Am Montag, dem 27. Januar 2025 stimmte der Oberkircher Gemeinderat über eine Beschlussvorlage der Verwaltung ab. Dieser sah vor, einen Pachtvertrag mit der Koehler Renewable Energy zur Errichtung eines Windparks auf der Schwend abzuschließen. Dem stimmten die Räte zu. Im Publikum saß auch Markus Hartmann, der unverzüglich einen Bericht zu der Sitzung in Social Media veröffentlichte, den wir hier in Form eines Leserbriefs dokumentieren.
Hier der Leserbrief von Markus Hartmann, Oberkirch:
Abschluss eines Pachtvertrages der Stadt mit der Koehler Renewable Energy zur Errichtung zweiter Windräder. Volles Haus. Die jüngsten Presseberichte haben Kreise gezogen.
OB Bühler zeigte sich höchst verwundert über die Kritik aus den Nachbargemeinden und teilte mit, er sei im Mai 2024 zu Gesprächen über das Projekt Schwend in Kappelrodeck gewesen. Die Oberkircher Hand sei nach wie vor ausgestreckt. Damit war das Thema durch und es blieb der unangenehme Eindruck, dass es nicht allzu sehr vertieft werden sollte, weil an der Kritik unserer Nachbarn etwas dran sein könnte.
Jetzt hatten die Bürger das Wort, wie zu erwarten unmittelbar Betroffene, die ihren Protest äußerten und hierfür gelegentlich lauten Applaus erhielten, was OB Bühler zu der für ihn typischen Äußerung veranlasste, er gehe davon aus, dass mancher Applaudierende diesen Applaus nach den anstehenden Koehler-Vorträgen zurücknehmen werde. Denn im Saal waren auch zwei Vertreter der Firma Koehler Renewable Energy, darunter Nicolas Christoph, Bereichsleiter Windkraft, Solar, Hydro & Business Development bei Koehler Renewable.
Koehler stehe zum Standort Oberkirch
Von beiden Herren erfuhr man, Koehler Renewable sei das zweite (maßgebliche, so mein Eindruck) Standbein der Koehler Gruppe, man erwirtschafte mit 340 Mitarbeitern ca. 150 Millionen Umsatz. Koehler habe beschlossen, bis 2030 mehr Energie selbst zu erzeugen als man selbst verbrauche.
Man unterhalte bereits mehrere Windparks u.a. in Nordhessen und Schottland. Die wirtschaftliche Situation in Deutschland werde für Unternehmen immer schwieriger, Demografie und schlechte Infrastruktur seien ein echtes Problem, hinzu kämen die Energiekosten, die zwei– bis dreimal höher seien als bei der ausländischen Konkurrenz, genannt wurde Frankreich.
Man stehe zum Standort Deutschland wie zum Standort Oberkirch und wolle nicht wie andere gehen, was sich ein wenig nach Drohung anhörte. Bezugnehmend auf die fortgeschriebene Fraunhofer-Studie aus dem vergangenen Jahr sei klar, dass Solar- und Windenergie die günstigste Variante sei, diese Stromerzeugung mache auch unabhängig von den Schwankungen auf dem Rohstoffmarkt. Nicht umsonst hätten namhafte Unternehmen bereits Windräder auf dem eigenen Betriebsgelände stehen.
Informationsveranstaltung zu Infraschall
Der Standort Schwend sei ausgewählt worden, weil man wegen der Direktverbindung per Kabel nicht weiter als fünf Kilometer vom Betriebsgelände bauen könne. Die Nabenhöhe der Räder liege bei den anvisierten Rädern bei 175 m. Die gesamten Gutachten auch zum Artenschutz werde man für das Genehmigungsverfahren einholen, sobald der Vertrag abgeschlossen sei. Infraschall werde man in einer Informationsveranstaltung thematisieren, es sei aber klar, dass dieser Aspekt nach herrschender Wissenschaftsmeinung keine Rolle spiele.
Ab dem 27.1. stelle das Unternehmen auch eine themenbezogene Webseite zur Verfügung.
Nach dem Dank von OB Bühler für die beiden Vorträge spießte er eine Bürgeräußerung auf und merkte an, wenn „wir in Deutschland“ so weit seien, dass man sich für Gewinn schämen müsse, habe man ein Problem.
Die CDU drosch auf Kappelrodeck ein, betonte dann aber, dass man die Hand nach wie vor ausgestreckt halte, wobei für den unbefangenen Zuhörer angesichts der Diktion der Eindruck aufkam, es handle sich eher um den ausgestreckten Mittelfinger, aber das mag täuschen. Die CDU war natürlich für die Beschlussvorlage, ebenso die Grünen – einstimmig – und die SPD. Die FWV/OLO-Fraktion wollte eine Änderung der Beschlussvorlage, die dann aber abgelehnt wurde.
Man verzeihe mir Ungenauigkeiten, ich musste zuhören und in mein Handy tippen. Jedenfalls war viel von grün, Nachhaltigkeit und güldener Energiezukunft die Rede. Gegen den Pachtvertrag war niemand. Die Räder werden also kommen.
„Das ging in die Hose“
Was bleibt?
OB Bühler wollte Äußerungen ums Geld zum Schweigen bringen
OB Bühler hat zwar versucht, die Einwände, hier gehe es primär oder ausschließlich ums Geld mit der zitierten Äußerung zum Schweigen zu bringen, aber das ging aus meiner Sicht in die Hose. Wenn man sagt, es müsse sich niemand schämen, Geld zu verdienen (was natürlich stimmt), dann wird damit ja klar kommuniziert, dass es gerade darum geht. Manch einer würde hier vielleicht sogar von einem Eigentor sprechen.
Das ist auch naheliegend.
Koehler, ein Unternehmen, das ich unheimlich schätze, hat wohlgemerkt für sich beschlossen, bis 2030 mehr Energie zu erzeugen als man selbst verbraucht. Wenn das Sinn machen soll, dann muss man Überschuss verkaufen. Das tut man an anderer Stelle schon seit vielen Jahren, denn anders als von mir angenommen, betätigt sich Koehler Renewable schon länger als Stromproduzent nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland.
„Wir reden von einem Geschäftsmodell“
Ich hätte mir vielleicht die Homepage des Unternehmens besser vorher mal angeschaut. Man sieht, dass Koehler in Sachen Strom verticken mittlerweile ziemlich fest im Sattel sitzt und auch Kooperationen mit anderen Unternehmen, darunter auch die Hamburger Energiewerke, pflegt.
Wir reden hier also von einem Geschäftsmodell. Das ist wie gesagt überhaupt nicht anrüchig, aber dann sollte man auch dazu stehen statt Nebel zu verbreiten und wir Bürger sollten bei aller Wertschätzung für die Koehler-Gruppe auch berücksichtigen, was für dieses Geschäftsmodell zerstört werden soll.
Und es hatte etwas Treppenwitziges, dass die hohen Energiepreise in Deutschland gegeißelt wurden, ist es doch gerade die von einem namhaften internationalen Blatt als die dümmste der Welt gegeißelte Energiepolitik unserer Regierung, die zu diesen hohen Kosten geführt hat.
„Folgen für Flora, Fauna und Landschaftsbild“
Sahnehäubchen war dann der Verweis auf die niedrigen Kosten in Frankreich, das bekanntlich anders als Deutschland auf Atomkraft setzt und uns auch immer wieder in rauen Mengen damit beliefern muss. By the way handelt sich Deutschland mit seiner egoistischen gegen-den-Strom-Energiepolitik zunehmend Kritik ein von seinen Nachbarn, weshalb zumindest bei mir der Eindruck entstand, Oberkirch wolle das auf lokaler Ebene mit Macht nachahmen.
Wie mit der Kritik aus Kappelrodeck und Ottenhöfen umgegangen wurde, erinnerte ein wenig an verbrannte Erde. Müßig auch zu erwähnen, dass der Hinweis auf die Fraunhofer-Studie hinkt, denn rechnet man ein, was aufgefahren werden muss, um Dunkelflauten bei Wind und Sonne zu kompensieren, sieht die Rechnung sicher ein wenig anders aus.
Fazit: Ich verstehe das Anliegen und kann durchaus auch nachvollziehen, dass man dafür ist, allerdings bekam ich den Eindruck, hier solle wie im Fall Hummelsebene eine gefräßige und hässliche Vettel zu Sophia Loren aufgepimpt werden, denn vergessen wir nicht – beide Standorte waren vor wenigen Jahren schon in der Diskussion und sind wegen der Folgen für Flora, Fauna und Landschaftsbild krachend durchgerasselt. Wie mit Kritik umgegangen wurde, erinnert mich an verbrannte Erde
„In jeder Hinsicht massiv enttäuscht“
Stimmt auch nur die Hälfte von dem, was man an Folgen dieser Räder für Flora, Fauna, Landschaftsbild und Anwohnern aus Kappelrodeck hört, dann bleibt mein Nein zu diesen Rädern eisern. Viel Hoffnung habe ich natürlich nicht, weil ich mittlerweile weiß, wie Genehmigungsverfahren ablaufen und mir niemand erklärt hat, was aus dem Pachtvertrag eigentlich wird, wenn die Räder nicht genehmigt würden, gibt es da eine Ausstiegsklausel? Vermutlich nicht, ein ziemlich sicheres Indiz dafür, dass man von einem fait accompli ausgeht.
Ich hatte die Erwartung, dass es an diesem Abend wirklich ernsthaft um die Pros und Contras des Projekts gehen, dass man mit sich ringen würde und ich wurde von allen Beteiligten in jeder Hinsicht massiv enttäuscht.
Mit den heruntergeleierten Buzzwords grün, Nachhaltigkeit und billiger Energie scheint man bei Gott alles rechtfertigen zu können, mittlerweile auch das selbst immer wieder mantrahaft beschworene interkommunale Miteinander, aber was schert einen das Geschwätz von gestern? Den Inhalt des Vertragsentwurfs kennen übrigens nur OB, Verwaltung und der Gemeinderat, nicht aber der Bürger, denn – so OB Bühler wieder mal unvergleichlich – im Vertrag würde irgendwas strategisch Wichtiges von Seiten Koehler stehen und deshalb sei das klaro top secret. Vielleicht lässt mal jemand mit mehr Ahnung als ich überprüfen, ob diese Geheimniskrämerei konform ist mit der Gemeindeordnung, denn aktuell kauft der Bürger mit den Rädern da oben an der Schauenburg die Katze im Sack.
Siehe auch:
Hummelsebene: „Überall werden Bürger entmündigt… und hinters Licht geführt“
„Wir im Ortenaukreis stehen zu Windenergie an sinnvollen Standorten“
Klimaziele vs. Naturerhalt: Wieviel Eingriff verträgt der Schwarzwald?
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