Arbeitskampf

Öffentlicher Dienst: ver.di plant für Dienstag Warnstreiks in der Ortenau

Streik von verdi
© Kay Herschelmann
ver.di fordert in der Tarifrunde 2025 für die mehr als 2,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen ein Volumen von acht Prozent, mindestens aber 350 Euro mehr monatlich. Nun plant die Gewerkschaft am Dienstag auch eine Demo mit Kundgebung in Kehl. Hierzu werden mehrere Hundert Teilnehmer erwartet. Dem öffentlichen Dienst drohe ab 2030 laut einer Studie die Handlungsunfähigkeit wegen des massiven Renteneintritts der sog. „Babyboomer“.

Von Wolfgang Huber

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di erhöht den Druck. Ab Montag sind Beschäftigte aus Kitas, Kliniken, Stadtverwaltungen und Landratsämtern, Sparkassen, Jobcenter und Arbeitsagenturen, Stadtwerken und auch aus dem kommunalen Nahverkehr zu weiteren Warnstreiks in Baden-Württemberg aufgerufen. Zuvor hatten bereits Beschäftigte aus allen Bereichen des öffentlichen Dienstes in zahlreichen Städten jeweils für einen Tag die Arbeit niedergelegt. Das teilt der ver.di-Landesverband in Stuttgart auf Anfrage mit.

Demo und Kundgebung in Kehl

Eine Streikaktion sei dabei am Dienstag in Kehl geplant. Den geplanten Ablauf erklärt die Sekretärin von ver.di Südbaden, Melanie Kühn, gegenüber dem Ortenau Journal. So sei das Streiklokal in der Stadthalle ab 9 Uhr geöffnet. Um 12 Uhr ist eine Demo durch die Stadt geplant und um 12.30 Uhr werde es eine Kundgebung auf dem Marktplatz mit ihr als Rednerin geben. Kühn rechnet mit 300 bis 500 Teilnehmern.

Damit reagiere ver.di auch auf die Stimmung in den Dienststellen: Dort seien die Beschäftigten empört über den Kurs ihrer Arbeitgeber in dieser Tarifrunde. Denn zahlreiche Bürger- und Oberbürgermeister hätten bereits offen damit gedroht, öffentliche Dienstleistungen wegen der Forderungen zu kürzen. „Damit versuchen sie, ihre eigenen Bürgerinnen und Bürger gegen die eigenen Beschäftigten in Stellung zu bringen“, wird Hanna Binder, stellvertretende ver.di Landesbezirksleiterin, in der Pressemitteilung zitiert.

„Beängstigender Realitätsverlust“

Der baden-württembergische Arbeitgeberverband KAV spricht in seinen Mitteilungen sogar davon, dass in „den vergangenen Lohnrunden bereits höchst komfortable Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst der Kommunen geschaffen“ wurden. Weitere massive Aufwertungen seien der Bevölkerung in Anbetracht der prekären Kommunalfinanzen nicht zu vermitteln.

Binder lässt das nicht gelten: „Dass der KAV den seit Jahren anhaltenden Dauerstress durch immer mehr Aufgaben und immer weniger Personal als komfortabel bezeichnet, zeugt von einem beängstigenden Realitätsverlust. Tarifverhandlungen beginnen wie die Politik mit der Betrachtung der Wirklichkeit. Hier werden wir noch reichlich Aufklärungsarbeit leisten müssen bis zur zweiten Verhandlungsrunde.“

Öffentlichem Dienst droht Kollaps

Auch Melanie Kühn, gibt sich erstaunt über die widersprüchlichen Aussagen der Arbeitgeber: „In den Verhandlungen behauptete der KAV, es gebe im öffentlichen Dienst keinen Fachkräftemangel. Als es um die die Verlängerung der Altersteilzeit ging, wurde das mit dem Hinweis abgelehnt, dass es kein Personal gebe.“ Die sei, so Kühn weiter, eine Respektlosigkeit unserer Arbeit gegenüber.

Die Arbeitsbedingungen seien alles andere als attraktiv. Kühn verweist auf eine McKinsey-Studie, wonach der öffentliche Dienst in Deutschland bereits ab 2030 handlungsunfähig sei, sofern sich nicht bald etwas ändere. Tatsächlich gehen in den kommenden sieben Jahren alleine im öffentlichen Dienst bei Bund, Ländern und Gemeinden rund 350.000 Mitarbeiter in den Ruhestand. Und schon jetzt seien 500.000 Stellen in dem Sektor unbesetzt.

Acht Prozent mehr Lohn gefordert

ver.di fordert in der Tarifrunde 2025 für die mehr als 2,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen ein Volumen von acht Prozent, mindestens aber 350 Euro mehr monatlich für Entgelterhöhungen und höhere Zuschläge für besonders belastende Tätigkeiten. Die Ausbildungsvergütungen und Praktikantenentgelte sollen um 200 Euro monatlich angehoben werden. Außerdem fordert ver.di drei zusätzliche freie Tage, um der hohen Verdichtung der Arbeit etwas entgegenzusetzen. Für mehr Zeitsouveränität und Flexibilität soll zudem ein „Meine-Zeit-Konto“ sorgen, über das Beschäftigte selbst verfügen können.

Die zweite Runde der Tarifverhandlungen findet am 17./18. Februar 2025 in Potsdam statt. Die dritte Runde ist vom 14. – 16. März 2025 ebenfalls in Potsdam angesetzt. Das Tarifergebnis soll zeit- und wirkungsgleich auf Beamten, Richter, Soldaten sowie auf Versorgungsempfänger übertragen werden. ver.di führe die Tarifverhandlungen auch für GdP, GEW, IG BAU sowie mit dbb beamtenbund und tarifunion.

Hohe Teilzeitquote

In Baden-Württemberg seien ver.di zufolge nach Angaben des KAV insgesamt 385.000 Beschäftigte direkt von den Tarifverhandlungen betroffen. Nach Zahlen des Statistischen Landesamtes am Stichtag 30. Juni 2023 würden davon rund 248.000 Tarifbeschäftigte bei den Kommunen arbeiten.

Rund 67 Prozent der Beschäftigten in den Kommunen insgesamt (inklusive Beamten) sind Frauen, die Teilzeitquote beträgt rund 44 Prozent. Ebenso direkt betroffen seien rund 30.000 Beschäftigte bei den baden-württembergischen Sparkassen sowie Beschäftigte in kommunalen Kliniken, Versorgungsbetrieben und Nahverkehrsunternehmen. Außerdem hätten die bundesweiten Verhandlungen unter anderem Auswirkungen auf den Verlauf der Tarifrunde von rund 10.000 Beschäftigten bei der Agentur für Arbeit und über 3.000 Beschäftigten bei der Deutschen Rentenversicherung im Land.

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