Peter Oehler prägte die deutsche Musikszene über Jahrzehnte. Als virtuoser Gitarrist spielte er in zahlreichen Bands, tourte durchs Land und war an legendären Projekten beteiligt. Sogar Gary Moore ließ sich von ihm inspirieren – ein Vorfall, der vor Gericht landete. Einst tourte er 14 Jahre lang mit Costa Cordalis durch Europa, spielte für Isabell Varell oder Jennifer Rush. Nun ist Oehler mit 73 Jahren gestorben. Aus diesem Anlass veröffentlichen wir ein bewegendes Porträt aus dem Jahr 2021 von Jürgen Stark, das Einblicke in das Leben und die Leidenschaft eines außergewöhnlichen Musikers gibt.
Von Jürgen Stark
„Mensch Peterle, wir hatten doch noch so tolle Pläne und wollten den Blues in die Reben bringen. Den geplanten, gemeinsamen Song werde ich zu Ende komponieren. Der Hamburger Produzent Dieter Debusmann wir ihn produzieren und wir werden ihn dann als ´Peter´s Blues´ veröffentlichen. Versprochen.“ (Jürgen Stark)
Jetzt das Porträt von 2021:
Es liegt auch an der Musik, wenn Menschen sich mit ihrer Herkunft vereinen. Der Gitarrist Peter Oehler (69) ist ein Paradebeispiel für die innovative aber auch soziale Kraft jener „Blue Notes“, die das Lebensgefühl etlicher Generationen bis heute prägten. Doch der Reihe nach. Unter einem Schutthaufen, begraben von Müll, fand der kleine Peter ein arg lädiertes Akkordeon. „Es hatte sieben Töne und war mein erstes Instrument“, erinnert er sich. Los ging es, mit sieben Tönen in die Wunderwelt der Musik hinein. Seine drei Schwestern interessierten sich derweil für andere Dinge in der kleinen, überschaubaren Nordracher Idylle.
Der Ort zieht sich durch ein enges Tal, fast vier Fünftel der Gemarkung besteht aus Wald. In einem derartigen Rückzugsgebiet gibt es viele Freiräume für Jugendliche. Doch statt Cowboy und Indianer zu spielen schlich er als Junge dann lieber ins Nebenzimmer eines Gasthofes, um dort stundenlang auf dem Klavier zu klimpern. Es kamen immer mehr Töne hinzu. Akkordeon, Klavier und dann entdeckte er die Gitarre, mit Neugier und frischem Forschergeist brachte er sich alles selbst bei.
Der Ort, wo die Melonen blühen
Der Sechs-Saiten-Autodidakt wurde in der Nähe der deutsch-französischen Grenze schon früh zum Grenzgänger. „Meine Mutter hatte Streit mit meinem Vater, da hat sie meine drei Schwestern genommen und ist ab nach Cavaillion zu ihren Verwandten auf einen Bauernhof in der Provence“, erinnert er sich. Der Papa aus Nordrach hatte Temperament, die französischstämmige Mutter nicht weniger. Deren Krach endete in der Idylle, Cavaillion gilt als der Ort, wo die Melonen blühen! „Ich fuhr dann mit dem Vater hinterher, dort haben die beiden sich wieder vertragen und wir sind alle nach ein paar schönen Tagen auf dem Bauernhof wieder zurück nach Nordrach“, resümiert Oehler.
Proberaum im legendären Gasthaus „Tritschler“
Er wirkt bescheiden, bodenständig, bereiste als Musiker die Welt und blieb doch hier. Sein Großvater war Italiener, wie sich an den schwarzen Locken erkennen lässt. Abends, am Küchentisch, wurde in der Familie gesungen. Die Mutter übernahm 1965 das legendäre Offenburger Gasthaus Tritschler, welches sie bis 1995 als Gastronomin betrieb. Mit seiner ersten Band The Dogs hatten sie unterm Tritschler im Keller ihren Proberaum. Was waren das für Zeiten, wenn man sowas – heute! – hört: „An den Tischen im Tritschler gab es damals auch immer Sessions mit Stammgästen, wenn wir vom Proberaum hochkamen. Manchmal war die Wirtschaft längst zu, da haben wir noch drinnen weiter bis zum Morgengrauen gejammt.“
Der Weg in die Musikszene war unaufhaltsam. Mit den musikalischen Mitstreitern führte der Weg schnell aus Offenburg heraus. Es gab Auftritte in Sendungen wie „Mittwochnachmittags Party“ beim SWR, daraufhin folgten sofort Angebote für The Dogs, später Heeds, mit ihrem Repertoire, von Straßburg, quer durchs Ländle und bis nach Bayern. Um den Spirit jener Zeit zu verstehen, muss man an die Signalwirkung solcher Alben wie John Mayalls „Blues from Laurel Canyon“ oder an Bob Dylan mit The Band und ihre „Basement Tapes“ erinnern, letztlich auch an Steppenwolf und deren Biker-Hymne „Born to be Wild“.
Sinnstiftung und Lebensinhalt
Musik bekam Wurzeln und wuchs tief in den Boden, war Sinnstiftung und Lebensinhalt. Musik öffnete aber auch Grenzen, Künstler überwanden Räume. Peter Oehler im Rückblick: „Es gab damals noch Grenzkontrollen, dennoch sind wir nach Frankreich rüber und dort aufgetreten. Heute ist so etwas kaum noch der Fall, dabei gibt es die Grenze gar nicht mehr.“ Ob mit dem Cadillac oder dem Motorrad, das Leben wurde überall im Westen für musikbegeisterte Kids zum „Road Movie“ – und Peter Oehler das fast zum Verhängnis. „1970 wurde ich an der Kreuzung bei Albersbösch angefahren und mein Bein landete unterm Motorroller. Der Fuss war gebrochen und die Ärzte überlegten wochenlang, ob es nicht besser sei den zu amputieren.“ Auf seine stolze und starke Mutter war Verlaß. Sie lehnte die Amputation bei dem noch Minderjährigen mehrfach ab. Die Heilung begann, der Fuss blieb dran.
Nicht nur regionale Legende
Mittlerweile hatte Oehlers Band sich in Jud’s Gallery transformiert – und mit dieser Formation wurde eine nicht nur regionale Legende geschaffen. Mit Jud’s Gallery tourte Oehler durch ganz Deutschland, zu einer Zeit als die Musikszene unterm Vorzeichen der „Rock Revolution“ überall erblühte. Er sah das legendäre Hamburger „Onkel Pö“ von innen, wo Udo Lindenberg gerade seine Karriere startete. Man kannte sich, man hörte auch bei anderen zu, manchmal eigennützig.
Eine in der internationalen Musikszene bekannte Anekdote sind die langen Ohren, die der berühmte Blues-Gitarrist Gary Moore einst bei einem Deutschland-Aufenthalt machte. Ganz unbescheiden hatte Moore einen Gitarrenlauf von Jud‘s Gallery „abgehört“ und abgespeichert. Er machte aus Oehlers gitarristischer „Steilvorlage“ den Welthit „Still Got The Blues“ – mit jenen berühmten Tönen, die aus dem Schwarzwald kamen. Blue Notes from Nordrach. Das Urheberrechtsdrama landete vor Gericht. Oehler und Moore trafen sich dann zufällig. Der spektakuläre Prozess war weltweit ein Thema, nicht nur für die Musikpresse.
Prozess gegen Gary Moore gewonnen
Oehler: „Jetzt standen wir in einer Prozesspause am Pinkelbecken, er erkannte mich, ich dachte, jetzt erschlägt der dich, so finster guckte der.“ Beim Prozess wurde das Urheberrecht von Gutachtern zugunsten der Band von Oehler ausgelegt, heute ein Gütesiegel. Kurz vorm 50-jährigen Bühnenjubiläum war es Zeit mit „Behind The Red Moon“ (2017) das erste Soloalbum vorzulegen.
Der virtuose Gitarrist, in allen modernen Stilen zuhause, war bei Produktionen oder auf Tourneen gefragt. Mit Größen wie Geff Harrison, David Hanselmann, Stevie Woods, Robby Luther oder Jennifer Rush spielte er zusammen. Auch bei den Soloalben vom Offenburger Sänger Jess Haberer wirkte er mit. Das Instrumentalalbum „Behind The Red Moon“ hat dagegen etwas intimes, sensibles. Lenny Mac Dowell, musikalischer Veteran und Inhaber von Blue Flame Records in Stuttgart, hatte Oehler das Angebot gemacht, eine CD bei ihm aufzunehmen und herauszubringen. Elf eigene Tracks, zwei Coverversionen von Lucio Dalla und Richie Blackmore. Wunderschönste Melancholie, Melodien, die um die „Children from Aleppo“ trauern um danach die Sonne beim „African Sunrise“ wieder aufgehen zu lassen.
„Eine Region zum Durchatmen“
Peter Oehler lässt sich in die Seele hören und führte dieses 2019 mit dem zweiten Solowerk „92 Percent Stardust“ fort. Noch immer fliegen die Finger flink über die Saiten, auch wenn er sagt, warum er der Ortenau immer treu bleibt: „Das Schöne sind die landschaftlichen Highlights, die Schlösser, die Auen und Berge, der Rhein, die Nähe zum Elsass und der Schweiz. Eine Region zum durchatmen.“ Und er ergänzt noch mit Blick auf die Tourneen: „Ab Frankfurt hab ich mich immer unwohl gefühlt, da wurde auch die Küche schlechter.“
Foto: Jürgen Stark (links) und Peter Oehler bei einem gemeinsamen Musikprojekt.
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77704 Oberkirch
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