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Das Illenau Bistro in Achern: Ein Konzept des wertschätzenden Miteinanders

Das Illenau Bistro in Achern
© Regina de Rossi
Einst hat man hier, im „grünen Gewölbe“ gekocht, Essen für Ärzte, Pflegepersonal und Patienten der ehemaligen Psychiatrischen Pflegeheilanstalt Illenau zubereitet. Heute ist das Illenau Bistro in Achern eine beliebte Einrichtung für feines Frühstück, frisch zubereiteten Mittagstisch und am Nachmittag Treffpunkt für eine nette Kaffeepause mit leckerem Kuchen. Im Team arbeiten Menschen mit Beeinträchtigung. Ein Konzept, das aufgegangen ist.

Von Regina de Rossi

Seit mehr als 10 Jahren ist das Illenau Arkaden Bistro in Betrieb und verwöhnt seine Besucher. Im Sommer findet man draußen ein schattiges Plätzchen unter dem offenen Arkadengang, oder trifft sich zu besonderen Veranstaltungen auf der grünen Wiese hinter dem Haus. Zum Beispiel vor einem Freiluft – Theaterabend des Illenau Theaters, zu einem Barbeque oder anderen kulturellen Veranstaltungen.

Viele Ehrenamtliche

Das Herzstück des Illenau Arkaden Bistros ist allerdings das Restaurant selbst. Bedient wird man hier, unter der fachkundigen Leitung von Christian Klüter, von Menschen mit Beeinträchtigungen. Ein Konzept, das sich mehr als bewährt hat: „Uns war von Anfang an klar, dass wir in dem geplanten Bistro mit Menschen mit Einschränkungen arbeiten wollen!“ so Jürgen Franck. Er ist einer der vielen Ehrenamtlichen, die der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt ein neues Gesicht verliehen haben.

Bis ins Jahr 1940 diente die Illenau als Heil- und Pflegeanstalt und als wahre Musteranstalt mit neuen, wertvollen Ansätzen in der Psychiatrie. Das Ende bereitete das Naziregime, das 260 von 674 Patientinnen und Patienten nach Grafeneck brachte, wo sie dem Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten zum Opfer fielen.

Dokument der Zeitgeschichte

Zum Ende des Krieges wurde das Haus vom Französischen Militär übernommen. In den 90er Jahren erwarb die Stadt Achern das Illenau Areal und es begannen umfangreiche Umgestaltungs – und Renovierungsarbeiten der ehemaligen psychiatrischen Heilanstalt. Das Illenau Forum wurde mit zahlreichen freiwilligen Helferinnen und Helfer gegründet. Sie setzten sich unter anderem auch für ein Museum ein, das heute seinen Platz gegenüber des Bistros gefunden hat und ein Dokument der Zeitgeschichte geworden ist.

Nicht jeder war damit einverstanden, Freund und Leid so nah aufeinander treffen zu lassen. Hier, im Museum, die beklemmenden Erinnerungen an grausame Zeiten, dort, im Bistro, ein Stück ungezwungenes Beisammensein mit kulinarischen Genüssen. „Genau hier aber wollten wir ansetzen, aufzeigen und dieses Pendent der „Freude am Leben“ schaffen“, so Jürgen Franck, der sich an einen sehr arbeitsintensiven Einsatz erinnert. Riesige Fenster wurden eingesetzt, die Sandsteinsäulen, mühsam von ihrem Betonmantel befreit und eine ganz besondere Deckenkonstruktion errichtet.

Menschen mit Beeinträchtigungen

Heute ist das Illenau Bistro eine nicht mehr wegzudenkenden Einrichtung und harmoniert behutsam mit der Geschichte der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt. Vier Männer und vier Frauen mit Beeinträchtigungen arbeiten heute unter der fürsorglichen Leitung von Christian Klüter. Als gelernter Koch suchte er damals eine neue Herausforderung und stieß auf die Stellenanfrage: „Für mich war das ein Glücksfall“, so der Betriebsleiter über sein jetziges Berufsfeld, das er als sinnvoll, wertschätzend und achtsam ansieht: „Wir betreiben hier ernsthafte Gastronomie. Wenn etwas daneben geht, gibt es keine Entschuldigung. Unsere Mitarbeiter mit Unterstützungsbedarf werden ernst genommen und gleichgestellt“.

Ein Konzept des wertschätzenden Miteinanders, das aufgegangen ist. Die Mitarbeiter, die sonst eintönige Arbeiten in Behindertenwerkstätten erledigen würden, fühlen sich hier wohl: „Hier haben sich Paare gefunden, wurde Ehen geschlossen, Führerscheine gemacht, Urlaubsreisen geplant, schlicht, die Selbstständigkeit und die Selbstfindung gefördert!“ so Christian Klüter und man spürt, wie sehr ihn diese Entwicklung ermutigt, genau so weiter zu machen.

Verantwortungsvolle Aufgaben

Einer derjenigen, die hier ihre berufliche Lebensaufgabe gefunden haben, ist Niclas Lorenz: „Ich war zuvor im Verkauf tätig, hab sogar eine Ausbildung gemacht, doch es hat mir einfach nicht mehr gefallen. Hier fühle ich mich wohl!“ Am liebsten sei er hinter der Theke und richte alles, was der Gast bestellt. Doch auch im Service findet er seinen Platz.

Sein Arbeitskollege Benny hat hier ein Praktikum gemacht und ist geblieben. Auch er fühlt sich wohl, wie er sagt und ist dankbar über verantwortungsvolle Aufgaben. „Man traut uns was zu und das stärkt uns!“ Und Bianca Bäuerle gehört, so die Crew lächelnd, zum Urgestein. Sie ist von Anfang an dabei und noch immer von einer freundlichen Gelassenheit, die ihres gleichen sucht.

Herausforderungen, so Christian Klüter, seien durchaus an der Tagesordnung. Wenn zur Mittagszeit fünfzig Gäste zu bewirten sind, kann es schon mal hektisch werden. „Da gilt es ruhig zu bleiben“. Und diese Ruhe vermittelt hier das Personal auf sehr angenehme Art und Weise. So gut, dass man als Gast spürt, hier kann ich mir etwas abschauen und daraus lernen!

Das Illenau Bistro hat folgende Öffnungszeiten:

Montag – Sonntag: 8:30 – 17:00Uhr

Frühstück: Montag – Sonntag: 8.30 – 11.00Uhr

Mittagstisch: Montag – Freitag: 11.30 – 14.30 Uhr

​Öffnungszeiten warme Küche:

Montag – Sonntag: 11.30 – 15.30 Uhr

Das Museum ist während dessen ebenfalls geöffnet.

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