Bundestagswahl 2025

Ann-Margret Amui-Vedel (Grüne): „Wertschätzung für das Ehrenamt ist mit sehr wichtig“

Ann-Margret Amui-Vedel (Grüne)
© Ann-Margret Amui-Vedel
Sie ist Kreisrätin, Umweltbeauftragte der Stadt Kehl und freiwillige Feuerwehrfrau: Ann-Margret Amui-Vedel (Grüne) kandidiert erstmals für den Bundestag. Sie gilt im Wahlkreis Offenburg als eine der drei Top-Favoriten neben Johannes Rothenberger (CDU) und Dirk Flacke (SPD). Im Interview mit dem Ortenau Journal bezieht sie Stellung zu aktuellen, sensiblen Themen. Die Ehrenamtskarte sei ein geeignetes Instrument, den freiwilligen Helfern Wertschätzung entgegenzubringen.

Seit Jahrzehnten war das Rennen um den Sieg im Bundestagswahlkreis Offenburg nicht mehr so spannend, wie bei der Wahl am 23. Februar 2025. Ann-Margret Amui-Vedel kandidiert erstmals für die Grünen. Dabei darf sie sich berechtigte Hoffnungen machen, den Sprung in den Bundestag zu schaffen, selbst wenn der Sieg im Wahlkreis an einen der männlichen Konkurrenten gehen sollte. Beim Landesparteitag der Grünen wurde sie auf Listenplatz 19 gewählt. Das eröffnet Chancen für die Kehlerin, wie Elisabeth Schilli, Kreisvorsitzende der Ortenauer Grünen und Mitglied des Landesvorstands, vorrechnet: „Wir ziehen optimistisch in die Wahl. Bei einem Bundesergebnis von 14,7 und einem Landesergebnis von 17,8 Prozent haben wir bei der Bundestagswahl 2021 insgesamt 18 Mandate in Baden-Württemberg errungen. Mit Listenplatz 19 ist dann Jürgen Kretz in das Parlament nachgerückt.“

Inhalte im Vordergrund

Im Interview mit dem Ortenau Journal ging es aber nicht um die Wahlchancen von Ann-Margret Amui-Vedel, sondern ausschließlich um Inhalte. Die 47-Jährige erklärt, wieso Windräder für sie nicht das größte Problem im Schwarzwald sind, warum Bäume in den Städten erhalten werden müssen und wieso Frauen in der Kommunalpolitik unterrepräsentiert sind. Eines ihrer wichtigsten Themen ist jedoch die Stärkung des Ehrenamts. Dies sei einer tragende Säule der Gesellschaft. Mit der von den grünen initiierten Ehrenamtskarte könne den Freiwilligen die verdiente Wertschätzung entgegengebracht werden.

Interview von Wolfgang Huber

Ortenau Journal: Sie haben Biologie und Umweltmanagement studiert und sind seit zehn Jahren Umweltbeauftragte der Stadt Kehl. Inwiefern käme ihnen diese Erfahrung im Bundestag zugute?

Ann-Margret Amui-Vedel: In vielerlei Hinsicht. Dank meiner vorangegangen Arbeit in Forschung, Wirtschaft und zuletzt der Verwaltung konnte ich in der Vergangenheit schon viele verschiedene Einblicke in den Natur- und Umweltschutz gewinnen. Im Raumfahrtzentrum war ich für die Einhaltung zahlreicher Umweltauflagen verantwortlich. Diese andere Perspektive kommt mir wiederum heute als Umweltbeauftragte in einer Behörde zugute. Natürlich sind das alles auch Kompetenzen, die ich in Berlin mit einbringen möchte. Insbesondere das Verständnis um Verwaltungsprozesse und um die konkrete Umsetzung vor Ort, d.h. in den Kommunen, halte ich für sehr wichtig. Zudem bin ich der Überzeugung, dass vielfältige Erfahrungen von großem Nutzen sind, insbesondere in der Politik.

Ortenau Journal: Das heißt, dass sie die Dinge, die in Berlin beschlossen werden, direkt auf ihre Praxistauglichkeit hin einschätzen könnten?

Ann-Margret Amui-Vedel: Genau. Meine Erfahrung in einer Kommunalverwaltung sehe ich da als ein entscheidendes Plus. Schließlich ist es essenziell zu berücksichtigen welche Barrieren und Hindernisse es bei der Durchführung vor Ort geben könnte. Bei Förderprogrammen scheitert es beispielsweise manchmal an den entsprechenden personellen Ressourcen in den Städten und Gemeinden. Daher finde ich den genauen Blick auf die umsetzende Ebene so wichtig.

Ortenau Journal: Die Stadt Offenburg hat eine negative Baumbilanz. Es werden mehr Bäume gefällt als gepflanzt. Es muss um jeden Baum gekämpft werden. Dabei ist es doch längst Konsens, wie wichtig Bäume im Stadtgebiet für das Stadtklima, das Ökosystem und die Biodiversität sind. Wie stehen sie als Umweltbeauftragte der Stadt Kehl zu dieser Frage?

Ann-Margret Amui-Vedel: Da bin ich vollkommen bei Ihnen. Stadtbäume sind aus vielerlei Hinsicht von hoher Wichtigkeit. Wir brauchen Sie im Zuge der Klimaanpassung: Sie werfen Schatten an heißen Tagen und reduzieren so die Temperaturen in den Straßen und auf den Plätzen. Sie spielen natürlich außerdem eine wichtige Rolle im Rahmen von städtischen Ökosystemen. Bäume haben auch zahlreiche positive Auswirkungen auf unsere Gesundheit: Sie tragen zum Lärmschutz bei und filtern zahlreiche Luftschadstoffe. Das kommt nicht nur den Asthmatikern zu Gute. Studien haben des Weiteren gezeigt, dass Menschen, die in grüneren Stadtbereichen leben weniger Depressionen aufweisen und diese zufriedener und psychisch stabiler sind. Und das sind nur einige der Gründe, warum Bäume gerade auch innerhalb unserer Städte geschützt werden müssen. Wie in Kehl wird sich sicher auch die Verwaltung in Offenburg dessen bewusst sein.

Ortenau Journal: Im Ortenaukreis tobt eine Diskussion zum Thema Windenergie in Waldgebieten im Schwarzwald. Nach dem Wunsch der Landesregierung und des Regionalverbands Südlicher Oberrhein sollen noch weit mehr Flächen für Windparks ausgewiesen werden als bisher. Das sind zum Teil tiefe Einschnitte in das Ökosystem. Was wiegt ihrer Ansicht nach schwerer: Der Ausbau der Erneuerbaren Energien oder der Erhalt der Natur?

Ann-Margret Amui-Vedel: Die beiden widersprechen sich nicht. Der Regionalverband Südlicher Oberrhein, in dem ich seit dem Herbst diesen Jahres Mitglied bin, legt geeignete Vorranggebiete für Standorte von Windkraftanlagen fest. Darunter sind auch Flächen im Schwarzwald. Das größte Problem für den Schwarzwald ist jedoch nicht die Windenergie. Wir haben im Schwarzwald so hohe Sterberaten der Bäume wie noch nie. Studien belegen, was wir schon lange vermutet hatten: Ursachen für die enormen Sterberaten sind Hitze und Dürre. Nur durch aktiven Klimaschutz können wir das Problem an den Wurzeln packen und verhindern, dass diese Wetterlagen sich nicht noch verschlimmern. Ein wesentliches Element ist hier der Ausbau der Erneuerbaren Energien. In diesem Rahmen ist es ein Erfolg, dass die Genehmigungszeiten für Windkraftanlagen auf sieben Monate reduziert wurden. Hat der Bau einer Windkraftanlage Auswirkungen auf die Natur: Ja. Aber diese Eingriffe stellen nicht die größte Gefahr für unseren Schwarzwald dar und müssen außerdem ausgeglichen werden.

Ortenau Journal: In der Ortenau werden ja bereits 60 Prozent des Strombedarfs durch Windkraft gedeckt. Wäre es da nicht sinnvoller, die Anlagen in der Rheinebene zu bauen. Die Einschnitte in die Natur wären dort wesentlich geringer.

Ann-Margret Amui-Vedel: Es ist korrekt, dass entlang der Rheinschiene weniger Potenzialflächen ausgewiesen wurden. Nicht alle Teile der Region weisen die gleiche Eignung und das gleiche Konfliktpotential für die Errichtung von Windkraftanlagen auf. Es gibt jedoch aktuell beispielsweise bereits Projekte von Koehler und BWS, die im Rahmen einer Machbarkeitsstudie die Möglichkeit von Windkrafträdern im Kehler Hafen untersuchen. Auch Richter Aluminium plant eine Anlage auf seinem Firmengelände in Schutterwald.

Ortenau Journal: Sie sind ja auch Mitglied des Kreistags. Auch ihre Fraktion dort winkt ja im Wesentlichen die Großprojekte des jeweiligen Landrats relativ glatt durch. Nimmt der Kreistag ihrer Ansicht nach seine Kontrollfunktion gegenüber der Kreisverwaltung noch ausreichend wahr?

Ann-Margret Amui-Vedel: Die Frage hört sich so an als müsste die Verwaltung des Landratsamt mehr kontrolliert werden und suggeriert ein bisschen, dass sie Dinge plant die nicht in Ordnung seien. Vielleicht hat es manchmal in Kreistagssitzungen den Anschein, als würden Projekte durchgewunken. Dem gehen jedoch Fraktionssitzungen voraus, in denen diskutiert wurde und Ausschuss- und Unterausschusssitzungen, die den Prozess bereits gestaltet haben. Als Teil der Verwaltung in Kehl ist Teil meiner Aufgabe die von dem Gemeinderat beschlossenen Entscheidungen, Projekte und Satzungen umzusetzen und voranzutreiben. Entsprechend umgekehrt sehe ich auch meine wesentliche Aufgabe als Kreisrätin im Kreistag.

Ortenau Journal: Sie sind im Bereich Gleichstellung engagiert. Jetzt gibt es ja mit Amalia Lindt-Herrmann und Stephanie Bartsch zwei neue Bürgermeisterinnen. Aber insgesamt sind Frauen in der Kommunalpolitik der Ortenau unterrepräsentiert. Was müsste sich da ändern?

Ann-Margret Amui-Vedel: Mir fällt das natürlich immer wieder bei uns im Kreistag auf, wo der Frauenanteil bei nur rund 20 Prozent liegt. Weibliche Bürgermeisterinnen gibt es in Baden-Württemberg sogar nur rund 10 Prozent. Ursachen für den geringen Frauenanteil gibt es zahlreiche. Die Sitzungen des Kreistags sind beispielsweise tagsüber. Neben dem Beruf sind Frauen zu der Zeit wesentlich mehr in die Care-Arbeit stark eingebunden. Wir brauchen aber auch ein Umdenken in den Köpfen. Oft trauen sogar Frauen Männern ein politisches Amt einfach mehr zu, als sich selbst, und dass, obwohl so viele von uns z. B. als Elternsprecherinnen an den Schulen bereits selbstverständlich sehr ähnliche Aufgaben wahrnehmen – wir setzen uns für die Gemeinschaft ein und möchten etwas bewirken. Es gibt da wirklich noch viel zu tun. Alle Parteien durch die Bank sollten das Problem erkennen und auf Frauen zugehen, denn Vielfalt ist in einer Partei in vielerlei Hinsicht eine Bereicherung. Deshalb gab es auch im Rahmen der letzten Kommunalwahlen Veranstaltungen zum Thema Frauen in der Politik, unter anderem von der Volkshochschule oder auch von uns Soroptimistinnen.

Ortenau Journal: Im Falle ihrer Wahl in den Bundestag wollen sie sich u. a. für das Ehrenamt einsetzen. Sie selbst sind seit 2017 Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr Kehl. Welche Ergebnisse haben die Modellversuche in vier baden-württembergischen Städten zur Ehrenamtskarte gebracht?

Ann-Margret Amui-Vedel: In Baden-Württemberg engagiert sich fast die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich, die höchste Quote im Ländervergleich. Die Wertschätzung dieser Hilfe ist mir sehr wichtig. Das Ehrenamt ist vielfältig und wir könnten den Alltag ohne die Freiwilligen im Katastrophenschutz, Rettungsdienst, in den Sportvereinen, der Flüchtlingshilfe, den Tierheimen und so vieles mehr, einfach nicht bestreiten. Die Ehrenamtskarte ist eine schöne Möglichkeit, die durch die Grünen in Baden-Württemberg auf den Weg gebracht wurde, um den Freiwilligen Wertschätzung entgegen zu bringen. Nach einer Probezeit in mehreren Modellregionen soll sie nun in Baden-Württemberg 2025 flächendeckend eingeführt werden. In den entsprechenden Städten und Landkreisen gab es mit der Karte Angebote im kulturellen, sportlichen und im Bildungsbereich – meist Ermäßigungen aber auch vereinzelte Exklusiv-Veranstaltungen. Im Modellversuch wurden Karten im Bezahlkartenformat herausgegeben. Eine Evaluation hat ergeben, dass vielleicht auch künftig eine entsprechende App vorstellbar wäre. Wir müssen aber auch im Auge behalten, dass mit so einer Karte nicht alle Herausforderungen gelöst sind. Um diese tragende Säule der Gesellschaft zu erhalten müssen wir verschiedene Ansätze untersuchen, wie Unterstützung durch Ehrenamtsbeauftragte, Erhöhung der Ehrenamtspauschale, Rentenpunkte, etc.

Ortenau Journal: Die Vereine in den Kommunen sind sehr wichtig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und für die Jugend. Aber es gibt das Problem der maroden Sportstätten. Wenn man keine vernünftige Infrastruktur hat, bleiben die Leute und insbesondere die Jugend ja irgendwann auch einfach weg.

Ann-Margret Amui-Vedel: Absolut. Ich sehe es ja selbst immer wieder, z.B. beim Brand der Sportstätte des SV Kork, wo ich als Einsatzkraft dabei war oder bei meinem Besuch des SC Sand vor ein paar Wochen, wo die Frauen auf einem sehr hohen Niveau spielen. Oft handelt es sich bei den Vereinsheimen um Liegenschaften der Städte. Ihnen fehlt jedoch zunehmend das Geld. Daher müssen wir unbedingt nach Lösungen suchen. Wie kann hier unterstützt werden? Braucht es mehr nationale Förderprogramme, um die Vereinen zu unterstützen? Bei der Erarbeitung müssen wir im Blick haben, wie wichtig die Vereine für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, die Gesundheit und auch für die Integration sind.

Ortenau Journal: Wo wir gerade darüber sprechen: Die Grünen und die CDU vertreten eine gegensätzliche Migrationspolitik. Das Gleiche bei der Schuldenbremse. Die Grünen wollen sie ja eher lockern, während die CDU auf deren Einhaltung besteht. Wäre für sie eine Koalition mit der CDU auf Bundesebene denkbar?

Ann-Margret Amui-Vedel: Ich würde keine Koalition mit einer demokratischen Partei generell ausschließen. Koalitionen mit der CDU gibt es ja bereits, wie hier in Baden-Württemberg. Das zeigt, dass die beiden Parteien durchaus in der Lage sind, konstruktiv zusammenzuarbeiten und dass es gut funktionieren kann.

Ortenau Journal: Eines ihrer Themen ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Können Sie etwas zur grenzüberschreitenden Notfallversorgung sagen?

Ann-Margret Amui-Vedel: Allem vorweg – ja, es ist kompliziert. Wir haben verschiedene Gesundheitssysteme. Wir sprechen verschiedene Sprachen. Es gibt auch organisatorische Unterschiede: In Deutschland entscheidet der Arzt, wo der Patient bzw. die Patientin behandelt wird, in Frankreich die Leitstelle. Aber dafür muss es Lösungen geben, und es gibt sie ja auch bereits in anderen Grenzregionen. Darauf weise ich immer wieder hin. So gibt es bereits Projekte in Sachsen an der tschechischen Grenze, an Bayern zur Österreichischen Grenze oder eben auch in Rheinland-Pfalz an der französischen Grenze. Wir müssen erarbeiten wie die Zusammenarbeit bei uns funktionieren könnte, untersuchen, warum es bei uns trotz der grenzübergreifenden Vereinbarungen nicht vorangeht. Daher gab es vor kurzem bereits einen Antrag der Grünen im Kehler Gemeinderat und im Eurodistriktrat. Es ist mir ein großes Anliegen von den Erfahrungen der anderen Grenzregionen zu lernen. Wir werden vielleicht nicht gleich einen deutsch-französischen Rettungswagen haben aber es wäre beispielsweise der richtige Zeitpunkt beim Bau der neuen Leitstelle eine solche Zusammenarbeit mitzudenken. Sprachbarrieren lassen sich heutzutage beispielsweise mit Übersetzungssoftware überwinden. Für mich entsteht der Eindruck, dass wir sowohl in Deutschland als auch in Frankreich durch Reformen in den Gesundheitssystemen stark mit uns selbst beschäftigt sind und keine Muße für „Insellösungen“ haben. Aber das kann ja nicht auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger geschehen. Diese Insellösungen entlang der Grenzen können manchmal gerade wichtige Ergänzungen darstellen, denn auch in Frankreich sind die Notaufnahmen zeitweise überfüllt. Von einem grenzübergreifendem Angebot würden alle Bürgerinnen und Bürger profitieren.

Ortenau Journal: Ricarda Lang hat neulich gesagt, man könne sich das mit der Mitte abschminken, da die Grünen als Elitenprojekt wahrgenommen werden. Wie wollen sie, sofern sie es in den Bundestag schaffen, dazu beitragen, dass sich dieses Image verbessert.

Ann-Margret Amui-Vedel: Ich denke, es läuft immer wieder auf die Frage hinaus, wie wir besser kommunizieren können, das ist essentiell. Die Grünen sind kein Elitenprojekt. Die Ampel hat in den vergangenen Jahren Vieles für die Mitte umgesetzt. Der Mindestlohn wurde angehoben. Das aktualisierte Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll Fachkräfteengpässen entgegenwirken. Die beschlossene Verkleinerung des Bundestages wird die Steuerzahler entlasten – als Kandidatin werde ich jetzt nicht unbedingt davon profitieren. Ja, E-Autos können sich heute nicht alle leisten, aber Balkonkraftwerke, das Deutschlandticket – ein enormer Erfolg, verbesserte Radwegeinfrastruktur, das ist erschwinglicher Klimaschutz für Alle. Und auch langfristig profitieren wir natürlich alle von Klimaschutz, z. B. von jedem Keller der nicht vollläuft.

Ortenau Journal: Liegt es wirklich nur an der Kommunikation? Es gibt beispielsweise solche Gesetze wie die Mehrwegangebotspflicht. Da wurden vor drei Jahren die Gastronomen verpflichtet, eine Mehrwegalternative zum Einweggeschirr anzubieten, wenn Gerichte abgeholt werden. Das ist ja krachend gescheitert, es wurde von den Kunden überhaupt nicht angenommen. Das sind halt solche Beispiele, wo in der Bevölkerung der Anschein entsteht, dass da theoretische, abgehobene Gesetze gemacht werden, die vor Ort gar nicht umsetzbar sind. Das ist das, was man von den Leuten hört.

Ann-Margret Amui-Vedel: Das ist interessant, dass sie genau das Beispiel rausnehmen. Ich hab in den letzten Jahren als Umweltbeauftragte mitunter durch Öffentlichkeitsarbeit wirklich daran gearbeitet, Kunden und Kundinnen zu ermutigen, auf die Mehrwegalternative umzusteigen. 320.000 Kaffee-Einwegbecher werden in Deutschland pro Stunde genutzt. Beim Einweg landen diese Becher nach rund zehn Minuten im Müll – wahrscheinlich noch auf dem Weg in einem öffentlichen Mülleimer, wo der Abfall nicht einmal getrennt wird oder sogar in der freien Landschaft. Aber ich muss Ihnen komplett beipflichten, dass die Umsetzung des Gesetzes aktuell überhaupt nicht funktioniert – was ich sehr traurig finde. Ich halte das Gesetz für sinnvoll und notwendig. Nachdem es endlich in Kraft getreten war habe ich natürlich immer wieder beim Kauf nach der Mehrweglösung gefragt. Sehr oft bekam ich die Antwort: „Wir haben keine Mehrwegbecher.“ Manchmal hab ich auf das Gesetz hingewiesen. Viele kannten es nicht oder wollten einfach nichts davon wissen. Vielleicht ist es zu kompliziert, berücksichtigt es aktuell z. B. nur bestimmte Einwegmaterialien. Vor allem wird der Kunde beim Kauf jedoch nicht ausreichend informiert. Da muss auf jeden Fall nachgebessert werden. Und man sieht genau das, was ich eingangs bereits erwähnt habe. In der Theorie richtig und wichtig, aber ohne zusätzlich Kräfte vor Ort können die Betriebe bei der Umstellung nicht unterstützt und letztendlich auch nicht kontrolliert werden. Damit ist die Umsetzung vor Ort erst einmal gescheitert.

Ortenau Journal: Das Problem mit der Kommunikation gab es ja auf eklatante Weise beim Heizungsgesetz. Ungeachtet der Frage, ob die Menschen es richtig verstanden hatten oder dass von Rechts eine Kampagne gefahren wurde, hat sich Robert Habeck damit schon ziemlich unbeliebt gemacht. Warum ist er dennoch der richtige Kanzlerkandidat?

Ann-Margret Amui-Vedel: Ein Heizungsgesetz als solches gibt es ja gar nicht. Es geht hierbei um Änderungen des 2020 verabschiedeten Gebäude-Energien-Gesetzes (GEG). Aber das ist wirklich ein wunderschönes Beispiel dafür, dass schlechte Kommunikation vieles zerstören kann. Ich habe Robert Habeck 2021 zum ersten Mal persönlich in Offenburg erlebt im Rahmen des letzten Wahlkampfes. Mich hat er damals als Person durch seine Menschlichkeit und Ehrlichkeit aber auch Kompetenz und Erfahrung überzeugt. Er sagt den Menschen nicht was sie hören wollen, sondern übernimmt Verantwortung. Er ist der richtige Kanzlerkandidat. Und daher freue ich mich auf den Wahlkampf.

Siehe auch:

CDU-Kandidat Johannes Rothenberger will sich für Sozialwohnungsbau einsetzen

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