Das Land erstickt in Bürokratie. Dies lähmt wiederum die Wirtschaft. Wenn ein Standort für Unternehmen unattraktiv ist, wird dort auch keine Wertschöpfung aufgebaut. Die Produktion findet dann woanders statt. Denn Bürokratie und hohe Kosten sind Gift für Investitionen und die Ansiedlung oder den Verbleib von Unternehmen. Anstatt das Problem endlich ernsthaft anzugehen, werden seit Jahren quer über die Parteigrenzen hinweg mit jedem Gesetz neue bürokratische Hürden durch Fragmentierung und unzählige Ausnahmetatbestände, Dokumentations- und Berichtspflichten etc. aufgebaut.
Wertschöpfung im Ausland
Dementsprechend aufschlussreich sind die Ergebnisse der Globalisierungsumfrage der wvib Schwarzwald AG. Demnach reagiert die große Mehrheit der Unternehmen aktuell mit dem Auf- und Ausbau des Auslandsgeschäfts, wie der Verband in einer Pressemitteilung schreibt. 54 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass der Anteil der im Ausland geleisteten Wertschöpfung in den nächsten Jahren weiter steige. Im Fokus der Unternehmen stünden Nordamerika und Asien. Auch in die Märkte in Mittel- und Osteuropa werde stark investiert.
26 der 61 befragten Unternehmen möchten perspektivisch weiter in den USA investieren, so ein weiteres Ergebnis der Umfrage. Nur für 15 Prozent sei Deutschland das wichtigste Investitionsziel für die nächsten Jahre. Während 82 Prozent angeben, dass der nordamerikanische Markt an Bedeutung gewinnt, glauben dies nur 43 Prozent für Europa. Optimistischer sei der Ausblick für das Schwellenland Indien. 61 Prozent gehen davon aus, dass die Märkte dort weiter zulegen werden. Für China glaubt das nur jedes fünfte Unternehmen. Aktuell sind in den weltweit knapp 1.800 Auslandsstandorten der wvib Mitgliedsunternehmen 105.000 Menschen beschäftigt.
Verfügbarkeit von Personal
Es zeige sich auch, dass Unternehmen je nach Unternehmensgröße unterschiedlich mit der sinkenden Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands umgehen: Auf die Frage nach der Organisation des Auslandsgeschäfts geben 43 Prozent der befragten Unternehmen an, weiter auf das klassische Exportgeschäft mit Produktion in Deutschland zu setzen, heißt es. Darunter seien besonders viele kleine Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitenden. 23 Prozent versuchen dagegen über die sogenannte Local for Local-Strategie, Produkte dort zu fertigen, wo sie später verkauft werden.
Auf Rang zwei der wichtigsten Standortfaktoren folgen Stabilität und politische Sicherheit. Fast genauso relevant sei die Verfügbarkeit von Personal. 58 Prozent bewerten dieses Kriterium als sehr wichtig. An sich ein Pluspunkt für Deutschland ist, dass fast alle Befragten das Qualifikations- und Lohnniveau als wichtigen bis existenziell wichtigen Faktor nennen. Doch sieht man sich die Leistungen des deutschen Nachwuchses bei den Pisa-Tests und den Stand der Digitalisierung an, kann einem für die nicht mal all zu ferne Zukunft Angst und Bange werden. Dann wird deutlich, dass der Investitionsstau bedrohliche Züge annimmt. Die Liste der Mammutproblemfelder ist lang und das Bildungssystem gehört ebenfalls dazu. Die künftige Bundesregierung sollte dies ernst nehmen.
Standortpatriotismus als Anker
Die Kosten für Energie werden laut wvib zwar als wichtig, jedoch nur von 10 Prozent als existenziell wichtig eingestuft. „Energieintensive Prozesse werden bei größeren Unternehmen häufig parallel im Ausland aufgebaut. Dass die allermeisten Unternehmen trotzdem eine hohe Wertschöpfungstiefe in Deutschland beibehalten, beweist das hohe Maß an Standortpatriotismus im industriellen Mittelstand – besonders unter den kleineren und mittelgroßen Unternehmen“, so Marcel Spiegelhalter, Studienautor und Cluster Manager Globalisierung beim wvib.
Gestützt wird dies auch durch die Umfrageergebnisse, wonach 48 Prozent der Unternehmen angeben, in Deutschland zu investieren, um Arbeitsplätze und Wertschöpfungstiefe am Standort zu erhalten. Zeitgleich geben aber auch 44 Prozent an, im Ausland zu investieren, weil die Produktionskosten dort geringer sind.
Abstieg in die zweite Liga
Laut Dr. Christoph Münzer, Hauptgeschäftsführer der wvib Schwarzwald AG, sind Deutschlands Standortprobleme schon lange bekannt. Um das Ruder herumzureißen, würden kleine Reformen nicht ausreichen. Münzer: „Die Industrie verlangt nicht nach kurzfristiger Schmerzbehandlung durch Steuermittel und Subventionen. Gefragt ist alles, was langfristig heilt. Dann wird auch langfristig investiert.“
Wichtigstes Standortkriterium sind Münzer zufolge die Regulatorik und Bürokratie. Und Deutschland verliert in diesen Bereichen wie oben geschildert zunehmend an Boden. „Hier haben wir in den letzten Jahren massiv an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Während andere Länder die Verwaltungsprozesse verschlankt und Steuern reduziert haben, wächst der Staat seit Jahren schneller als die Wirtschaft.“ Sollte die Politik nicht umsteuern und den Staat mit seinen Prozessen und Gesetzen nicht von den hohen Lasten befreien, dürfte sich Deutschlands Abstieg in die zweite oder dritte Liga der Wirtschaftsnationen immer mehr beschleunigen.
red/Wolfgang Huber
Siehe auch:
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