Von Christian Huber
Von fünf der Kreistagsfraktionen lagen insgesamt 27 Einzelanträge zu Beginn der Verwaltungsausschusssitzung auf dem Tisch des Landrats. Bündnis 90/Die Grünen legten den Fokus der Anträge entgegen des Spartrends auf die Stärkung des ÖPNV und sozialer Einrichtungen. Die Freien Wähler zogen während der Beratung einen Großteil der eigenen Anträge zurück. Einigkeit herrschte hinsichtlich der Anhebung der Kreisumlage.
Die erfolgreichen Anträge werden nun als Teil des Haushaltsentwurfs für den Ortenaukreis am 11. Februar in der Kreistagssitzung zur Abstimmung vor das gesamte Gremium gebracht. Nach der Haushaltsklausurtagung am 14. Januar 2025 erhielt Landrat Thorsten Erny fünf Mal Post. CDU, Freie Wähler, SPD, AfD und Bündnis 90/Die Grünen stellten insgesamt 27 Anträge zum am 3. Dezember durch den von ihm eingebrachten Haushalt.
Während 23 der Anträge Einsparpotenziale vorsehen und teils auch die Kreisumlage im Blick hatten, beschäftigen sich die Anträge von Bündnis 90/Die Grünen mit Posten im Haushalt, die im Entwurf im Vergleich zum vorherigen Haushalt 2023/2024 gekürzt oder gestrichen wurden.
Brot statt Sahnehäubchen
Bündnis 90/Die Grünen wollten u. a. Mittel in Höhe von 250.000 Euro für flexible Bedienungsformen wie dem Anruf-Sammeltaxi oder Bürgerbussen in den Haushalt 2025/2026 aufnehmen lassen. Insbesondere weil „der Umwelt- und Technikausschuss im Vorfeld die Beendigung mehrerer Buslinien beschlossen“ hat, seien flexible Lösungen eine Alternative.
Eine Streichung der im Doppelhaushalt 2023/2024 noch vorgesehenen 300.000 Euro hätte gemäß dem Antrag der Grünen-Fraktion „zur Folge, dass ergänzende Angebote nicht mehr eingeführt und bestehende Angebote eingestellt werden müssten“. Während der Beratung im Ausschuss machte der Sprecher der CDU für den Ausschuss für Umwelt und Technik Stefan Hattenbach deutlich, dass dieses Thema bereits Teil der Ausschussberatungen zum Haushalt gewesen und ausdrücklich gestrichen worden seien.
Er betrachtet die flexiblen Lösungen als über die Zielsetzung des ÖPNV hinausgehend. „Das wäre das Sahnehäubchen, obwohl wir noch nicht einmal das Brot gebacken haben“, verweist er weiterhin darauf, dass der Kreis seine bestehenden Ziele kaum erreicht habe. Obwohl Frank Himmelsbach für die Position der Grünen vehement eintrat, blieb der Fraktion am Ende nur ein Teilerfolg für ihren Antrag. Der Ausschuss vertagte die Entscheidung und verwies sie auf den Ausschuss für Umwelt und Technik. Der solle nun mit den Mitteln aus dem flexiblen Posten „Angebotsverbesserungen“ im Einzelfall entscheiden.
Soziales wird gestärkt
Während der Antrag der Grünen, die Fördersumme pro Fachkraftstelle des AGJ-Fachverbands anzuheben, mit deutlicher Mehrheit und ohne wesentliche Debatte abgelehnt wurde, konnte die Fraktion bei den Anträgen zur Frühberatung und den Betreuungsvereinen punkten. Heiko Faller, Dezernent für Bildung, Jugend, Soziales und Arbeitsförderung, kam dabei eine gewichtige Rolle zu. Seine Ausführungen zu den auf den Kreis zukommenden Kosten, dass die beiden Angebote nicht länger von den Vereinen und teils ehrenamtlich übernommen werden sollten, überzeugten die Ausschussmitglieder mehrheitlich.
Der Antrag, die Frühberatung mit einem höheren Zuschuss auszustatten, wurde zwar durch die Fraktion zurückgezogen wird jedoch im Sozialausschuss mit bereits im Haushalt vorhandenen Mitteln neu behandelt. Der Antrag, die Defizite der Betreuungsvereine SkM-Ortenau e.V. und SkF e.V. zu übernehmen fand mehrheitlich Zustimmung. Hans-Peter Kopp (SPD) betonte diesbezüglich im Rahmen der Debatte, dass er dankbar dafür sei, dass die Kirche die Finanzierung über Jahrzehnte gemacht hätte, er sich nun aber darum sorge, dass bei einem Wegfall der Vereine, die Stellen im Kreis geschaffen werden müssten.
Radschnellweg spaltet Ausschuss
Für eine Grundsatzdiskussion sorgte der Antrag der Freien Wähler, die vom Kreis im Haushalt eingeplanten Mittel für Planung und Bau des Radschnellwegs zwischen Offenburg und Gengenbach vollständig zu streichen und das Projekt zu stoppen. In der Begründung zum Antrag betont die Fraktion, dass es den Bürgern nicht zu vermitteln sei, „dass die finanziellen Belastungen ansteigen und ein solches Prestigeprojekt trotzdem weitergeführt wird“.
Landrat Thorsten Erny wies während der Debatte darauf hin, dass bereits rund 562.000 beauftragt oder angefallen seien und dieser Betrag bei einem Projektstopp definitiv am Kreis hängen bliebe. Kappelrodecks Bürgermeister Stefan Hattenbach (CDU) betonte, dass der Fachausschuss viel beraten hätte und der Radschnellweg „das Streichkonzert überlebt“ habe. Bei rund 25 Mio. Euro Gesamtkosten und etwa 90 Prozent Förderquote sei das Kosten-Nutzen-Verhältnis entgegen der Darstellung der Freien Wähler gegeben, so Hattenbach weiter.
„Es geht auch um Selbstachtung“
Benjamin Rösch von der AfD hielt dagegen, dass alles Steuergelder seien, ungeachtet der Herkunft. Er betonte „es geht auch um Selbstachtung“ und dass seine Fraktion daher „nicht taktisch abstimmen sondern für die Streichung stimmen“ werde. Fraktionsvorsitzender Hans-Peter Kopp (SPD) wandte ein, dass der Bau zwar „sehr viel Geld“ koste, der Kreis das „aber als Modellprojekt und zur Stärkung des ländlichen Raums“ tun solle. Und der Lahrer OB Markus Ibert (CDU) setzte sich für das Projekt ein: „Wir werden im Bereich KFZ-Alternativen viele Themen haben, denen wir künftig nicht zustimmen können. Da sollten wir jetzt nicht schon anfangen, Projekte abzulehnen.“ Letztlich wurde der Antrag auf Streichung des Radschnellwegs mit großer Mehrheit abgelehnt.
Freie Wähler ziehen Anträge zurück
Der Antrag zur Streichung der Radwegemittel war dabei nicht der erste abgelehnte Antrag der Freien Wähler während der Ausschusssitzung. Ohne große Debatten waren zuvor auch schon die Fraktionsanträge zur Reduzierung des Klimaschutzfonds, die Einschränkung der Partnerschaftsmittel für die Kreispartnerschaft mit der bulgarischen Region Vidin und die Reduzierung der Mittel für das Netzwerk Educationnet (Teil der Kreisorganisation Nectanet, vormals WRO) mit jeweils deutlicher Mehrheit abgelehnt worden.
Nach dem abgelehnten Antrag über den Radschnellweg war dann die Frustration der Freien Wähler spürbar. Erik Weide meldete sich zu Wort und gab bekannt, dass seine Fraktion alle weiteren gestellten Anträge zurückziehe. „Wir sind enttäuscht. Alle wollen sparen aber offensichtlich nicht heute und nicht hier“, führte Weide aus. Auch wenn er in der Begründung für den Rückzug erklärte, das dieser Schritt nichts damit zu tun habe, dass man nun beleidigt sei, hinterlässt die Reaktion der Freien Wähler ein Stück weit diesen Eindruck.
Neues Landratsamt oder doch Sanierung?
Gleich mehrere Anträge beschäftigten sich mit dem geplanten Neubau des Landratsamts. Die CDU forderte mit ihren Anträgen, dass sowohl alle Mittel „für Planungen oder sonstige bauvorbereitende Maßnahmen für ein neues Landratsamt“ gestrichen werden sollten, als auch die vertragliche Bindung zum Grundstück am Güterbahnhof „zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen“. Der Mittelansatz für den Grundstückserwerb eines „geeigneten Grundstücks für ein neues Landratsamt“ sollte laut Fraktionsantrag auf 5 Mio. Euro reduziert werden (im Haushaltsentwurf sind 16 Mio. Euro vorgesehen).
Die CDU forderte weiterhin, die Sanierung des Bestandsgebäudes „weiterhin ergebnisoffen parallel zu einem Neubau zu verfolgen“. Die Freien Wähler sahen in ihrem Antrag vor, „keine weiteren Finanzmittel für Planung oder Umsetzung eines neuen Landratsamts im Doppelhaushalt 2025/2026 zur Verfügung“ zu stellen. Während Benjamin Rösch für die AfD ebenfalls die Position bezog, dass „der Neubau der richtig Weg“ sei, er „aber in den zwei Jahren nicht angegangen werden“ solle, stärkte Alfred Baum (Bündnis 90/Die Grünen) der CDU den Rücken: „Wir sind immer noch der Meinung, dass eine genauere Prüfung, das bestehende LRA-Gebäude umzubauen, durchzuführen ist.“ Es müsse möglich sein, ein Gebäude, dass vor 40 Jahren als Verwaltungsgebäude konzipiert wurde, heute so umzubauen und zu sanieren, dass es weiterhin als Verwaltungsgebäude genutzt werden könne.
Dreiklang der Beschlüsse
Und auch Martin Aßmuth von der FDP sieht das Nordareal beim Bahnhof als nicht mehr weiter tragbar an. Hinsichtlich der Planungskosten sei die FDP gesprächsbereit und sehe einen sechsstelligen Betrag als realistisch an. Landrat Thorsten Erny konnte die Debatte mit einem Kompromiss abschließen. Sein Vorschlag, für die Standortentwicklung Landratsamt 6 Mio. Euro zu verankern und diese mit einem Sperrvermerk zu versehen, wurde einstimmig angenommen.
Für weitere Planungskosten, die sowohl für einen Neubau als auch die Sanierung gelten sollen, schlug Erny vor, 500.000 mit Sperrvermerk im Haushalt zu verankern. Hier fand sich gegen die Stimmen der Freien Wähler ebenfalls eine Mehrheit. Die bestehende vertragliche Bindung hinsichtlich des Grundstücks am Güterbahnhof soll gekündigt werden, beschloss der Verwaltungsausschuss mehrheitlich und komplettierte damit den Dreiklang der Beschlüsse um das Landratsamt. Damit bleiben beide Wege offen und sowohl Kreisverwaltung als auch Kreistag werden sich künftig mit dem Thema Sanierung oder Neubau beschäftigen.
AfD-Antrag zum Theater Baden Alsace
Ein anderes Thema sorgte in den vergangenen Tagen öffentlich für Aufregung. Die AfD-Fraktion forderte in der Sitzung die Streichung der Mittel für das Theater Baden Alsace (BAAL) in Neuried-Altenheim in Höhe von 200.000 Euro zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Begründet wurde dies u. a. Damit, dass das Theater außer vom Land Baden-Württemberg auch vom Eurodistrict gefördert werde, letzterer aber ebenfalls Geld vom Kreis erhalte. Außerdem sei es trotz umfassender finanzieller Unterstützung in 20 Jahren nicht gelungen, Bekanntheit und Akzeptanz zu erlangen.
Über die Stimmen von Beteiligten und das Abstimmungsergebnis (der Antrag wurde abgelehnt) werden wir morgen gesondert berichten.
Nächste Schritte
Die Kreisverwaltung hat nun bis zum 11. Februar Zeit, die beschlossenen Anträge im fortgeschriebenen Haushaltsentwurf zu verankern und diesen dann dem Kreistag zum endgültigen Beschluss vorzulegen. Es bleibt abzuwarten, ob bis dahin weitere Anträge zum Haushalt eingehen werden und ob der Kreistag der Empfehlung des Verwaltungsausschusses, den dann vorliegenden Entwurf zu verabschieden, folgen wird.
Siehe auch:
Kreistag: Thorsten Erny will die Kreisumlage durch Griff in die Trickkiste retten
Bahntunnel kommt Thorsten Erny beim Neubau des Landratsamts in die Quere
1,8 Milliarden Euro: Thorsten Erny bringt Rekorddoppelhaushalt des Kreises ein
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