte demnach Stadtrat und Gärtnermeister Gerhard Schröder (SPD). Die meisten der zu fällenden Bäume seien Hainbuchen, die dem Klimawandel nicht mehr gewachsen seien. Mario Vogt (FWO) warb für Vertrauen in die Fachleute. „Die Stadt ist auf dem richtigen Weg“, sagte sein Fraktionskollege Matthias Drescher.

Gegen die Zusage eines verbesserten Informationsflusses seitens der Stadtverwaltung zog schließlich Martin Ockenfuß den Antrag der Grünen zurück. Freie-Bürger-Offenburg (FBO)-Fraktionschef Fritz Düker brachte den Ausbau des 5-G-Netzes in Zusammenhang mit den Baumfällungen und beantragte, die Fällungen auszusetzen. Der Antrag wurde allerdings bei lediglich drei Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen abgelehnt.

Bleibt noch abzuwarten, ob und inwiefern sich der Baumretter Ralph Fröhlich zu den neuesten Entwicklungen öffentlich äußert.

Siehe auch:

Ralph Fröhlich: „Fällung von 726 Bäumen wäre ein harter Rückschlag“

„The Voice“ Dagmar Berghoff: „In Hamburg werden Bäume für Radwege rigoros gefällt“

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