Windenergie im Wald Teil 2

IHK und Greenpeace zu Hummelsebene: „Finger weg von Laubmischwäldern“

Windpark
© Windpark Südliche Ortenau
Es ist wohl eines der emotionalsten Themen in der Ortenau derzeit und dürfte uns als solches noch länger erhalten bleiben: Der geplante „Windpark Hummelsebene“ sowie der Ausbau in Waldgebieten des Schwarzwalds generell. Scheinbar unversöhnlich stehen sich Naturschützer und Ausbaubefürworter gegenüber. Greenpeace, die IHK Arnsberg und der Schwarzwaldverein warnen jedenfalls vor irreversiblen Schäden für das Ökosystem. Ein behutsameres Vorgehen scheint nötig.

Von Wolfgang Huber

Auslöser für die jüngste Aufregung war der inzwischen legendäre Spatenstich der direkten Projektgemeinden Oberkirch und Durbach sowie der Stadtwerke Oberkirch auf der Hummelsebene. Die Gegner des Windparks starteten eine Medienoffensive, um ihrem Unmut über die „Fake-Veranstaltung“ Luft zu verschaffen. Sie argumentierten, dass noch gar nicht alle Genehmigungen vorlägen und schon deshalb ein Baubeginn gar nicht möglich sei. Dazu gab es Leserbriefe, Berichte und Interviews in allen relevanten Ortenauer Medien.

Sensibles Ökosystem

Doch die Frage, ob und welche Genehmigungen aufgrund welches Gutachtens erteilt wurden oder nicht und ob die laufende Klage der Anwohnerin Jenny Haas vom Gasthaus „Hummelswälder Hof“ nun aufschiebende Wirkung hat oder nicht, soll nicht Gegenstand dieses Berichts sein. Über diese Punkte wurde bereits ausgiebig berichtet. Das Ortenau Journal hat sich vielmehr mit Gegnern der Windenergie in Waldgebieten unterhalten und genau hingehört. Was ist nun dran an ihren Argumenten? In der 2. Folge unserer Serie „Windenergie im Wald“ kümmern wir uns um die Frage nach den Auswirkungen von Windparks auf das sensible Ökosystem des Schwarzwalds.

Grundsätzlich sind die Windparkgegner in der Mehrzahl durchaus Befürworter der Windenergie als solche. „Windräder, die in der Fläche gebaut werden, sind kein Problem. Das begrüßen wir sogar. Sie sind die Zukunft der Energieversorgung. Allerdings nicht in Waldgebieten“, sagt etwa Michaela Winkler aus Durbach. Man könne zehn von den „Dingern“ beispielsweise auf der Hornisgrinde aufstellen, da dort der Wald längst bereits gerodet sei. Im sensiblen Ökosystem von Waldgebieten hingegen würden sie einen erhebliche Schaden verursachen. Die Gesundheit von Mensch und Tier würden angegriffen.

Warnung von Greenpeace

Nicht umsonst gebe es zahlreiche Gutachten, vom Artenschutz über Fledermäuse bis zu Schattenwurf- und Schallgutachten sei alles dabei. Ihr Mann, Karlheinz „Charly“ Winkler bezweifelt, dass es bei der Erstellung dieser Gutachten mit rechten Dingen zugeht. Das wird sich auf die Schnelle nicht zweifelsfrei klären lassen. Zu komplex ist der Dschungel an Gesetzten, Vorschriften und Zuständigkeiten.

Laut dem Pressesprecher des Ortenaukreises, Kai Hockenjos, handelt es sich bei der Fläche, die auf der Hummelsebene gerodet werden soll, um einen Laubmischwald. „Zwei Drittel von den ca. 2 Hektar sind mit ca. 1,3 Hektar Nadelbaumbestände und ein Mischbestand überwiegend und mit ca. 0,6 Hektar Laubbaumbestände“, so Hockenjos. Zur möglichen Errichtung von Windrädern in Laubmischwäldern und die Folgen für die gewachsene Kulturlandschaft und das Ökosystem des Schwarzwalds hat nicht nur Greenpeace Deutschland eine klare Haltung. „Auf keinen Fall darf ein Windpark in einen intakten Wald gebaut werden. Wo es bereits große Schäden, etwa durch Borkenkäferbefall gibt, kann man sich das ja noch überlegen. Aber es schwächt auch dort die Artenvielfalt und schädigt das Ökosystem. Da muss man andere Flächen finden“, erklärt Miryam Nadkarni, Pressesprecherin für die Waldwende bei Greenpeace Deutschland, auf Anfrage des Ortenau Journals.

Doch auch in bereits geschädigten Waldgebieten sollten eher keine Windparks gebaut werden, fährt sie fort. Nicht mal in Monokulturen. Wenn man die Klimakrise halbwegs in den Griff bekommen wolle, brauche es so viel Wald wie möglich. Nadkarni: „Der Wald kann sich auch wieder erholen. Wir dürfen ihn deshalb nicht weiter schwächen. Deshalb: Finger weg von Laubmischwäldern! Auch wenn Windenergie die Zukunft ist. Aber woanders.“

Warnung der IHK Arnsberg

Im Laufe der Jahrhunderte seien auch die ganzen Laubmischwälder abgeholzt und durch Fichten- und Kiefer-Monokulturen ersetzt worden. Dadurch sei die Artenvielfalt geringer und die Bäume anfällige für Dürren und den Borkenkäfer. Ein Laubmischwald sei ein wertvolles Ökosystem. Da wurde massiv eingegriffen. „Wir müssen quasi Back to the Roots“, so Nadkarni weiter.

Doch Greenpeace steht mit dieser Aussage nicht alleine da. Der Geschäftsbereichsleiter der IHK Arnsberg warnt in einem Papier zu einer entsprechenden Studie der IHK bezüglich der Auswirkungen von Windenergieanlagen in Waldgebieten auf den Tourismus ebenfalls davor, Laubmischwälder als Standorte auszuwählen: „Die Interessen von Windkraft und Tourismus sind vereinbar, wenn bei der Standortwahl nach dem Prinzip des geringsten Eingriffs in den Landschaftsraum verfahren wird“, erläutert IHK-Geschäftsbereichsleiter Thomas Frye. Intakte Waldflächen, allen voran die Laub- und Mischwälder, sollten windkraftfrei bleiben. Stattdessen gelte es, dem Windkraft-Ausbau auf Freiflächen in der offenen Landschaft, auf unbewaldeten Höhenzügen und eben auf den Wald-Schadensflächen im wahrsten Sinne des Wortes Raum zu geben.

Kritik des Schwarzwaldvereins

Doch damit nicht genug. Auch der Schwarzwaldverein mit Sitz in Freiburg äußert sich kritisch gegenüber den vom Regionalverband Südlicher Oberrhein ausgewiesenen Vorrangflächen für den massiven Ausbau von Windenergie im Schwarzwald. In einer Stellungnahme der Präsidenten Meinrad Joos zur Offenlage der Teilfortschreibung „Windenergie“ Regionalplan Südlicher Oberrhein, die auf einem Positionspapier des Vorstands des Schwarzwaldvereins basiert, heißt es: „Die für alle Regionalplan-Fortschreibungen einheitliche Vorgabe von 1,8 Prozent Vorrangflächen für Windkraft führt im Planungsgebiet zu einer überproportionalen Inanspruchnahme von Waldflächen, häufig dazu in topografisch schwierigem Gelände.“

Weiter weist der Schwarzwaldverein auf „erhebliche bis sehr erhebliche negative Umweltauswirkungen“ hin: „Nur 13 von 183 voruntersuchten Vorranggebieten (ca. 7 %) sind in der Gesamtbewertung als unerheblich eingestuft.“ Das Schutzgut Landschaft sei nach dem Umweltbericht in der weit überwiegenden Mehrzahl der Gebietsvorschläge erheblich bis sehr erheblich beeinträchtigt. Es drohe sogar die Aberkennung der Zertifikate für Fernwanderwege und lokalen Premium-Wanderwege infolge von technischer Überformung, verbunden mit erheblichen Risiken für die touristische Attraktivität und Wertschöpfung ganzer Regionen.

„Kein Verhältnis zum Ertrag“

Dem Teilaspekt des Einflusses von Windparks auf den Tourismus widmen wir eine eigene Folge unserer Serie. In erster Linie geht es dem Schwarzwaldverein in dem Papier nicht nur um das Landschaftsbild, sondern auch um das Ökosystem Schwarzwald. So heißt es weiter: „Würden alle Vorranggebiete in unmittelbarer bis mittelbarer Nähe zu Vogelschutzgebieten und Wanderkorridoren verwirklicht, wären diese Schutzkulissen in ihrer Funktion massiv beeinträchtigt.“ Auch bei der Frage der Erschließung, Topografie und Bodenschutz stünde in den meisten Fällen die mit dem Eingriff verbundene Naturzerstörung in keinem Verhältnis zum Ertrag der Windstrom-Erzeugung.

Bei Bergmassiven und Kammlagen spricht der Schwarzwaldverein von unverhältnismäßigen und irreversible Eingriffen für Bauflächen, Zuwegung und Stromableitung. Die abschließend in der Stellungnahme gemachten Vorschläge zur Priorisierung enthalten u. a. die Forderungen, Kleinflächen unter 10 ha zwecks Vermeidung einer „dispersiven Verteilung“ sowie Vorranggebiete in unzerschnittenen Räumen aufzugeben.

Vorschläge zur Priorisierung

Meinrad Joos weist auch in einer weiteren Stellungnahme für den Regionalplan Hochrhein-Bodensee auf den massiven Windenergieausbau in Waldgebieten vor allem im grün-regierten Baden-Württemberg hin. So gelte die überproportionale Inanspruchnahme von Waldflächen für den gesamten Schwarzwald, was zur Folge habe, dass Baden-Württemberg im Bundesvergleich bei der Dominanz von Windenergieanlagen in Waldgebieten eine Spitzenstellung einnehmen werde. Die Strategische Umweltprüfung zur Teilfortschreibung attestiere fast allen Standortvorschlägen im Planungsgebiet „erhebliche bis sehr erhebliche negative Umweltauswirkungen.“

Die Stellungnahme zeigt von deren Anfang bis Ende, dass der Ausbau der Windkraft im größten Teil von Waldgebieten des Schwarzwalds grundsätzlich in Frage zu stellen ist. „Die Strategische Umweltprüfung kommt selbst zu dem Schluss, dass 20 von insgesamt 53 Vorranggebieten (38 %) zu „sehr erheblichen“ Beeinträchtigungen für Tiere, Pflanzen und biologische Vielfalt führen. Für weitere 15 Gebiete ist die Konfliktlage als „erheblich“ eingestuft. Neben den Schäden in mittelbarer Nähe zu Vogelschutzgebieten und Wanderwegen werden auch die Zerschneidungen angeführt, die vor allem für den genetischen Austausch zwischen verinselten Auerhuhn-Populationen kontraproduktiv sei. Auch dieses Papier schließt mit Vorschlägen zur Priorisierung. So seien u. a. „alle Flächen, bei denen erhebliche Konflikte mit den Schutzgütern Landschaft und Artenvielfalt zusammentreffen, aus der Planung zu streichen.“

Irreversible Schäden

So zeigen die eindringlichen Warnungen von Umweltverbänden, IHK und Schwarzwaldverein vor dem Bau von Windrädern insbesondere in Laubmischwäldern, dass bei deren Missachtung mit irreversiblen Schäden im gesamten, sensiblen Ökosystem Schwarzwald zu rechnen ist. Und zwar generell und unabhängig davon, ob alle vom Schwarzwaldverein genannten Kriterien Eins zu Eins auf den geplanten Windpark Hummelsebene zutreffen. Bei möglichen Ausbauflächen wie der Rheinebene oder an der Küste werden die ökologischen Schäden nämlich als weitaus geringer eingestuft.

Die Pläne für den massiven Ausbau spiegeln den politischen Willen für den Windkraftausbau der Bundes- und insbesondere der Landesregierung wider. Jeweils mit grüner Beteiligung. Nach dem Ende der Ampel-Koalition ändert sich mit der Bundestagswahl 2025 und der Landtagswahl in Baden-Württemberg 2026 mit den Mehrheitsverhältnissen möglicherweise auch die Strategie des über den Naturschutz gestellten Ziels des Ausbaus zugunsten einer etwaigen Reduktion von CO2-Emmissionen. Letzteres ließe sich möglicherweise auch ohne massive Eingriffe und die Schädigung der Kulturlandschaft Schwarzwald erreichen.

In einer der nächsten Folgen der Serie „Windenergie im Wald“ behandeln wir die Frage nach den Auswirkungen des Windkraftausbaus auf den Tourismus des Schwarzwalds sowie die Frage nach der Wirtschaftlichkeit und der finanziellen Hintergründe bei derartigen Projekten.

Siehe auch:

„Wir im Ortenaukreis stehen zur Windenergie an sinnvollen Standorten“

Hummelsebene: „Überall werden Bürger entmündigt… und hinters Licht geführt“

Windpark Hummelsebene bringt weiteren Schub für die Energiewende

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