Von Wolfgang Huber
Nachdem das Bundesverfassungsgericht im Januar die Rechtmäßigkeit einer kommunalen Verpackungssteuer im Grundsatz bestätigt hatte, spielten immer mehr Städte und Gemeinden mit dem Gedanken, eine solche einzuführen. Laut einer Umfrage der Deutschen Umwelthilfe, über die Spiegel Online berichtete, hätten 120 Städte Interesse an einem solchen Vorgehen bekundet.
Das Ziel ist Müllvermeidung und die Förderung von Mehrwegalternativen. Doch ob sich derartige Regelungen flächendeckend durchsetzen, ist aufgrund der neuesten Entwicklungen eher fraglich. Schon im Dezember gab es Gegenwind für eine geplante Initiative der Oberkircher Grünen im dortigen Gemeinderat von Seiten der FDP (wir berichteten). Vorbild nicht nur in Oberkirch war und ist das Tübinger Modell. Der von OB Boris Palmer regierten Stadt beschere die Verpackungssteuer Einnahmen von rund einer Million Euro pro Jahr. Das Müllaufkommen sei spürbar gesenkt worden, hieß es.
Ablehnung durch den Gemeinderat
Davon beflügelt stellten die Offenburger Grünen im Gemeinderat einen entsprechenden Antrag, der jedoch vergangene Woche prompt abgelehnt wurde. „Dem Beschlussvorschlag der Verwaltung, nach dem die Verpackungssteuer nicht weiterverfolgt werden sollte, haben 24 Mitglieder bei 11 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen zugestimmt“, teilt die Grünen-Fraktionsvorsitzende Maren Seifert auf Anfrage mit.
Etwa zeitgleich sprach sich auch die Freiburger Stadtverwaltung gegen eine kommunale Steuer auf Einwegverpackungen aus. Ist das eine Trendwende in der öffentlichen Debatte? „Das sind wegweisende Signale an die Betriebe vor Ort. Jetzt bleibt zu hoffen, dass die Mehrheit des Freiburger Gemeinderats der Stadtverwaltung und dem Offenburger Beispiel bei der bevorstehenden Abstimmung folgen wird“, wird Alwin Wagner, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Südlicher Oberrhein, in einer Pressemitteilung zitiert.
Preissteigerungen befürchtet
Die Argumente gegen die Verpackungssteuer aus Freiburg und Offenburg würden sich laut Wagner in den wesentlichen Punkten gleichen. Bemängelt werde ein hoher Verwaltungsaufwand, eine kostenintensive Umstellung von Buchhaltung und Kassensystemen sowie drohende Preissteigerungen für den Endkunden, während der Nutzen in Frage gestellt wird. Wohl bemerkt entgegen den Erfahrungen aus Tübingen, wo sich die Stadt und Boris Palmer als bundesweiter Vorreiter feiern lassen.
Doch der IHK-Funktionär sieht keine Belege für einen Nutzen. „Die aktuellen Meldungen aus Freiburg und Offenburg werten wir durchaus als Teilerfolge“, so Wagner. „Hoffentlich setzt sich auch in anderen Kommunen die Einsicht durch, dass die Verpackungssteuer mehr schadet als nützt.“ Die IHK Südlicher Oberrhein habe sich gemeinsam mit anderen Akteuren der regionalen Wirtschaft, wie der DEHOGA Freiburg sowie der Bäcker- und Fleischerinnung oder dem Bundesverband der Systemgastronomie, seit Wochen klar gegen die Verpackungssteuer positioniert.
Enttäuschung bei den Grünen
Die Grünen-Stadträtin Maren Seifert zeigt sich enttäuscht. Die Ratssitzung sei unbefriedigend verlaufen, sagt sie. Die Argumente der Stadtverwaltung, die von den Grünen mit der Ausarbeitung einer entsprechenden Sitzungsvorlage beauftragt wurde, teile sie nicht. Die hatte unter Hinweis auf die bürokratische Mehrbelastung der Gastronomiebetriebe, der fehlenden Einbeziehung der Drive-in-Schalter sowie der Rechtsunsicherheiten von einer Verpackungssteuer abgeraten. Der Rest ist bekannt.
Seifert lässt das nicht gelten: „Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass es sich bei einer Verpackungssteuer für Take-away-Essen um eine zulässige örtliche Verbrauchssteuer nach Artikel 105 Abs. 2a Satz 1 GG handelt.“ Der Senat habe ausschließlich entschieden, dass die Kommunen im Rahmen der Selbstverwaltung das Recht hätten, lokale Maßnahmen zur Reduktion von Verpackungsmüll zu ergreifen. Es sei ihrer Fraktion zudem nicht darum gegangen, das Tübinger Modell eins zu eins zu übernehmen. Es habe lediglich als Orientierung gedient.
Mögliche Einnahmen von 400.000 Euro
Auch der immer wieder erhobene Einwand der zu hohen Bürokratie trifft laut Seifert nicht zu: „Die Gastronomie selbst ist es gewohnt, Steuern zu erheben und auszuweisen. Bei der Erhebung der Umsatzsteuer funktioniert dies auch unproblematisch. Auch andere Satzungen wie die Hundesteuer werden aus gutem Grund erhoben.“ Nicht zuletzt hätte über den weiterreichenden Grünen-Antrag vor dem Beschlussvorschlag der Verwaltung abgestimmt werden müssen. Dieser habe unter anderem beinhaltet, die Drive-in-Schalter einzubeziehen. Insgesamt hätte die Verpackungssteuer laut der Stadtverwaltung selbst rund 400.000 Euro Mehreinnahmen eingebracht.
Für den Fraktionsvorsitzenden der Offenburger AfD, Taras Maygutiak, ist die Ablehnung des Grünen-Antrags hingegen ebenfalls nachvollziehbar: „Die Einzelhändler und Gastronomen brauchen nicht noch weitere Bürokratisierung. Zudem würde eine etwaige Umstellung auf Mehrweg-Besteck die Kosten ebenso wie eine Entrichtung einer solchen Steuer bei Einweg-Möglichkeiten nach oben treiben und schlussendlich die Verbraucher noch mehr belasten.“ Den Ausführungen von Finanzbürgermeister Kopp, der laut Maygutiak eindrücklich vor der komplizierten Staffelung der Ausnahmen mit unterschiedlichen Höhen einer solchen Besteuerung warnte, seien die anderen Fraktionen gefolgt. Maygutiak: „Er (Kopp) hatte sich die Satzung der Stadt Tübingen genauer angesehen und riet von einer solchen Steuer eindringlich ab.“
„Hohe Belastung für Wirtschaft“
Auf einen weiteren Aspekt weist IHK-Mann Alwin Wagner hin. So seien die Unternehmen seit 2025 verpflichtet, in einen Fonds einzuzahlen, um etwaige Maßnahmen der Kommunen im Bereich der Müllvermeidung zu finanzieren. Grundlage sei das Einwegkunststofffondsgesetz, das auf der EU-Einwegkunststoff-Richtlinie basiere und bereits eine erhebliche Belastung für die Unternehmen darstelle. „Die Wirtschaft steht momentan unter enormem Druck. Umso wichtiger sind solche Lichtblicke wie aus Freiburg und Offenburg“, sagt Wagner. In diesem Zusammenhang lobt der Stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer auch Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn, der sich jüngst öffentlich dafür stark gemacht habe, die Gewerbesteuer nicht zu erhöhen. „Solche Entscheidungen stärken den Standort.“
Die im Rahmen der Diskussion um die Verpackungssteuer genannte Förderung von Mehrwegalternativen könnte einem längst geltenden Gesetz zu neuer Bedeutung verhelfen, das bis jetzt so gut wie nirgends eingehalten wird. Die Rede ist von der im Januar 2023 eingeführten Mehrwegangebotspflicht, die aus der Feder der grünen Umweltministerin Steffi Lemke aus der Anfangszeit der Ampel-Regierung stammt. Diese verpflichtet zum Beispiel Restaurants, Bistros, Kantinen, Cateringanbieter, Cafés, aber auch Supermärkte, Tankstellen oder andere Lebensmittelgeschäfte, Einwegkunststoffverpackungen für Lebensmittel und Einweggetränkebecher von Speisen und Getränke unter anderem im To-Go-Bereich auch in einer Mehrwegverpackung anzubieten.
Neue Stoßrichtung?
Obwohl die Mehrwegangebotspflicht wegen ihrer Komplexität und aufgrund von Personalmangel kaum kontrolliert wird, hält Alwin Wagner eine Wiederbelebung der Bestimmung für möglich. Denn dass die Freiburger Stadtverwaltung um Oberbürgermeister Martin Horn anstelle einer höchst problematischen Verpackungssteuer eine „Mehrwegoffensive“ starten möchte, unterstütze die IHK: „Auch aus unserer Sicht bietet das bereits geltende Mehrwegangebotspflicht-Gesetz aus dem Jahr 2023 erhebliches Potenzial, wenn es durch gezielte Anreize und praxisnahe Unterstützung für Unternehmen und Verbraucherinnen und Verbraucher weiter gestärkt wird“, so Wagner.
Ob die Gastronomiebranche davon begeistert wäre, wenn sie sich plötzlich doch an dieses Gesetz halten müsste, ist nicht überliefert. Denn längst nicht alle Betriebe dürften vor zwei Jahren die vorgeschriebenen Mehrwegalternativen aus Kostengründen angeschafft haben. Vielmehr wurde das „Bürokratiemonster“ Mehrwegangebotspflicht von vielen ignoriert, erst Recht vom Verbraucher. Insofern darf man gespannt auf die Vorschläge der IHK warten, wie die praxisnahe Unterstützung im Einzelnen aussehen soll.
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