Von Wolfgang Huber
Auch die derzeitige Wirtschaftskrise in Deutschland mit Entlassungen in vielen Unternehmen hat den Fachkräftemangel nicht einfach so beendet. Zum einen ist die Rezession Folge einer Strukturkrise in weniger zukunftsträchtigen Branchen, zum anderen ist sie Folge der technologischen und digitalen Transformation. Unternehmen kämpfen nach wie vor in vielen Wirtschaftszweigen um die besten Fachkräfte und Talente. Und da ist ein guter ruf als Arbeitgeber Gold wert.
Gigantisches Investitionsvolumen
Denn angesichts des jüngst mit einer Grundgesetzänderung beschlossenen Eine-Billion-Sondervermögens des Bundes werden schon bald massenhaft öffentliche Aufträge in Bereiche wie Verkehr, Krankenhäuser, Energie, Bildung, Betreuung, Wissenschaft, Forschung, Entwicklung und Digitalisierung gehen. Weitere Milliardenbeträge sollen in Verteidigung und den Klimaschutz fließen. Das werden die Auftragnehmer nicht dadurch stemmen können, in dem sie Personal abbauen. Mit anderen Worten: ein Investitionsvolumen von solch gigantischem Ausmaß hat es wohl noch nie gegeben. Es wird die Wirtschaft ankurbeln und damit auch das Arbeitskräftekarussell in Schwung bringen. Zum Vergleich: Der Marshallplan der USA nach Ende des 2. Weltkrieges hatte für Deutschland ein Volumen von 17,9 Milliarden Euro – nach heutigem Wert.
Begehrtes Siegel „Top Company 2025“
Wohl dem Unternehmenslenker, der seine Company in Sachen Employer Branding rechtzeitig gut aufgestellt hat. Denn wenn Berufstätige gerne in einem Unternehmen arbeiten, wenn sie gut behandelt werden und wenn die Unternehmenskultur nachhaltig gepflegt und authentisch gelebt wird, spricht sich so etwas mit der Zeit auf dem Arbeitsmarkt herum. Lediglich ein Indiz für eine erfolgreiche Employer Branding-Strategie ist die Arbeitgeberbewertungsplattform kununu. Dort können Mitarbeiter anonym ihre Arbeitgeber nach Kriterien wie Karrieremöglichkeiten, Gehalt, Vielfalt oder Benefits bewerten. Die Skala, der sogenannte „kununu score“, reicht von 0 bis 5 Sternen. Wer bestimmte Voraussetzungen erfüllt, kann dort das Siegel „Top Company 2025“ erwerben, quasi als Nachweis guter Personalführung.
Hoher kununu-Score
Eines der Unternehmen, dass auf dieser Skala gut abschneidet, ist das Ingenieursbüro Wald + Corbe Consulting GmbH in Hügelsheim. Wald + Corbe hat sich auf Projekte der Wasserwirtschaft, des Wasserbaus und der Infrastruktur spezialisiert und ist Teil der BKW Engineering. Der kununu score von Wald + Corbe ist mit 3,9 Sternen recht hoch. Und so springen Usern auf der Startseite des Unternehmensauftritts gleich mehrere Gütesiegel entgegen. Es gibt eines für die Unterzeichnung der „Charta der Vielfalt“, eines weist die Firma als „Cookie Frei“ aus und zwei weitere sollen die Qualitäten als Arbeitgeber hervorheben: Zum einen das Siegel von kununu „Top Company 2025“ und zum anderen das Siegel „Ausgezeichnetes Planungsbüro“ des IWW Instituts für Wissen in der Wirtschaft. Letzteres bezeichnet sich selbst als „Gütesiegel für die besten Arbeitgeber“.
Blühendes Geschäft
Auch die pilot group, eine große Mediaagentur mit Dependancen, u. a. in Berlin, Hamburg und München, schmückt sich mit dem kununu-Siegel. Auf deren Website wird das Siegel als „Award“ bezeichnet, mit dem man ausgezeichnet wurde. Tatsächlich muss eine Firma, die bestimmte Kriterien erfüllt, das Siegel käuflich erwerben. Und das Geschäft blüht. Bei kununu kostet das Top-Company-Siegel ab 1.490 Euro. Laut kununu erfüllen „nur“ fünf Prozent aller Arbeitgeber die Kriterien. Das bedeutet, dass zehntausende Unternehmen das Label „Top-Company“ besitzen können. Sie müssen in den zurückliegenden 12 Monaten einen Score von mindestens 3,8 erreichen. Bei Wald & Corbe sind es 3,9.
Arbeitgebersiegel weitgehend unbekannt
Doch eine Garantie, dass diese Leistungsnachweise ihre Wirkung bei den Arbeits- und Fachkräften entfalten und zahlreiche Bewerbungen nach sich ziehen, gibt es nicht. Laut einer aktuellen Studie von bilendi sind die Arbeitgebersiegel den meisten Berufstätigen überhaupt kein Begriff. 79 Prozent der über 1.000 Befragten sagten dies. Auch bei Nennung der gängigsten Siegel kannten knapp die Hälfte keines davon. Lediglich 22 Prozent gaben an, dass ihnen die Siegel bei der Jobsuche hilfreich seien. 31 Prozent halten sie dagegen für unwichtig. Nicht wesentlich besser sieht es mit der Glaubwürdigkeit aus. Lediglich 21 Prozent der Frauen bewerten die Arbeitgebersiegel als seriös. Bei den Männern sind es mit 33 Prozent immer rund ein Drittel.
Einseitige Kommunikation
„Eine Erklärung für die fehlende Bekanntheit kann sein, dass sich viele Siegelbetreiber in ihren Marketingmaßnahmen zu einseitig auf die Arbeitgeber konzentrieren, die für Siegel zahlen sollen. Das schafft aber zu wenig Bekanntheit auf Kandidatenseite“, sagt Nadine Stricker, Senior HR & Recruiting Partnerin des Softwareanbieters HR WORKS, der den Auftrag zu der Studie gab, zu den Ergebnissen der Umfrage. Das heißt, die Anbieter der Arbeitgebersiegel achten mehr darauf, möglichst viele von ihnen zu verkaufen und damit Geld zu verdienen, anstatt sie in der deutschen Arbeitnehmerschaft bekannt zu machen.
Hinsichtlich der gestützten Bekanntheit liegen laut HR WORKS das Arbeitgebersiegel des TÜV Rheinland „Ausgezeichneter Arbeitgeber“ mit 32 Prozent vorne. Auf Platz 2 folgt das Siegel der Bewertungsplattform kununu „Top Company“, das rund ein Viertel der Bewerber kennt. Rang 3 belegen das Siegel von XING „New Work Award“ sowie das LinkedIn-Siegel „Top Companies“, die aber beide nur einen gestützten Bekanntheitsgrad von 15 Prozent erreichen.
Nur als Add-on verstehen
Nadine Stricker hat für die Unternehmen einen Tipp parat, wie sie mit den Arbeitgeberbewertungen umgehen können. So mache die Umfrage deutlich, dass Arbeitgebersiegel für viele Bewerber wenig greifbar sind. Unternehmen sollten diese daher maximal als visuell ergänzende Add-ons in der Arbeitgeberkommunikation verstehen: „Für Arbeitgeber bleibt es wichtig, ihre Employer Brand aktiv, authentisch und differenzierend zu kommunizieren“, so Stricker.
Ein Unternehmen, dass diesen Tipp praktisch und erfolgreich umsetzt, ist Wagner System aus Lahr. Der Hersteller von Möbelrollern, Transporthilfen, Möbelzubehör oder Wandhaken wirbt mit dem Siegel „Arbeitgeber der Zukunft“. Dieses wird vergeben vom Deutschen Innovationsinstitut für Nachhaltigkeit und Digitalisierung (DIND) unter der Schirmherrschaft von Brigitte Zypries, Bundeswirtschaftsministerin a. D. Es wird vergeben an Unternehmen, die „besondere Maßstäbe in den Bereichen Zukunftsfähigkeit sowie herausragende Qualität als Arbeitgeber setzen.“ Die Kriterien sind moderne Führung, Innovationskraft, Stand der digitalen Transformation, Mitarbeiterfreundlichkeit und Strategien fürs Recruiting.
Glaubhaftes Vorleben der Unternehmenskultur
Die Arbeitgebermarke wird, wie von HR WORKS angeraten, aktiv, authentisch und differenzierend kommuniziert. Gleichzeitig wird die Unternehmenskultur von den beiden Geschäftsführern glaubhaft vorgelebt. Die Werkshallen in Lahr bieten eine angenehme Arbeitsumgebung, es wird nach dem Lean Management-Prinzip gearbeitet, wodurch die Abläufe verschlankt werden. Außerdem gibt es eine Zusammenarbeit mit der Hochschule Offenburg, um das japanische Kaizen-Prinzip zu implementieren. Die Devise: „Mit wenig Aufwand optimale Ergebnisse erzielen“. Damit wird der Lean-Management-Ansatz ergänzt und verfeinert.
Über die tatsächliche Mitarbeiterzufriedenheit sagen diese Ansätze allerdings auch erst einmal nichts aus. Beim Blick auf den kununu-Score fällt zunächst ein für Industrieunternehmen unterdurchschnittlicher Wert von 3,1 Sternen auf. Ermittelt auf Basis von 62 Mitarbeiterbewertungen. Während der Kollegenzusammenhalt besonders lobend hervorgehoben wird, ist die Zufriedenheit mit dem Gehalt und den Sozialleistungen eher niedrig. Der hohe Kollegenzusammenhalt spricht allerdings für eine intakte Arbeitsatmosphäre, wofür in der Regel die Führungsetage verantwortlich ist. Mobbing scheint bei Wagner System kein Thema zu sein.
Wenige Bewertungen reichen für Siegel
Andererseits muss grundsätzlich die Aussagekraft von kununu-Bewertungen differenziert betrachtet werden. Denn meist sind unzufriedene Mitarbeiter überproportional auf solchen Plattformen aktiv. Eine gängige menschliche Verhaltensweise. Negative Kritik wird oft lautstark geäußert, während die positiven Aspekte, die mitunter überwiegen, vergleichsweise selten kommuniziert werden. Ganz nach der schwäbischen Maxime: „Nix gsagt isch Lob genug.“ Wer kennt das nicht? Nicht zuletzt sind für den Score von Wald + Corbe lediglich 24 Mitarbeiter verantwortlich. Für das Top-Arbeitgeber-Siegel reichen, so die kununu-Regeln, sogar lediglich sieben Bewertungen seit Bestehen des jeweiligen Unternehmensprofils. Dies zeigt, dass ein Score nicht unbedingt eins zu eins die Realität widerspiegelt. Denn bei Wald + Corbe arbeiten eigenen Angaben zufolge immerhin 200 Mitarbeiter.
Positive Einstellung entscheidend
Studien zufolge schenken viele Wirtschaftsunternehmen im Allgemeinen kununu-Bewertungen keine größere Beachtung. Doch eins liefern diese ganz sicher: Hinweise, in welchen Bereichen es im Betrieb haken könnte. Die Arbeitgeber sollten das im Blick behalten und sorgfältig prüfen. Wenn 46 Prozent der bewertenden Arbeiter und Angestellten auf kununu mit dem Gehalt unzufrieden sind, wie bei Wagner System, wäre dies evtl. ein Ansatz, um nachzubessern. Denn wie praktisch jeder Employer-Branding-Experte weiß, ist das Gehalt nach wie vor mit der wichtigste Faktor für Mitarbeiterzufriedenheit. Und das Siegel „Arbeitgeber der Zukunft“ wird ja auch von Wissenschaftlern und nicht von Arbeitern in der Werkshalle vergeben.
Fazit: Kein Unternehmen der Welt macht – genauso wenig wie ein Mensch – alles von Anfang an richtig. Wer jedoch, wie hier Wagner System, den richtigen Grundansatz gefunden hat, schafft die Voraussetzungen für stetige Verbesserungen. Entscheidend ist, wie beim Individuum, eine positive Einstellung. „Der Weg ist das Ziel“, heißt es. Man muss also nur in Bewegung bleiben. Der Rest kommt von alleine. Und Bewerber wie Unternehmen sollten Arbeitgeber-Siegel nicht als alleinigen Maßstab betrachten.
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