Von Wolfgang Huber
In die Debatte um die Krankenhausfinanzierung ist in jüngster Zeit etwas neuer Schwung gekommen. Grund ist der Beschluss des Kreistags im Landkreis Freudenstadt, mit dem die Kreisverwaltung aufgefordert wird, eine Klage gegen das Land juristisch zu prüfen. Inhaltlich geht es um die Finanzierung der Krankenhäuser, für die nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz eigentlich das Land zuständig ist.
Juristische Prüfung
Wie Sabine Matt, Leiterin der Stabstelle Kommunikation beim Landratsamt Freudenstadt auf Anfrage des Ortenau Journals bestätigt, gebe es diesen Beschluss des Kreistags mit der Aufforderung an die Kreisverwaltung im Oktober 2024, die Erfolgsaussichten einer Klage gegen Bund und Land wegen der strukturellen Unterfinanzierung der Krankenhäuser juristisch zu prüfen und Gespräche im Hinblick auf eine Musterklage zu führen. Matt: „Diese Prüfung dauert noch an und es werden noch Gespräche stattfinden. Sobald es hier ein Ergebnis gibt, werden wir berichten.“
Die finanzielle Situation im Ortenaukreis hat sich seit dem Beschluss für die Agenda 2030 mit geplanten Klinikneubauten in Offenburg, Lahr und Achern und aufgrund des 33-Millionen-Defizits des Klinikums Ortenau deutlich verschärft. Der Kreistag hatte in Folge dessen und auf Empfehlung von Landrat Thorsten Erny eine Erhöhung der Kreisumlage um 4 Punkte beschlossen (wir berichteten). Dies wiederum belastet die Städte und Gemeinden im Kreis zusätzlich, wo bereits aufgrund der wirtschaftlich schlechten Gesamtlage schon die Gewerbesteuereinnahmen vielerorts eingebrochen sind und die Gelder für die öffentlichen Aufgaben deutlich knapper werden.
Signalwirkung für die Ortenau
Dadurch hätte eine etwaige Klage des Kreis Freudenstadt gegen das Land womöglich auch eine Signalwirkung für den Ortenaukreis. Bereits im September 2024 war die Fraktion der Liste Lebenswerte Ortenau (LiLO) im Kreistag mit einem Antrag gescheitert, der unter anderem juristische Schritte gegen das Land zur Übernahme der vollen Investitionskosten für die Klinikneubauten vorsah. Der Antragstext lautete damals laut LiLO-Kreissprecher Yannick Hinzmann: „Der Kreistag leitet juristische Schritte ein, um die vollen Investitionskosten durch das Land für das Ortenau Klinikum einzuklagen. Dabei beruft sich der Kreis vor allem auf §1, §2, §4 & §9 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes.“
Für Hinzmann ist klar, dass diese Paragraphen in gemeinsamer Verbindung klar regeln, dass das Land für die Investitionskosten zuständig ist und zitiert §9: „(1) Die Länder fördern auf Antrag des Krankenhausträgers Investitionskosten, die entstehen insbesondere 1. für die Errichtung von Krankenhäusern einschließlich der Erstausstattung mit den für den Krankenhausbetrieb notwendigen Anlagegütern.“ Kürzlich hat die LiLO ihre Position einer Klage gemeinsam mit Landkreisen wie Freudenstadt gegen das Land und die Forderung nach einem Baustopp für die Neubauten in Offenburg und Lahr bekräftigt. „Die Bauzinsen einfach zu verschieben, ist keine echte Lösung. Das ist Augenwischerei. Wir brauchen endlich eine ehrliche Debatte über die Finanzierung unserer Kliniken und keine weiteren unnötigen Schuldenberge für den Kreis“, wird Fraktionssprecherin Julia Roth-Hermann auf der LiLO-Website zitiert. Sie beziehe sich dabei auf den Beschluss des Kreistags vom 4. Januar 2025.
LiLO findet kein Gehör
Die LiLO-Fraktion sieht sich durch die Situation in Freudenstadt zwar bestätigt und etwas im Aufwind. Aber Yannick Hinzmann konstatiert, dass auch mehrmalige Hinweise darauf im Ortenauer Kreistag keine Gehör fanden: „Von der Gesetzeslage her unterscheiden sich die Ortenau und der Kreis Freudenstadt nicht. Wir haben auch bereits im Kreistag, in Pressemitteilungen und Online Beiträgen mehrfach darauf hingewiesen, dass Freudenstadt hier einen mutigen Weg geht und man sich ihnen anschließen sollte.“
Ein Dämpfer für diese Sichtweise der LiLO kommt vom Ortenaukreis. Dessen Sprecher Florian Würth verweist auf den Unterschied zwischen Bau und Investition und ambulanten Bestandteilen bei Krankenhausneubauten hin: „Die Finanzierung der Kliniken ist zweigeteilt: Für die laufenden Betriebskosten ist der Bund verantwortlich. Die Unterfinanzierung im laufenden Betrieb ist also keine Landesaufgabe. Das Land ist nur für den Bau und Investitionen verantwortlich. Hier wird nur das „Förderfähige“ übernommen. Wenn man die förderfähigen Kosten nimmt, so zahlt das Land derzeit 100 Prozent. Leider werden viele Themen wie die Ambulantisierung als nicht förderfähig eingestuft. Für ambulante Bestandteile gibt es keine Förderung. Demnach wäre eine Klage hier erfolglos.
„Unterschiedliche Situation“
Auch Sabine Matt vom Landratsamt Freudenstadt sieht unterschiedliche Voraussetzungen für eine Klage: „Der Landkreis Freudenstadt hat eine Klinik, die in der Rechtsform einer gGmbH geführt wird. Das Klinikum Freudenstadt ist ein Haus der Grund- und Regelversorgung für den Landkreis Freudenstadt mit 380 Betten, verteilt auf zwei Standorte in Freudenstadt und Horb, wobei sich in Horb nur noch die Geriatrische Rehabilitation befindet. Im Dezember 2023 wurde der Teilneubau der Klinik in Freudenstadt bezogen. Aufgrund der Schwarzwald-Topografie befindet sich unser Haus in einer „Insellage“, wie wir immer sagen, da andere akutstationäre Krankenhäuser in einer recht großen Entfernung liegen.“ Insofern unterscheidet sich laut Matt die dortige Situation sehr von der Lage in der Ortenau.
Für LiLO-Sprecher Hinzmann sei die Klagebefugnis entscheidend dafür, ob eine Klage Erfolg hat oder nicht. „Wenn ein Kreis als Organ keine Klagebefugnis hätte, dann hätte sie niemand und das Gesetz wäre unnötig. Deshalb gehen wir davon aus, dass diese dieses Mal gegeben ist. Wir sind natürlich überzeugt, dass dann die Klage auch Erfolg hat.“ Freudenstadt sei nach dem Kenntnisstand aktuell der einzige Kreis, der eine solche Klage anstrebe bzw. durchführe, sagt Hinzmann.
Fehlender finanzieller Spielraum
Neue Forderungen würden daraus nicht abgeleitet. Allerdings sei bei diesem „Riesen Defizit“, welches der Kreis hat, dringender Handlungsbedarf geboten. Hinzmann: „Und da liegt es für uns nahe, hier eben die Gelder für die Kliniken einzutreiben. Denn vor allem durch diese, sind wir in eine enorme Schieflage geraten. Das haben wir aber bereits 2017 angekündigt. Nun fehlt das Geld für Nahverkehr, Schulsanierung und andere wichtige Dinge.“ Schließlich sei auch nirgends die Rede davon, dass der Kreis ein Krankenhaus bezahlen müsse. Im Gesetz sei auch genau geregelt, was ein Krankenhaus ist. Und bei Krankenhausneubauten habe das Land diese zu bezahlen.
Damit bleiben die unterschiedlichen Rechtsauffassungen von LiLO und Ortenaukreis im Raum stehen. In der Kreistagssitzung vom 24. September 2024 sei dies aus Sicht von Florian Würth eindeutig festgehalten worden und zitiert aus dem Kreistagsprotokoll: „Künftig würde in den öffentlichen Haushalten weniger Geld zur Verfügung stehen, sodass weniger Neubauten genehmigt werden könnten. Das Land Baden-Württemberg fördere bei den Klinikneubauten die förderfähigen Kosten. Laut Gesetz werde die stationäre Versorgung, aber nicht die ambulante Versorgung, gefördert.“ Durch die Ambulantisierung bei den Klinikplanungen in der Ortenau sei klar, das nicht die gesamten Kosten förderfähig seien: „Aufgrund dessen wäre eine Klage gegen das Land Baden-Württemberg vermutlich nicht erfolgreich.“
Zusammenarbeit zwischen den Landkreisen
Ob durch die jüngsten Entwicklungen im Nachbarlandkreis das Thema noch einmal auf die Tagesordnung im Kreistag in Offenburg kommt, bleibt abzuwarten. Vielleicht stellt die LiLO-Fraktion erneut einen Antrag, wenn bei der juristischen Prüfung in Freudenstadt eine gewisse Erfolgsaussicht für eine Klage herauskommt.
Eventuell lässt sich aber auch im Vorfeld schon prüfen, ob der Kreistag bei seiner Auslegung von den richtigen Grundannahmen ausging, als der LiLO-Antrag bei nur drei Ja-Stimmen abgelehnt wurde. Oder ob die LiLO sich da in etwas verrannt hat. Florian Würth verweist auf die bereits erfolgten Schritte, die in Zusammenarbeit mit anderen Landkreisen unternommen wurden: „Grundsätzlich verfolgen wir immer eng, was die Nachbarn machen. Bspw. haben wir uns gemeinsam mit den anderen Landkreisen in einer Petition am 7. November 2024 gegen das geplante Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz an das Land gewendet.“
Bild: Visualisierung des Klinikneubaus in Lahr durch die GMP International GmbH
Siehe auch:
Agenda 2030: LiLO fordert Baustopp für Klinikneubau Offenburg
Philipp Saar (CDU): „Es fehlt die nachhaltige Krankenhausfinanzierung durch den Bund“
Paukenschlag: Oberkirchs OB Bühler will Agenda 2030 auf den Prüfstand stellen
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