Cannabis-Legalisierung

„Wir brauchen einen sachlichen Diskurs zur Cannabis-Legalisierung“

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Am 1. April 2024 trat das Gesetz zur Teillegalisierung von Cannabis (CanG) in Deutschland in Kraft. Das Ortenau Journal sprach mit dem Vorsitzenden des Cannabis Club Südwest e.V. aus Achern.

Ortenau Journal: in unserem Vorgespräch sprachen Sie von sehr stark polarisierten Reaktionen bzw. Rückmeldungen, die derzeit auf Sie zukommen. Können Sie uns dazu ein oder zwei Beispiele nennen?

Vorstand: Der politische Diskurs zur Teillegalisierung war hitzig, stark polarisiert und teils zu wenig faktenbasiert. Tatsächlich war im Zuge der Vereinsgründung eine eindeutige politische Haltung der zuständigen Mitarbeiterin am Amtsgericht Mannheim festzustellen: Obwohl unsere Vereinssatzung eindeutig formuliert war und allen rechtlichen Vorgaben entsprach, wurde mehrfach versucht, die Eintragung des Vereins ins Vereinsregister zu verhindern. Zum damaligen Zeitpunkt war das CanG ja noch nicht in Kraft. Unsere Satzung hatte klar formuliert, dass das Inkrafttreten des Gesetzes strikte Voraussetzung sein würde und dass der Verein selbstverständlich nur im legalen Bereich handeln würde. Den schriftlichen Hinweis bzw. Erklärung dazu von uns wurde von der Sachbearbeiterin ignoriert, stattdessen wurde behauptet, dass keine Antwort eingegangen wäre. Letztendlich hätten wir klagen müssen, um das politisch motivierte Handeln des Amtsgerichts Mannheim aufzudecken. Dabei hätten wir viel Zeit verloren, weshalb wir den Antrag auf Eintragung ins Vereinsregister beim Amtsgericht Freiburg mit identischen Unterlagen erneut eingereicht haben. Dort ging dann alles einen geregelten Weg und der Verein wurde schnell ins Vereinsregister eingetragen. Auch auf unserer Facebook-Seite gibt es neben vielen positiven Rückmeldungen auch immer wieder unqualifizierte Kommentare. So wurde schon unterstellt, dass hinter einer Anbauvereinigung ohnehin nur Araber stehen würden. In solchen Fällen rufen wir dazu auf, sich dem Thema inhaltlich zu nähern und nicht nur Vorurteile herauszublöken.

Ortenau Journal: Wie stark ist die Nachfrage nach legal erhältlichem Cannabis in der Region?

Vorstand: Es gibt eine starke Nachfrage. Wir machen folgende Gruppen aus: Genusskonsumenten, die Wert auf hohe Qualität, Aromen und Wirkung legen – Ansprüche die der Schwarzmarkt nicht bedient. Da nicht jeder Konsument die Möglichkeit oder Interesse am Eigenanbau hat, bietet die Mitgliedschaft in einer Anbauvereinigung einige Vorteile: Der Zeitaufwand ist gering und die Qualität höher und regelmäßig kontrolliert. Dazu kommt die Möglichkeit, sich beraten zu lassen. Außerdem haben wir Anfragen von Schmerzpatienten, die auf Linderung von chronischen Leiden hoffen und z.B. von bisher verschriebenen stark abhängigmachenden Medikamenten wegkommen wollen. Unser Eindruck ist, dass Cannabiskonsum schon lange in allen Gesellschaftsschichten angekommen ist.

Ortenau Journal: Welche Herausforderungen gibt es für sie zu bewältigen, bevor die ersten Mitglieder das Produkt erhalten können?

Vorstand: Die nächsten Schritte sind die Einholung einer Anbaugenehmigung und das Schaffen der technischen Voraussetzungen für den Anbau beim Cannabis Club Südwest in Achern. Ersteres wird bürokratische Hürden bereithalten, Letzteres wird eine Frage der Kapazitätenplanung: Da wir eine sechsstellige Summe investieren müssen, um die Anbauflächen auszurüsten, gilt es diese in Etappen in diesem und nächstem Jahr herzurichten. Geplant ist, die Anbauflächen jedes Jahr stückweise zu erweitern, um den steigenden Mitgliederzahlen gerecht werden zu können.

Ortenau Journal: Wann rechnen sie mit der Anbaugenehmigung und wann könnte es dann die erste Ware geben?

Vorstand: Wir werden unseren Antrag pünktlich am 01.07.24 abgeben. Dieser ist schon in Vorbereitung. Inwieweit die Bearbeitung von offizieller Seite dann schnell oder langsam erfolgt, können wir heute nicht einschätzen.  Stand heute hoffen wir auf eine zügige Genehmigung im Juli, planen realistisch aber eher mit Oktober. Für beide Fälle haben wir uns eine Anbaustrategie zurechtgelegt, um unseren Mitgliedern so bald wie möglich Cannabis zur Verfügung stellen zu können. Bestenfalls wäre das Ende September, schlechtesten Falls etwa Februar nächsten Jahres. Etwas Sorge macht uns die negative Haltung des Landes im Zuge der Abstimmung im Bundesrat im März und die noch abwehrende Haltung des Innenministers. Wir hoffen, dass die Genehmigungsverfahren nicht extra langsam gehandhabt werden.

Ortenau Journal: Welche Herausforderungen werden im Bezug auf verantwortungsvollen Konsum und Begleitung suchtgefährdeter Menschen möglicherweise derzeit über- oder unterbewertet?

Vorstand: Aus unserer Sicht wird im politischen Diskurs teilweise jeder Konsument mit einem Suchtkranken gleichgesetzt. Da fehlt besonders bei der aktuellen Opposition im Bundestag die Differenzierung. Würde man beim Alkohol genauso argumentieren, wäre jeder Kunde im Weinhandel oder jeder Besucher eines Bierzelts automatisch mit einem alkoholkranken Menschen gleichzusetzen. Mit solch platter Rhetorik ist aber niemandem geholfen. Es braucht einen sachbasierten Diskurs zum Thema. Unsere Anbauvereinigung soll kein Angebot für suchtgefährdete Menschen sein. Dafür gibt es wesentlich kompetentere Anlaufstellen wie zum Beispiel die Suchtberatungsstellen des Landes, zu denen wir einen guten Kontakt aufbauen möchten. Im Cannabis Club Südwest e.V. soll Prävention betrieben werden. Das bedeutet, dass schon VOR dem Entstehen von Suchtanzeichen aufgeklärt und informiert wird. Gerade, wenn ein Mensch neu zu einer legalen Droge kommt, hilft es doch, wenn ein im Umgang erfahrener Mensch warnt und Hinweise zum verantwortungsvollen Umgang gibt. Genau wie bei Alkohol und Tabak sollte jedem Erwachsenen bewusst sein, dass der Konsum schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Aktuell scheint aufgrund Unwissenheit die Angst vor Cannabis zu groß und das Gefahrenpotential von Alkohol und Tabak als zu gering bewertet zu werden. Wenn dem Präventionsbeauftragten Verdachtsfälle begegnen wird eine Zusammenarbeit mit Fachleuten der örtlichen Suchtberatungsstelle anvisiert.

Ortenau Journal: Spielt der Kinder- und Jugendschutz in ihrer Präventionsarbeit eine Rolle ?

Vorstand: Bisher schließen wir eine Vereinsmitgliedschaft für unter 21 Jährige aus, weil wir befürchten, dass Cannabis an unter 18 Jährige weitergegebene werden könnte. Mit dem Einbeziehen dieser Altersgruppe geht aus unserer Sicht eine besondere Verantwortung einher, der wir uns erst nach ausführlicher Beratung und Vorbereitung und nicht gleich im ersten Jahr stellen möchten. Uns ist aber bewusst, dass jungen Erwachsenen so unter Umständen nur der Zugang über den Schwarzmarkt bleibt. Im Übrigen werden Mitglieder natürlich auf einen verantwortungsvollen Umgang und auf Ihre Vorbildfunktion in Haushalten mit jungen Menschen aufmerksam gemacht.

Interview: Gita Finkenbeiner

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