Kunstausstellung

Yoshitomo Nara im Frieder Burda Museum: „STOPPT DIE BOMBEN!“

Ausstellung von Yoshitomo Nara
© Regina de Rossi
Yoshitomo Nara – seit Wochen kündigt ein großes Plakat auf der Zufahrt nach Baden-Baden sein Kommen an. Gezeigt wird eine kindlich naive Figur auf pastellfarbenem Hintergrund. Die Augen groß, weit auseinander liegend, der Mund trotzig verschlossen. Die Aussage weckt Nähe und Interesse. Was verbirgt sich hinter dieser Figur? Wer ist der Künstler und was hat er mitzuteilen? Regina de Rossi ist dem Geheimnis für das Ortenau Journal auf den Grund gegangen.

Von Regina de Rossi

In gespannter Erwartung und mit Hoffnung auf Antworten ging man zur Eröffnung der Ausstellung ins Frieder Burda Museum in Baden-Baden, der der Künstler Yoshitomo Nara persönlich beiwohnte. Leider nicht lange, denn dieser Maler, 1959 in Japan geboren, scheut die Öffentlichkeit, beantwortet Fragen eher ungern und lässt Sätze fallen wie: „Fragt mich nicht nach meinen Bildern. Schaut sie euch an. Sie sagen alles.“

Japans Rolle im zweiten Weltkrieg

Und so ist es. Fühlt man sich noch beim ersten Blick an den berühmten Kawaii-Stil, japanisch für „niedlich“, an die bunte Welt der Mangas erinnert, so setzt Yoshitomo Nara diesem Prinzip freche, aufmüpfige Protagonisten entgegen. Figuren, die seinem tiefsten Inneren entspringen und für die pazifistische, sozialkritische und weltoffene Haltung des Künstlers stehen. Nara verarbeitet in seinen Bilder nicht nur seine von großer Einsamkeit geprägte Kindheit, sondern setzt sich auch künstlerisch mit Japans historischer Rolle während des zweiten Weltkriegs auseinander.

„Irgendwo auf der Welt explodiert gerade eine Bombe, sogar jetzt, in diesem Moment. Gerade in dem Moment muss aber auch neues Leben in der Welt entstehen. STOPPT DIE BOMBEN ! Das fühle ich zutiefst in meinem Herzen!“ (Yoshitomo Nara).

Mut zur Auflehnung

Wut, Zorn und Verzweiflung spiegeln seine Figuren ebenso wider wie Trotz und der Mut zur Auflehnung. So haben seine „Angry Girls“ zwar das zarte Gesicht und den zierlichen Körper eines jungen Mädchens, doch bestückt sind sie nicht selten mit einer Kippe im Mundwinkel, einem Messer oder einer Säge in der Hand, aufmüpfig und rotzfrech. Erst jenseits der 90er Jahre ließ er seine Mädchen weicher werden, doch nicht weniger aussagekräftig.

Ergreifend bleibt man vor einem großformatigen Mädchengesicht stehen. „Midnight Tears“ – bunt gesprenkelte Augen, die an ein durcheinandergewürfeltes Kaleidoskop erinnern, liegen in einem glasklaren Tränensee. Der Mund ist fest verschlossen, das Gesicht in zartem Pastell werden von Haaren in weichen Brauntönen umrahmt. Mystisch schön. Traurig verklärt.

Interesse an der Menschheit

Yoshimoto Nara habe nicht nur ein tiefes Interesse an der Menschheit, heißt es. Sein Werk integriere auch Themen wie Heimat, Gemeinschaft, Natur und Zusammengehörigkeit. Und man findet sein Leben, seine Kindheit, seine Einsamkeit und Verlorenheit in den Studienjahren in Deutschland wieder: „Meine Eltern waren berufstätig, kamen erst am späten Abend nach Hause, meine Brüder weit älter als ich, deshalb war ich sehr viel allein zu Hause“, sagt Nara.

Seine Einsamkeit vertrieb er mit Musik, baute sich selbst sein eigenes Radio und bekam Zugang zu den Songs der Protest- und Friedensbewegungen, des Folk und Blues der 50er und 60er Jahre. Und mit diesen Liedern begann er zu malen. Bis heute. Gut mag man sich den Jungen vorstellen, alleine mit sich und seiner jungen Welt: „Ich fühlte mich total frei – aber auch verlassen!“ Und so ist das Haus eines seiner wiederkehrenden Symbole.

Das Trauma von Fukushima

Für Nara bedeutet es Heimat und so präsentiert der Künstler im Frieder Burda Museum die nachgebaute Malhütte seiner Kindheit. Unzähliger Krimskrams hängt an Außen- und Innenwänden. Auf dem Boden seine zahlreichen Skizzen. Dazu dröhnt Musik aus dem Lautsprecher. Seine Musik, seine Inspiration. Nara hat seinen Weg gefunden, Gefühle zu verarbeiten, Verletzungen zu heilen, auch das Trauma von Fukushima zu verarbeiten. Und er sagt: „Es geht nicht darum, jetzt Dinge zu genießen, sondern sich an Vergangenes zu erinnern und daran, was wirklich wichtig war früher.“

Eine großartige, sehenswerte Ausstellung, die in enger Abstimmung mit dem Künstler selbst und in Kooperation mit dem Guggenheim Museum Bilbao, dem Museum Frieder Burda, Baden-Baden und der Hayward Gallery, London, entstand.

Die Ausstellung ist dienstags bis sonntags, immer von 10 bis 18 Uhr geöffnet, auch an allen Feiertagen. Nur am 24. und 31. Dezember geschlossen!

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