Von Wolfgang Huber
Seit es die AfD gibt, wird in Medienkreisen darüber gerätselt, was der richtige Umgang der Medien mit der Partei sei, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird. Darüber gehen die Meinungen auseinander. Die einen sagen, man dürfe der Partei keinen Raum zur Verbreitung ihrer Thesen geben und auf keinen Fall Interviews mit ihnen führen. Was denn dann? Sollen Journalisten die AfD einfach ignorieren? Wir denken nicht, dass man rund 20 Prozent der Wahlbevölkerung einfach übergehen kann und sie damit ebenfalls ignoriert. Der Vertrauensverlust in die Medien würde eher steigen.
Es würde die Partei laut dem Historiker Andreas Rödder nur stärken, sie zu ignorieren – und je höher die Brandmauer, desto besser die Umfragen und Wahlergebnisse der Rechtsaußenpartei. Auch der grün dominierte „Kampf gegen rechts“ führe in die Irre, so Rödder gegenüber „Welt“.
Sachlicher Umgang
Medienkonsumenten sind mündig und können selbst entscheiden, wie sie den Aussagen von AfD-Politikern gegenüberstehen. Die AfD ist längst fester Bestandteil des Parteienspektrums, und es ist nicht Aufgabe von Journalisten, irgendwelche Parteien zu bevorzugen und andere zu bekämpfen. Vielmehr sollte, so auch der Tenor in Medien- und Expertenkreisen, ein sachlicher Umgang mit ihren Vertretern gepflegt werden. Man kann AfD-Politikern sachorientierte Fragen stellen und die Antworten, sofern sie ebenfalls sachlich vorgetragen werden, dokumentieren.
Ohnehin erreicht die AfD über die Sozialen Medien viele Menschen, und zwar doppelt so viele, wie alle anderen Parteien zusammen. Ein ähnliches Bild ergibt sich auf YouTube und Facebook. Ein Ignorieren der Partei in klassischen Medien würde eher schaden. Jeder sollte hin und wieder seine Meinungs-Blase verlassen und sich mit Argumenten von Andersdenkenden auseinander setzen. Das damit die AfD „normalisiert“ werde, sehe ich nicht. Denn es gibt einen Unterschied: Bei den zahlreichen Interviews mit den Kandidaten der anderen Parteien, gab es keine einordnende Anmoderation wie diese.
Kritische Grundhaltung
Wir vom Ortenau Journal wollen authentisch und ausgewogen berichten. Das beinhaltet auch Beiträge über die AfD, sofern die Aussagen in einem sachlichen Ton getätigt werden. So war es auch in diesem Fall mit dem Bundestagskandidaten der AfD im Wahlkreis Offenburg. Jeder kann sich selbst ein Bild machen. Meine Aufgabe sehe ich dabei nicht, ihm ständig reinzugrätschen und eines Besseren zu belehren. Einfach auch mal Zuhören, um Beweggründe für diese oder jene Einstellung herauszufiltern. Eine kritische Grundhaltung ergibt sich schon durch die Fragestellungen. Ich werde sicher auch dazulernen, was die handwerkliche Herangehensweise angeht. Bis zur Bundestagswahl am 23. Februar gibt es sicher auch wieder Gelegenheit, mit den anderen Kandidaten zu sprechen.
Hier nun das Interview mit Taras Maygutiak, AfD-Bundestagskandidat für den Wahlkreis Offenburg:
Ortenau Journal: Die CDU hat zum ersten Mal mit Hilfe der AfD einen Antrag im Bundestag durchgebracht. Glauben sie, Friedrich Merz würde bei entsprechender Konstellation nach der Bundestagswahl bezüglich einer Zusammenarbeit auf die AfD zukommen?
Taras Maygutiak: Nein, das glaube ich eher nicht. Es war ja auch kein wirklicher Antrag der CDU, sondern eher Wahlkampfgetöse. Den hätte man auch wieder im Bundesrat kassieren können. Die sind halt gerade in einer Zwickmühle. Wenn mit der CDU irgendeine Zusammenarbeit zustande käme, dann würde das in die Richtung wie in Österreich laufen. Dann würden in der CDU auch einige Köpfe rollen. Das müssten andere Leute in der CDU machen. Ich glaube schon, dass es die gibt.
Ortenau Journal: Denken sie, dass Grenzkontrollen angesichts des Personalmangels bei der Bundespolizei wie von ihnen gewollt durchführbar sind?
Taras Maygutiak: Während er Corona-Zeit waren Grenzkontrollen plötzlich wunderbar durchführbar. Es erschließt sich mir nicht, warum das immer genau dann nicht möglich sein soll, wenn es um Migration geht.
Ortenau Journal: Die Unternehmen brauchen dringend Arbeitskräfte aus dem Ausland, weil in den kommenden Jahren Millionen Arbeitnehmer, die sogenannten Babyboomer, in Rente gehen. Alleine im Pflegebereich fehlen zehntausende Fachkräfte, jetzt schon. Wollen sie auch die Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften verhindern?
Taras Maygutiak: Nein, die qualifizierten Fachkräfte sind ja nicht das Problem. Wir haben längst nicht in allen Bereichen einen Fachkräftemangel. Das Gegenteil ist der Fall. Es wandern sehr viele Fachkräfte ab. Schauen Sie doch mal, wie viele Ärzte und Pflegekräfte von hier nach Schweden, in die Schweiz oder nach Norwegen abhauen. Auch wegen den schlechten Arbeitsbedingungen und der miesen Bezahlung. Und gegen qualifizierte Zuwanderung haben wir ja nie etwas gesagt. Es wird immer alles miteinander vermischt. Die, die wirklich Probleme machen, was in jeder Statistik und Schlagzeile nachlesbar ist, das sind ja nicht unsere qualifizierten Fachkräfte.
Ortenau Journal: Etwa die Hälfte der seit 2015 eingereisten Flüchtlinge geht einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach oder macht eine Ausbildung. Akzeptieren sie Ausländer, die gut integriert sind und Steuern zahlen?
Taras Maygutiak: Da ist ja viel subventioniert, das habe ich selbst im Arbeitsleben mitbekommen. Da haben Unternehmen viel Geld dafür gekriegt. Und ich muss ganz ehrlich sagen, ich kenne vereinzelt positive Beispiele, die sind noch nie dem deutschen Staat zur Last gefallen. Kurzes Beispiel: Mir ist ein Syrer bekannt, der mir genau erklärt hat, wie er hierher kam und wie das bei vielen gelaufen ist. Da haben sich viele Zuwanderer in Bulgarien italienische Reisepässe gekauft und kamen dann illegal hierher. Die Pressesprecherin des weißen Hauses hat es kürzlich ganz gut formuliert: Die haben schon eine Straftat begangen, weil sie illegal hier sind. Wir haben ein allgemeines Problem, das ist die Masse. Wir können nicht unbegrenzt Leute aufnehmen. Das geht nicht. Kein Land auf der Erde macht das, außer uns. Bis vor kurzem noch die USA, aber die reagieren jetzt.
Ortenau Journal: Ihre Partei fordert den Austritt aus der EU. Damit stellen sie sich gegen die Wirtschaft, die zum großen Teil von Exporten ins europäische Ausland lebt. Machen sie sich keine Sorgen wegen der wirtschaftlichen Folgen eines EU-Austritts?
Taras Maygutiak: Wir haben noch nie was gegen einen freien Binnenmarkt gesagt. Wir sagen: wir sind gegen die EU, aber für Europa. Da wird immer alles in einen Topf geworfen. Seien wir doch mal ehrlich: Die Brüsseler EU hat mit Demokratie nichts zu tun. Eine Frau von der Leyen oder die Kommission wurden nicht demokratisch gewählt. Wo standen die denn zur Wahl? Das sind doch die Probleme. Wie auch die Aufgabe von Souveränitäten. Aber natürlich sind wir für gute Zusammenarbeit in Europa und auch für eine freie Binnenwirtschaft, das ist doch klar. Ich mag immer den Satz nicht: Wir müssen die EU reformieren. Der Wasserkopf, an dem so viele sehr gut verdienen, lässt sich nicht so einfach von innen heraus reformieren. Wir wollen ein Europa der Vaterländer, ähnlich wie es die Europäische Gemeinschaft einmal gewesen ist. Das ist aber schon ein paar Jahrzehnte her und hat ja auch funktioniert.
Ortenau Journal: In den letzten Jahren haben viele Unternehmen, gerade auch in der Ortenau, eine Menge Geld in Wind- und Solarprojekte investiert, um unabhängig zu sein und eigenen, billigen Strom zu produzieren. Ihre Vorsitzende Alice Weidel hatte ja angekündigt, im Falle einer Regierungsbeteiligung alle Windräder wieder abreißen zu wollen. Das würde ja bereits erfolgte, milliardenschwere Investitionen vernichten. Wollen sie die Unternehmen entschädigen?
Taras Maygutiak: Man muss sehen, wie das Frau Weidel gesagt hat. Ich war ja selbst im Saal, als es gesagt wurde. Es war eine etwas polemische Wahlkampfrede, aber die Grundrichtung hat natürlich gestimmt, das sehe ich genauso. Grundsätzlich muss man sagen: Andere Dinge werden auch subventioniert, mal mehr, mal weniger. Wir sind technologieoffen und mein Standpunkt war immer, dass wenn sich etwas rechnet, man es dann auch machen soll. Ich glaube, unser Hauptproblem ist, dass uns ideologisch und politisch vorgegeben wird, auf was wir uns stürzen sollen. Wie bei der E-Mobilität. Wenn es ein gutes E-Auto gäbe, das in Ordnung ist, dann würde es die Nachfrage auch geben. Aber wenn man so etwas politisch verordnet, gehen wir ja schon etwas in Richtung Planwirtschaft. So kann das nicht funktionieren. Aber die Technologieoffenheit haben wir ausdrücklich in unserem Wahlprogramm stehen. Es wird immer gesagt, wir sollen jetzt alle E-Autos fahren. Dann wird russisches Gas abgestellt. Aber wir sind selbst dafür verantwortlich, wenn wir Sanktionen verhängen. Und schließlich stellen wir die Atomkraftwerke ab und Kohlekraftwerke sind auch Teufelszeug. Wie soll das dann mit der E-Mobilität funktionieren, mit den paar Windrädern. Da lacht das Ausland über uns.
Ortenau Journal: Was halten sie in diesem Zusammenhang von Technologien wie den Mini-AKWs, die seit einiger Zeit diskutiert werden.
Taras Maygutiak: Wie gesagt, wir sind technologieoffen.
Ortenau Journal: Heißt das, wenn es finanzierbar und ökonomisch darstellbar wäre, wären sie nicht dagegen?
Taras Maygutiak: Auf jeden Fall. Wir brauchen bezahlbare Energie. Gerade als Land, das einmal Exportweltmeister war mit so viel produzierenden Unternehmen wie hier in der Region. Die sind zum Teil sehr energieintensiv. Nehmen sie beispielsweise mal die Badischen Stahlwerke in Kehl, die sehr viel Energie verbrauchen. Das kann solchen Unternehmen natürlich das Genick brechen, wenn die Energiekosten so dermaßen in die Höhe gehen. Da muss man befürchten, dass solche Unternehmen abwandern.
Ortenau Journal: Ihre Partei liegt derzeit bei um die zwanzig Prozent und Sie setzen ja vor allem auf die Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Was ruft ihrer Ansicht nach diese Unzufriedenheit hervor?
Taras Maygutiak: Das ist eine ganze Menge. Es ist das britische Umfrageunternehmen youGov, dass diese Umfrage gemacht hat, ohne Auftraggeber, das ist interessant. Da liegen wir bei 23 Prozent. Aber es ist nach oben schon noch einiges möglich. Da bin ich mir sicher. Ich glaube auch bei diesem Brandmauer- und Nazigeschrei merken die Leute, dass das natürlich völliger Humbug ist. Oder die Antisemitismuskeule. Es sind politische Kampfbegriffe, die völlig ausgereizt werden. Und jetzt ist es ja direkt spannend geworden: Jetzt wird die CDU auch so betitelt. Das ertragen wir schon seit Jahren. Oder dieser Schwachsinn, dass man jedes Jahr sein Geschlecht wechseln kann. Da kommt jetzt auch ein frischer Wind aus den USA. Jetzt merken die Leute, dass nicht die ganze Welt so bekloppt ist. Wir bekommen lediglich viele ideologisch gefärbte Geschichten von den öffentlich-rechtlichen Medien erzählt. Oder denken Sie an die Energiepolitik, die EU oder den Krieg mit Russland. Wer will denn diesen Krieg? Wir wissen doch, wie es um die Bundeswehr bestellt ist. Da blasen wir die Backen gegen eine Atommacht auf. Sind die völlig irre? Das muss man am Verhandlungstisch lösen. Unter einem Genscher, die älteren erinnern sich, hätte das auch noch so funktioniert. Aber dann wollen Leute wie Friedrich Merz mit Taurus-Raketen herumzündeln – völlig bekloppt, ja selbstmörderisch. Die Leute kennen sich überhaupt nicht aus, was die Ursachen für diesen Krieg angeht. Putin wird niemals in seinem Vorgarten Taurus-Raketen dulden oder irgendwelche anderen Raketen und Waffensysteme, die Ministerien in Moskau erreichen können. Der wird einen Teufel tun. Die Amerikaner haben das in Kuba auch nicht gemacht. Trump weiß das natürlich und ich gehe davon aus, dass es Frieden geben wird. Es wird auch keine Nato-Schutztruppe in der Ukraine geben. Das wird Putin nicht mitmachen und der Frieden wird ein Stück weit von ihm diktiert werden. Die Amerikaner werden nicht weiter zündeln, denke ich. Das kann nicht in deren Interesse sein. Es sind viele Leute unnötig gestorben. Das muss man unterm Strich leider sagen.
Ortenau Journal: Was stört sie im Zusammenhang mit der Debatte um Wokeness und Gendern am meisten?
Taras Maygutiak: Ich kenne persönlich Schwule und Lesben, aber die tragen das nicht politisch wie eine Monstranz vor sich her. Das ist ja grauenhaft, was hier betrieben wird. Oder die Sprachverhunzung. Da ist beispielsweise bei uns in Offenburg jede Satzung schon umgedreht worden. Letztes Jahr hat die CDU auch mal mit den Säbeln gerasselt und wollte das abschaffen. Das (Gendern Anm. d. Red.) ist von einem CDU-OB in Offenburg eingeführt worden. Da wurden wir als Gemeinderat nicht mal gefragt. Totalitäre Systeme beginnen immer damit, die Sprache zu verhunzen.
Ortenau Journal: Ihre Partei hat im Kreistag die Streichung der Fördermittel für das Theater Baden Alsace beantragt. Ist es die internationale Ausrichtung, die ihre Partei bei BAAL Novo stört?
Taras Maygutiak: Das kann man so nicht sagen. Ich bin nicht im Kreistag und habe es nur gelesen. Aber nach meinem Empfinden sind das solche Projekte, in die eine Menge Geld reingebuttert wird und man sich fragt, wo da der Nutzen ist. Wir haben andere Probleme, bei denen das Geld viel dringender benötigt wird
Ortenau Journal: Beim BAAL Novo arbeiten nur Profis. Und die gehen in die Städte und Gemeinden im Ortenaukreis und leisten wertvolle Arbeit, setzen Projekte um oder führen ihre Stücke auf. Das ist eine Leistung.
Taras Maygutiak: Den Antrag der Kollegen habe ich mir nicht so genau angeschaut. Aber ich gehe stark davon aus, dass die Fraktion das Geld im Blick gehabt hat. Ich bin auch im Kulturausschuss der Stadt Offenburg, da muss man den Haushalt auch immer im Hinterkopf haben. Bei uns in der Gegend geht es noch, aber insgesamt merkt man schon, dass die Luft finanziell anscheinend dünner wird. Das Geld ist ja an sich nicht knapp, die Ausgaben sind zu hoch. In Offenburg will man einen 100-Millionen-Euro-Klimafonds bis 2040 machen. Das ist doch völlig irre. Meint denn irgendjemand in Offenburg – und ich habe solche Begriffe wie „Nice-to-Have-Projekt“ gehört – dass wir damit das Klima retten? Die Klimaszenarien sind Kaffeesatzleserei. Und da werfen wir jetzt das Geld hinterher. Und gleichzeitig gehe ich hier in die Südweststadt in Offenburg raus und sehe jeden Tag Rentner beim Flaschensammeln. Da stimmt doch was nicht, und das sehen die Leute auch.
Ortenau Journal: Sie haben bereits 2017 und 2021 im Wahlkreis kandidiert. Bisher ohne Erfolg. Nun treten sie zum dritten Mal für die AfD an und der Wahlkreis wird praktisch neu vergeben, da Wolfgang Schäuble nicht mehr da ist. Welche Chancen rechnen sie sich bei dieser Wahl aus, den Sprung in den Bundestag zu schaffen?
Taras Maygutiak: Das ist jetzt eine ganz andere Hausnummer. Schäuble war natürlich eine Institution. Nicht zu schlagen. Da war es immer klar, dass ich ein Zählkandidat bin. Jetzt sieht es anders aus. Also wir spielen hier auf Sieg, das sag ich ganz klar. Zwischen Johannes Rothenberger und mir wird sich das entscheiden. Und so selbstbewusst bin ich natürlich: Ich halte mich für den besseren Kandidaten.
Siehe auch:
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