Im März startet der ehemalige Bundesvorsitzende der AfD, Jörg Meuthen, mit den Vorlesungen in Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Kehl für Verwaltungswissenschaften. Im Wintersemester soll dann noch Finanzwissenschaften hinzu kommen. Das Beschäftigungsverhältnis von Professor Dr. Meuthen mit der Hochschule Kehl war seit 2016 durch Beurlaubung unterbrochen. Kritische Stimmen seitens der Studierenden habe es laut einer Sprecherin der Hochschule nicht gegeben.
Europapolitisch stehe Meuthen für ein starkes und offenes Europa. Einer der Gründe für Meuthen, die AfD zu verlassen, habe darin gelegen, dass die AfD gesagt hat: „Wir wollen aus der Europäischen Union raus.“ Die AfD sei wirtschaftspolitisch blank, wie er im Interview mit dem Ortenau Journal sagt. Schließlich erklärt er, was er unter einer konservativ-freiheitlichen Zeitenwende versteht.
Interview von Wolfgang Huber
Ortenau Journal: Sie sind seit September Mitglied der WerteUnion. Wollen oder werden Sie in dieser Partei eine tragende Rolle übernehmen, oder widerspräche das dem Mäßigungsgebot?
Jörg Meuthen: Das widerspricht dem Mäßigungsgebot nicht, soweit ich nicht in meinem dienstlichen Bereich politisch aktiv werde. Ich achte akribisch darauf, das nicht zu tun. Ich bin schon stellvertretender Vorsitzender der WerteUnion. Etwas anderes strebe ich auch nicht an. Wir hatten im November einen Bundesparteitag, wo ich gewählt wurde.
Ortenau Journal: Ihre Partei, die WerteUnion, tritt nicht als Gesamtpartei bei der Bundestagswahl 2025 an. Es heißt, die Partei habe nicht die strukturellen und finanziellen Voraussetzungen dafür. Wie sehen Sie die Zukunft der WerteUnion?
Jörg Meuthen: Wir werden diese Voraussetzungen schaffen. Die Bundestagswahl kam jetzt sehr schnell. Uns gibt es als Partei erst seit Februar 2024 und haben in der Fläche einfach noch nicht die Organisationsstrukturen und Kreisverbände. Wir haben auch die finanziellen Mittel noch nicht, um einen Wahlkampf zu bestreiten. Daran arbeiten wir. Wir gründen zur Zeit nahezu jede Woche neue Kreisverbände. Wir werden erst 2026 in der Lage sein, alle Wahlen, also Landtagswahlen, Bundestagswahlen oder Europawahlen, zu bestreiten. Das ist ein Marathon, kein Sprint.
Ortenau Journal: Die CDU fährt mittlerweile einen strikten Kurs in der Migrationspolitik. Wären Sie nicht besser in der CDU aufgehoben?
Jörg Meuthen: Ich sag es mal so: Wenn die CDU zu ihren freiheitlich-konservativen Werten stünde, dann gäbe es gar keine WerteUnion als eine Ausgründung aus der CDU. Das tut sie aber nicht. Die Entscheidungen, die Herr Merz im Bundestag suchte, halte ich für völlig richtig. Es ist ein Bruch mit dem Merkelismus und wenn sie diese Linie fahren, dann ist das für mich in diesem Politikfeld völlig konsistent, was die CDU macht. Sie paktiert aber, und das darf man nicht übersehen, in etlichen Bundesländern mit den Grünen, zum Teil auch völlig ohne Not, wenn wir das Beispiel Schleswig-Holstein nehmen. Herr Günther hätte auch durchaus mit der FDP koalieren können, hat aber die Grünen vorgezogen. Da können sie sehen, dass die CDU keine klare Abgrenzung nach links hat. Man sollte aber auch nach rechts eine Abgrenzung haben. Man kann zur Union leider kein Vertrauen haben. In Lippenbekenntnissen ist vieles richtig, wie bei anderen auch. Aber wie heißt es so schön: An ihren Taten sollt ihr sie messen. Das sieht vielfach anders aus, als die wohlgesetzten Worte.
Ortenau Journal: Was verstehen Sie unter einer konservativ-freiheitlichen Zeitenwende?
Jörg Meuthen: Ich komme aus dem freiheitlichen Denken heraus und setze sehr stark auf Eigenverantwortung anstatt auf den Vollversorgungsstaat. Konservativ-freiheitlich ist für mich dezidiert antisozialistisch. Konservativ zu sein sind eigentlich elementare Werte: Ehrlichkeit, Anstand, Korrektheit, Fleiß, anständige Umgangsformen, Recht und Ordnung wahren, Verstöße hart sanktionieren. Freiheitlich ist für mich, Schluss zu machen mit staatlicher Vollkasko. Das Bürgergeld ist für mich Irrsinn. Wir brauchen Sozialpolitik – so ist die soziale Marktwirtschaft auch gedacht – als subsidiäre Hilfe des Staates für Menschen in echten Notlagen, nicht mehr. Und daraus eine Vollversorgungsmentalität zu machen, in dem man sich einfach ins Bürgergeld fallen lässt, in dem man sich zum Teil, je nach Konstellation sogar besser stellt, als wenn man arbeiten geht, das kann es nicht sein. Also wir dürfen keine Alimentierung von selbstgewählter Beschäftigungslosigkeit haben. Das ist für mich konservativ-freiheitlich.
Ortenau Journal: Die Hochschule Kehl hat mir geschrieben, dass die Hochschule mit ihrer Nähe zu Straßburg natürlich für ein offenes und starkes Europas steht. Wie ist Ihre Haltung zur EU und zu Europa?
Jörg Meuthen: Genau dazu stehe ich auch. Nun habe ich ja meine eigenen Erfahrungen mit der Europäischen Union gemacht, weil ich als Europaabgeordneter sieben Jahre dort gearbeitet habe. Ich kritisiere sehr viel an der bestehenden Europapolitik. Die Linie, die Frau von der Leyen, sie ist übrigens CDU-Mitglied, fährt, halte ich für fatal. Ich bin entschiedener Gegner eine Besteuerungsoption der EU und ich bin erst recht Gegner einer Schuldenoption. Das wird alles mittlerweile vorangetrieben in Brüssel und Straßburg. Ich halte das für grundfalsch. Aber die Kritik in einzelnen Bereichen führt nicht zu einer Fundamentalopposition. Einer der Gründe für mich, die AfD zu verlassen, lag darin, dass die AfD gesagt hat: „Wir wollen aus der Europäischen Union raus.“ Das halte ich für blanken Irrsinn. Meine Position ist die, dass die EU reformiert und verschlankt und auf ihren eigentlichen Kern reduziert werden muss. Ein Ausstieg aus der EU wäre politisch und ökonomisch fatal. Der Binnenmarkt würde zusammenbrechen und das würde Deutschland bis ins Mark erschüttern.
Ortenau Journal: Sie sind Wirtschaftsexperte, u. a. als Professor für Volkswirtschaft. Welche politischen Maßnahmen wären aus Ihrer Sicht nötig, um die deutsche Wirtschaft aus der Krise zu führen?
Jörg Meuthen: Da kann ich Ihnen jetzt wenig überraschende Positionen nennen. Im Grunde genommen liegt alles auf dem Tisch. Man muss den Unternehmen nur mal zuhören. Wo drückt Euch der Schuh? Im Regelfall wird es im Gespräch mit Unternehmern klar. Wir brauchen grundlastfähige Energie zu international wettbewerbsfähigen Preisen. Wir haben vielfach höhere Energiepreise als beispielsweise die Vereinigten Staaten. Das geht so nicht. Das heißt, wir müssen die Energiepolitik von Herrn Habeck komplett korrigieren. Das ist alles falsch, was aus dem Hause Habeck kommt. Punkt zwei: Wir sollten eine vernünftige Umwelt- und Naturschutzpolitik machen. Die Idee einer Klimaschutzpolitik, wie die Rot-Grünen das befürworten, führt zum Niedergang, und wird die vorhandenen umweltpolitischen Probleme noch nicht einmal lösen. Dritter Punkt: Die Abgabenlasten und Steuern sind in Deutschland durchgängig zu hoch. Nicht nur für Haushalte, sondern auch für Unternehmen. Wir haben international mit die höchste Unternehmensbesteuerung. Das führt dazu, dass unsere Unternehmen abwandern. Sei es mit Betriebsstätten, sei es das ganze Unternehmen. Ich sehe das immer wieder, wie sich hier Leute verabschieden und sagen: „Das ist einfach kein guter Produktionsstandort mehr.“ Wir müssen vernünftige Produktionsbedingungen schaffen. Dazu gehört auch, das ist der letzte Punkt, die Bereitschaft, Gesetze abzuschaffen, zu entbürokratisieren, anstatt ständig neue Gesetze zu schaffen. Das vertrete ich nicht singulär. Das Lieferkettengesetz zum Beispiel. Wenn wir damit ernst machen, in der allgemein bekannten deutschen Gründlichkeit, dann werden wir uns nur weiter ruinieren, während andere prosperieren. Das bringt nichts. Und auch diese unglaublichen Dokumentationspflichten, die den Unternehmen auferlegt werden, sind kontraproduktiv. Also wir brauchen niedrigere Abgabenlasten, Entbürokratisierung und eine vernünftige Energiepolitik. Das sind die großen Punkte, die ich immer wieder höre. Das muss man machen, aber nicht nur in Sonntagsreden, sondern in praktischer Politik.
Ortenau Journal: Der Schwäbischen Zeitung haben Sie im Oktober gesagt, die AfD werde sich entzaubern, da wirtschaftliche Themen derzeit sehr wichtig sind. Wo sehen Sie das Problem bei der Wirtschaftspolitik der AfD?
Jörg Meuthen: Dass die keine Ahnung haben. Das ist vielleicht zu salopp. Ich sag es mal so: Die Ökonomen haben die AfD verlassen: Das fing an mit Professor Lucke, dann Professor Starbatty, Professor Kruse, Professor Henkel und schließlich auch ich. Die Ökonomen sind alle gegangen und das Wort, das da heute geführt wird, ist ein anderes, als das was Frau Weidel vermittelt. Frau Weidel gibt sich ja gerne als freiheitlich-libertär. Aber man muss nur schauen, wo der Spin herkommt. Und der kommt in der AfD aus den Ost-Landesverbänden. Die nennen ihr Wirtschaftsprogramm „solidarischen Patriotismus“. Man muss Leuten wie Björn Höcke nur mal zuhören, was die wirklich im Sinn haben. Das ist keine Entstaatlichung und keine Entbürokratisierung, das ist eine andere Art von völkischem Sozialismus. Und das darf nicht geschehen. Das heißt, die sind wirklich wirtschaftspolitisch blank. Die haben ja nahezu keine Ökonomen mehr in der Partei. Das liegt daran, dass das Migrationsthema alles dominiert in der AfD. Das wirtschaftliche Thema, aus dem diese Partei mal entstanden ist 2013, als ich auch beigetreten bin, das aus der Eurokrise heraus entstanden ist, ist völlig in den Hintergrund getreten. Das interessiert da keinen Menschen mehr.
Ortenau Journal: Was für Konsequenzen hat der Vorstoß von Friedrich Merz im Bundestag für den laufenden Wahlkampf?
Jörg Meuthen: Das ist sehr interessant für den jetzigen Wahlkampf. So richtig das für mich ist, was die CDU da gerade im Bundestag tut, so problematisch ist es, dass dadurch die Migrationspolitik zum Kernwahlkampfthema wird. Das spielt der AfD sehr in die Karten. Anstatt dass man einen Wirtschaftswahlkampf macht – da drückt den Leuten der Schuh eigentlich noch mehr als bei der Migration –, das würde der Union in die Karten spielen. Und mit Herrn Linnemann und Frau Connemann haben die wirtschaftspolitisch durchaus gute Leute in ihren Reihen. Das ist jetzt ein thematischer Schwenk, der mehr der AfD nützt, als der Union.
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