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Show im Festspielhaus

Was für eine Show!! BERLIN BERLIN – das Musical begeisterte in Baden-Baden

Musical-Szene aus "Berlin Berlin"
© Jens Hauer
BERLIN BERLIN – die große Show der goldenen 20er Jahre verschaffte dem Festspielhaus am Wochenende ein ausverkauftes Haus. Selbst der Orchestergraben war bestuhlt, so sehr lockte die Revue das bunt gemischtes Publikum an. Die Bühne in Baden-Baden sprühte an diesem Wochenende vor Lebenslust und Lebensfreude, ausgehend von einem Ensemble, das dem Berlin der 20er Jahre huldigte. Unsere Kulturautorin Regina de Rossi war beeindruckt von der Show.

Von Regina de Rossi

Nur wenige trauten sich im Outfit der entsprechenden Zeit zu kommen, um sich solidarisch mit den Darstellerinnen und Darsteller zu zeigen. Dafür sorgten das Bühnenbild und die Musicalstars im Festspielhaus Baden-Baden für eine Rückführung in diese ganz bestimmt Zeit. Sie ließen eine Zeit erwachen, die sich exemplarisch wie Phönix aus der Asche zu befreien versuchte, um erlittenes Leid und Verluste der Kriegsjahre zu vergessen.

Die „Goldenen 20er Jahre“, exzessiv, provokant und Grenzen sprengend. Mut und Power einer Generation, die es einfach satt hat. Satt, sich gängeln zu lassen, satt, sich Vergnügungen nicht hingeben zu dürfen, ihre Sexualität, vor allem die gleichgeschlechtliche, nicht ausleben zu dürfen, ja, deren Lebensfreude einfach im Keim erstickt wurde.

Leidenschaftliche Lebenslust

„Es ist ein Mosaik aus Glanz und Schatten, aus überschäumender Ekstase und purer Lebenslust, eine hemmungslose Feier der Kreativität und Freiheit, in der sich im Schutz der Nacht die Grenzen zwischen den Gesellschaftsschichten auflösen!“ so Christoph Biermeier, Book und Direction und Martin Flohr, Conception und Executive Producer. Diese entfachte Wut, verpackt in Musik, Tanz, Alkohol und andere Drogen, dieses Hinwegsetzen über erzwungene Moral und das entfachte Feuer der leidenschaftlichen Lebenslust – dies darzustellen gelingt dem Musical BERLIN BERLIN fantastisch.

Das Bühnenbild zeigt die wieder erwachte Stadt abwechselnd mit dem legendären Admiralspalast in der Friedrichstraße, dem Sündentempel, in dem sich das Nachtleben seinen eigenen Platz behauptet. Ein großer Halbkreis funkelnder Lichter setzt diesen Hintergrund in Szene, wechselnd mit einem typischen Wandbild im Stil des Art déco und Kunstwerke bekannter Persönlichkeiten wie etwa Bert Brecht. Was wären die 20er Jahre ohne seine schnörkellosen Lieder aus der Dreigroschenoper?

Unvergleichlicher Wiedererkennungswert

Vor der Bühnenleinwand ein langes Podest, auf dem getanzt wird, gesungen, bevor man links und rechts auf zwei großen, mobilen Treppen hinab auf die eigentliche Szenerie geführt wird, dem Tanzboden. Ein in sich stimmiges Bild, luxuriös, glamourös, feudal. Im Hintergrund das Orchester. Kongenial schaffen es die Musiker, die Zeit zurück zu holen. Jazz und Swing, Blues und Ragtime, laut, rebellisch und mit diesem  unvergleichlichen Wiedererkennungswert dieser besonderen Zeit.

Natürlich sind die Kostüme angepasst an den legendären Stil des Art déco der 20er Jahre. Eine Augenweide sind die über und über funkelnden, tief taillierten Hängekleidchen der Damen, mit langen Ketten um den schlanken Hals, den die typische Kurshaarfrisur frei lässt. Die Haare, groß gelockt und glatt gekämmt, werden von Haarreifen gehalten, mittig in die Stirn gezogen und mit nicht weniger funkelnden Details geschmückt.

Politisch instabile Zeiten

Hier sitzen die nun an den kleinen Bistrotischen, in der einen Hand der langstielige Zigarettenhalter, in der anderen das Glas Champagner. Die Männer, wenn nicht in breitschultrigen Anzügen mit doppelter Knopfleiste und Fliege, dann doch in flotten Stoffhosen, die von breiten Hosenträgern über dem weißen Hemd getragen werden.

Und in dieser Szenerie spielt sich das wilde Nachtleben des Berlins der 20er Jahre ab. Statt Walzer gibt es Charlston und Lindy Hopp. Das Orchester spielt Jazz und Swing und die Bühne wird zu einem obsessiven Ort der Aufbrechenden, der Aufbegehrenden und der der Nachkriegszeit Trotzenden. Großartige Choreografien, brillante Singstimmen und ein souverän durch den Abend führender „Admiral“, bestimmen das Geschehen auf der Bühne. Man wird mitgerissen, auch mit der Geschichte, der politischen Stimmung dieser Zeit, die keineswegs stabil war. Arbeitslosigkeit und Inflation machten unzufrieden und spielten den Nationalsozialisten den Ball zu.

Wärmender Mantel

Und diese muckten auf als niemand anderes als die berühmte Josefine Baker (grandios Dominique Jackson) auftrat, kaum bekleidet, frech, temperamentvoll, mit toller Stimme. Marlene Dietrich (Lena Müller) durfte in dieser 20er Jahre Revue ebenso wenig fehlen, wie die Femme fatale Anita Berger (Jil Clesse & Sophia Euskirchen) und natürlich die Comedian Harmonists. Und so gab es nicht nur die akrobatisch angehauchten Showtänze, sondern Lieder, die man nur zu gerne in diese Zeit hineinpackt wie „Ein Freund, ein guter Freund..“ oder „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ und schließlich, all umfassend, das Lied von Claire Waldorff, das den Berlinern nicht nur zu dieser Zeit aus dem Herzen spricht und dieses gelungene Musical wie ein wärmender Mantel umhüllt:

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„Es gibt nur ein Berlin

Und das ist mein Berlin

Hält uns auch keiner für normal

Das ist uns alles ganz egal

 

Solang´ die Welt sich dreht

Solang´ die Zeit vergeht

Solang´ die Bäume im Frühling erblühen

Gibt es nur ein Berlin

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