Von Wolfgang Huber
Es ist die Zeit der Generationenwechsel in der CDU Ortenau. Nach dem Ende der Ära Schäuble im Bundestagswahlkreis Offenburg übernahm sein Ziehsohn Johannes Rothenberger dessen Mandat in Berlin. Und im Landtagswahlkreis Kehl löst nun eine wesentlich jüngere Kandidatin den langjährigen Platzhirschen und Alphatier Willi Stächele ab, so viel sei schon mal verraten. Stächele erklärte vor einigen Wochen seinen Verzicht auf eine weitere Legislaturperiode in Stuttgart.
Neue Gelassenheit
Beide, Nachfolger und Nachfolgerin, müssen erst noch in ihre neue Rolle hineinwachsen. Johannes Rothenberger, der als CDU-Kreisvorsitzender die Wahlkreiskonferenz eröffnete, wirkt schon deutlich souveräner als im September 2024. Die anfängliche Last, die ihm bei seiner Nominierung anzumerken war, ist einer gewissen Entschlossenheit und Gelassenheit gewichen. Die ersten Wochen in Berlin haben ihm scheinbar gut getan. Und auch Dr. Katrin Merkel wird sich sicher schnell in der Landespolitik zurecht finden.
So endet in wenigen Monaten also eine 33-jährige Ära. Dann nämlich, wenn Willi Stächele aus dem Landtag ausscheidet. Seit Freitag Abend steht nun seine potenzielle Nachfolgerin fest: Die CDU-Mitglieder im Wahlkreis Kehl nominierten Dr. Katrin Merkel in der Stadthalle Renchen als Landtagskandidatin. Die 43-jährige Pharmazeutin setzte sich klar gegen ihren Kontrahenten Dr. Steffen Wagner durch. Dabei erhielt sie 57,1 Prozent bzw. 93 von 163 Stimmen der an diesem Abend Stimmberechtigten. Beide Anwärter auf die Stächele-Nachfolge kommen aus Kappelrodeck. Zum Zweitkandidaten wählte die Versammlung Manuel Spang aus Achern.
Nichts Neues in Lahr und Offenburg
Bereits in den vergangenen Wochen hatte die CDU im Wahlkreis Lahr die amtierende Justizministerin des Landes Baden-Württemberg, Marion Gentges mit 100 Prozent Zustimmung als Kandidatin für die Landtagswahl 2026 nominiert. Nichts Neues hatte die Partei auch aus dem Wahlkreis Offenburg zu vermelden. Dort nominierten die Mitglieder den langjährigen Abgeordneten und Staatssekretär Volker Schebesta als Kandidaten für eine weitere Legislaturperiode, sofern er vom Souverän gelassen wird. Bei der Nominierung erhielt dieser allerdings „nur“ 86 Prozent, trotz des Umstandes, dass es keinen Gegenkandidaten gab.
„Nach der Wahl ist vor der Wahl“, begann Katrin Merkel ihre Vorstellungsrede. Damit wies sie auf die drei Wahlkämpfe hin, die sie nacheinander seit einem Jahr absolviert hatte bzw. noch wird. Bei der Kommunalwahl im Juni 2024 wurde sie in den Kappler Gemeinderat gewählt, danach half sie ihrem CDU-Kreisvorsitzenden Johannes Rothenberger dabei, das Bundestagsmandat zu erringen, nun steht sie selbst wieder zur Wahl.
10 Jahre in der Kommunalpolitik
Katrin Merkel hatte an diesem Abend alles in die Waagschale geworfen, was ihr zur Verfügung steht. Ihre 20 Jahre Berufserfahrung als Pharmazeutin mit ihrer Promotion 2010, ihr Job als Studienrätin an den beruflichen Schulen Achern, die 10 Jahre Erfahrung in der Kommunalpolitik, als Elternbeirat oder Übungsleiterin beim Turnverein: all das gebe ihr das Rüstzeug, den Wahlkreis im kommenden Stuttgarter Landtag, der am 6. März 2024 gewählt wird, wirksam zu vertreten.
Mit ruhiger und fester Stimme erklärt sie den versammelten Mitgliedern, worauf es ihr ankommt. Entscheidend sei die Bürgernähe. „Ich will mit Empathie das Beste für die Bürger erreichen.“ Auch ihren Beruf übe sie seit 2005 mit Leidenschaft und Empathie aus. Für die Menschen setzt sich die dreifache Mutter und Älteste von vier Geschwistern auf vielfältige Weise ein. So könnte neben ihrem souveränen Auftritt vor allem ihr langjähriges Engagement in der Pfarrgemeinde entscheidend dazu beigetragen haben, dass sie sich schließlich gegen Steffen Wagner durchsetzte.
Fachkräftemangel das Lieblingsthema
Für ihre künftige Arbeit in der Landespolitik setzt Merkel jedoch andere Schwerpunkte. So sei der Fachkräftemangel ihr „allergrößtes Lieblingsthema“: „Jedes Jahr schließen 70 Apotheken im Land. Die Kunden in der Alten Apotheke Kappelrodeck kommen teilweise schon aus Calw. 1.000 Hausarztstellen sind nicht besetzt,“ schildert sie die Ausgangslage. Es gelte, eine wohnortnahe ärztliche Versorgung sicherzustellen. So müsse das sogenannte Landarztmodell ausgeweitet werden. Bei dem Programm werden 75 Studenten mit Ausbildung, aber ohne Einser-Schnitt zum medizinischen Studium zugelassen. Merkel: „Das reicht aber nicht.“
Als Pharmazeutin weiß Katrin Merkel natürlich, wie man eine wirksame Medizin aus verschiedenen Wirkstoffen zusammenstellt. Ihr Mittel der Wahl gegen die zunehmende Gewalt, die Drogenkriminalität und den Vandalismus an Schulen und im öffentlichen Raum ist ein funktionierender, handlungsfähiger Rechtsstaat. Es gehe ihr auch um das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger. Ihr dritter Schwerpunkt ist die Landwirtschaft. Hier gelte es, für verlässliche Regularien zu sorgen, die nicht alle zwei Jahre „über den Haufen geworfen werden“, wie Katrin Merkel gegenüber dem Ortenau Journal erklärt. Merkel: „Es braucht langfristige Lösungen. Und wir müssen über den Mindestlohn reden.“ Mit dem Thema Mindestlohn hat die Union schon immer gefremdelt. Wir werden das weiter beobachten.
Noch ganz am Anfang
Im Vergleich zum bisherigen CDU-Vertreter im Wahlkreis, dem Politik-Routinier Willi Stächele, kommt nun mit Merkel ein ganz anderer Politikertypus zum Zug. Während Stächele nach 50 Jahren in der Politik mit allen Wassern gewaschen ist, den nichts aus der Ruhe bringen kann und über ein umfassendes Netzwerk in ganz Europa verfügt, steht Merkel fast noch ganz am Anfang. Auch wenn sie bereits seit ein paar Jahren im Gemeinderat mitwirkt. Aber Kappelrodeck ist nicht Stuttgart oder Berlin.
Nicht zuletzt fällt an Katrin Merkel ihre zierliche Statur sowie ihre herzliche, natürliche und bescheidene Art auf. Man nimmt ihr spontan ab, wenn sie etwa sagt: „Ich bin ganz aufgeregt. Das ist ja mein erstes Live-Interview.“ Dafür machte sie es dann sehr sachlich und wohlüberlegt. Vielleicht kommt da eine Abgeordnete als Vertreterin einer neuen Generation von Politikern, die Macht nicht um ihrer selbst Willen anstrebt, sondern um glaubhaft die besten Lösungen für die Menschen – immer auf Basis gefestigter Überzeugungen – umzusetzen sucht.
Unverbrauchtes Politikertalent
Außerdem steht es der männerdominierten CDU gut zu Gesicht, ein weibliches, aber vor allem unverbrauchtes Politikertalent mit an vorderster Linie im Ländle zu haben. Es sind nämlich die eingefahrenen, ritualisierten, immer wiederkehrenden Abläufe, an den Bedürfnissen der Menschen vorbei, ohne echte Veränderungen oder Problemlösungen, die Menschen sich zunehmend von der herkömmlichen Politik abwenden lassen.
Hinzu kommt der Umstand, dass einige Parteien den Staat längst als ihr Eigentum betrachten, in dem man sich nach Belieben bedienen und Positionen nach Parteibuch vergeben kann. Man denke an die Beförderungsexzesse seit dem Bruch der Ampel. So wurden alleine in den Ministerien von Svenja Schulze und Hubertus Heil sowie im Kanzleramt von Olaf Scholz (allesamt SPD) nicht weniger als 56 Beamte befördert, was ihnen einen gehörigen Einkommensschub einbrachte. Und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) habe seit Oktober 2024 nicht weniger als 38 Spitzenbeamte befördert, wie die „Frankfurter Rundschau“ berichtet. Diese als „Operation Abendsonne“ bekannte Praxis sei jedoch eine gängige Methode scheidender Regierungen.
„Den Gürtel enger schnalle“
Doch das heißt nicht, dass dies und vieles andere auch einfach so weiterbetrieben werden kann, wenn künftig wieder CDU-Politiker die Ministerien leiten. Oder um es mit den Worten von Steffen Wagner zu sagen und um wieder zurück zur Landespolitik zu kommen: „Wir müssen den Gürtel enger schnallen.“ Bleibt zu hoffen, dass Dr. Katrin Merkel ihren Grundsätzen treu bleibt, wogegen im Augenblick aber nichts spricht.
Über ihren Widersacher bei dieser Nominierung, Steffen Wagner, weiß sie Gutes zu berichten. So sei der Dozent an der pädagogischen Hochschule Karlsruhe und ehemalige Forstarbeiter und Fallschrimjäger, im Vorwahlkampf immer fair gewesen. Der Mann der Renchener Bürgermeisterin, Stephanie Bartsch sei ein guter Kandidat mit eigenen Kompetenzen gewesen, weshalb sie vorher nicht habe einschätzen können, wie das Ganze ausgeht.
Andere Weltordnung
Der von Johannes Rothenberger verabschiedete Willi Stächele hat in seiner Karriere so einiges durchlaufen, erst Recht nach seiner Zeit als Bürgermeister von Oberkirch. Er sitzt seit 1992 im Stuttgarter Landtag, war unter anderem Staatssekretär im Kabinettsrang, Mitglied des Bundesrates und hatte verschiedene Ministerämter inne – unter anderem das Finanzressort – und war auch Landtagspräsident. In die Kritik geriet Stächele wegen seiner Rolle beim sogenannten EnBW-Deal unter Ministerpräsident Stefan Mappus, als dem Land ein Schaden in Milliardenhöhe entstand.
„Banken und Finanzkrisen gab es schon immer. Doch nun verändert sich die Weltordnung. Man muss den Menschen offen die Fakten auf den Tisch legen“, sagt Willi Stächele bei seiner Schlussrede während der Stimmenauszählung. „Jetzt muss erst Recht Zuversicht her.“ Die USA seien unter Trump nicht mehr die transatlantische Weltpolizei, dies sei alles zusammengebrochen. Die Antwort müsse ein starkes und geeintes Europa sein. Zu aller Überraschung lobt Stächele dann noch die Grünen: „Sie haben den Begriff der Zusätzlichkeit ins Spiel gebracht.“ Gemeint ist, dass die Investitionen, die mit dem Sondervermögen getätigt werden, in sinnvolle zusätzliche Projekte, beispielsweise in Technologie und Forschung fließen müssten.
„Aufgabe der CDU“
Nicht zuletzt weist der scheidende Abgeordnete Stächele auf die Notwendigkeit der Wiederbelebung der Wehrpflicht hin. „Wir dachten, es gibt ewigen Frieden. Jetzt müssen wir nachholen, was wir versäumt haben. Ängste bringen uns nicht weiter. Das ist die Aufgabe der CDU.“
So ist es dann auch das zunächst über allem anderen stehende Ziel von Katrin Merkel, die Scharte von Stächele bei der Landtagswahl 2021 auszuwetzen, als dieser gegen Bernd Mettenleiter das Direktmandat einbüßte. „Es ist unser erklärtes Ziel, dass wir den Wahlkreis wieder für die CDU zurückholen. Und ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das schaffen können“, wie sie gegenüber dem Ortenau Journal erklärt. Als junge, frische Kandidatin bringe sie viele neue Ideen mit. Und sie sei engagiert. Das sind zumindest gute Voraussetzungen.
Foto: Die frisch nominierte Landtagskandidatin Dr. Katrin Merkel nimmt Glückwünsche entgegen.
Siehe auch hier:
Landtagswahl 2026: Diese drei Kandidat/innen schicken die Ortenauer Grünen ins Rennen
Kreismitgliederversammlung: FDP Ortenau stellt Weichen für die Landtagswahl 2026
GenZ: Das sagen die Kreisvorsitzenden von Julis (FDP) und Die Linke zur Schuldenbremse
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