Von Rainer Braxmaier
Der Bildenden Kunst begegnet man normalerweise im Museum; man hat ein Ziel, und das ist die Begegnung mit Kunstwerken. Es gibt aber auch – häufiger, als wir annehmen– den umgekehrten Weg: Werke im öffentlichen Raum, die sich dem Betrachter buchstäblich in den Weg stellen und seine Aufmerksamkeit fordern. Diesem Phänomen ist meine Glosse für den Monat Mai gewidmet. Denn solche Werke trifft man bevorzugt im Freien an. Sonne und Licht sind dabei wichtige Genussvoraussetzungen. Und die Ortenau, sowie angrenzende Regionen bieten mehr Gelegenheiten für Kunstausflüge an der frischen Luft, als man zunächst annehmen würde.
Plastik zur Wiedervereinigung
Am Anfang aber steht die ehrliche Erkenntnis, dass Kunstwerke, die sich uns ungefragt in den Blick stellen, gerne übersehen werden. Fast tägliches Beispiel, die Tagesschau im Deutschen Fernsehen: Sie zeigt oft das Berliner Regierungsviertel und dort sehr prominent eine überlebensgroße abstrakte Plastik mit ineinander verschränkten Bändern. Da darüber oft nicht sehr angenehme politische Nachrichten gesprochen werden, „übersehen“ wir geradezu, dass diese Plastik des weltberühmten spanischen Bildhauers Eduardo Chillida extra zur deutschen Einheit geschaffen wurde.
Chillida hatte 1991 eine große Ausstellung in Berlin und war vom Aufbruchsgeist des wiedervereinigten Landes so beeindruckt, dass er eine Serie von Zeichnungen ineinander verschlungener Hände so weiterentwickelte, bis 1999 schließlich diese Plastik vor dem Bundeskanzleramt aufgestellt werden konnte. Chillida (1924 – 2001) war allerdings bereits so krank, dass er sich bei der feierlichen Einweihung mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder durch seine Frau vertreten lassen musste.
Wissen um Symbolgehalt
Seither stellt sich diese Plastik aus Cortenstahl immer wieder, wenn es Nachrichten aus dem Regierungsviertel gibt, in unseren Blick – und die wenigsten wissen um ihren Symbolgehalt. Drehen wir den Spieß wieder um und nähern uns ganz bewusst Skulpturenparks in der direkten Umgebung. Die gibt es in Zell am Harmersbach, am Mummelsee, in Baden-Baden oder Reichenbach im Murgtal bei Gernsbach. Dazu kommen auch Beispiele für Malerei, die im Freien präsentiert werden.
„Zeller Kunstwege“ neu bestückt
In Zell am Harmersbach gibt es seit einigen Jahren die „Zeller Kunstwege“ im Herzen des Städtchens, direkt neben dem letzten von einst fünf Rundöfen der Zeller Keramik. Dort finden im Übrigen regelmäßig Kunstausstellungen statt, die nächste vom 23. Mai bis 22. Juni mit der Landschaftsmalerin Marianne Hopf. Seit März sind die Zeller Kunstwege um sieben neue Werke bereichert worden von Rüdiger Seidt (Forbach), Christoph Traub (Schorndorf), Germain Roesz (Straßburg), CW Loth (Freiburg), Dietrich Schön (Freiburg), Walter Haaf (Zell a. H.) und Michael Steigerwald (Steinach), entlang der alten Mauern der ehemaligen Oberen Fabrik. Nicht nur, dass einige der Künstler weit über die Region hinaus bekannt sind, sie haben auch Werke von monumentaler Größe zur Verfügung gestellt, die ihren Wirkungsraum im Freien geradezu benötigen. Ein eigens gegründeter Förderverein trägt dieses Engagement – und im gleichen Park steht auch das Museum der Villa Haiss.
Geheimnisse am Mummelsee
Dass der Mummelsee an der Schwarzwaldhochstraße seit Jahrzehnten ein beliebtes Ausflugsziel ist, liegt sicher nicht an dem Geist, der in den Untiefen des Gewässers vermutet wird, sondern an der einmalig schönen landschaftlichen Lage und dem geschickten touristischen Management. Entlang des Uferwegs gibt es aber auch seit vielen Jahren ein Kunstpfad mit einigen außergewöhnlichen Beiträgen, etwa dem „Tiger des Herrn von Grimmelshausen“ von Ilse Teipelke aus Kehl oder dem „Waldengel“ von Josef Bücheler, dessen riesiger Flügel in einem Baum hängt. Der Pfad wurde zur Jahrtausendwende begonnen und wuchs bis 2010 auf 18 Exponate, darunter auch eine Landschaftsmalerei von Gabi Streile oder die „Kreuzschichtung“ von Armin Göhringer. Insgesamt waren Künstler aus vier Nationen an dem Projekt beteiligt, das aber keine Erweiterung mehr fand.
Das Krokodil am Florentinerberg
In Baden-Baden wurde vor wenigen Wochen die dritte Ausgabe der Bildhaueraktion Scultura eröffnet. Die Exponate sind im Herzen der Kurstadt rund um das Alte Dampfbad am berühmten Florentinerberg installiert, aus dem die heißen Thermalquellen sprudeln. Unter den Künstlern finden sich einige Bekannte, die auch an den anderen Kunstpfaden vertreten sind, aber auch „Hingucker“ wie das Krokodil von Daniel Wagenblast. Entstanden ist die Reihe „Scultura“ zur Pandemiezeit als Alternative zu Ausstellungen in geschlossenen Räumen.
Leider kam es vor allem bei der zweiten Auflage zu mehrfachen mutwilligen Beschädigungen, so dass die veranstaltenden Gesellschaft der Freunde junger Kunst, die im Alten Dampfbad residiert, in diesem Jahr nur noch Metallobjekte, die schwerer angreifbar sind, zugelassen hat. Die „Sculptura 2025“ dauert bis zum 5. Oktober. Im Dampfbad selbst ist bis zum 18. Mai eine Schau des Bildhauers Otmar Hörl zu sehen, der mit seinen seriellen Massenfiguren (zum Beispiel hunderte Berliner Bären an der Straße Unter den Linden) internationales Aufsehen erregte. Er war schon bei der zweiten Scultura vertreten. Und er arbeitet gerade an einer Installation für den neuen Ehrenbürger der Stadt, Pierre Boulez. Nach dem Komponisten, der in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre und davon mehr als 50 in der Kurstadt lebte, ist gerade der Platz vor dem Baden-Badener Festspielhaus benannt worden.
Werke von 40 Künstlern
Schließlich im Murgtal der „Kunstweg am Reichenbach“, der seit gut zwanzig Jahren, damals von dem Forbacher Bildhauer Rüdiger Seidt gegründet wurde und seither immer wieder gepflegt und erneuert wird. Der 3,2 Kilometer weite Weg bei Gernsbach vereinigt inzwischen Werke von etwa 40 Künstlern, die sich zum Teil auch direkt mit der landschaftlichen Umgebung auseinandergesetzt haben. Manche Monumente, wie das stählerne Haus von Werner Pokorny auf einem Felsen sind inzwischen so mit ihrer Umgebung verschmolzen, dass sie Teil der Landschaft geworden sind. In regelmäßigen Abständen finden geführte Wanderungen am Reichenbach statt, meist geleitet von der Karlsruher Galeristin Rita Burster, die inzwischen dort die Regie übernommen hat.
Fazit: sich an der frischen Luft bewegen und sowohl Natur- als auch Kunstphänomene zu entdecken – was gäbe es Schöneres in der warmen Jahreszeit…
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