Umrahmt vom Mantelsonntag herrschte im Rathausinnenhof den ganzen Tag über reges Treiben. Dort fand nämlich der erste Hanfmarkt Deutschlands unter dem Motto „Hanf – mehr als nur Kiffen“ statt. Auf Initiative von Oberbürgermeister Gregor Bühler organisierte ein Team um den Oberkircher Manuel Wiegert sowie Tobias Pietsch und Daniel Biehl vom Hanfverband Freiburg mit viel Engagement ein buntes Angebot an Ständen, Vorträgen und einer Konsum-Area.
Hanf als Nutzpflanze
Seit Jahren hatten Aktivisten wie Manuel Wiegert und Verbände für eine Freigabe von Cannabis gekämpft. Jahrzehntelang wurde versucht, Vorurteile und Desinformation mit Argumenten zu widerlegen. Mit dem Inkrafttreten des seit dem 1. April geltenden Cannabis-Gesetzes ist der Traum für Millionen von Konsumenten nun Realität geworden, keine Angst mehr vor strafrechtlicher Verfolgung haben zu müssen.
Doch beim Hanfmarkt in Oberkirch ging es nicht in erster Linie um das Kiffen, wie das Motto schon suggeriert. Vielmehr sollten die Menschen die Möglichkeit bekommen, sich sachlich und fundiert über die Vorzüge von Hanf als Nutzpflanze zu informieren. Die Palette an Einsatzmöglichkeiten ist lang. Sie reicht von Kosmetik, Ernährung oder Accessoires bis zu Ölen und Kleidung. Wie Tobias Pietsch vom Hanfverband beim Pressegespräch mit OB Bühler anmerkte, werden weltweit bereits rund 50.000 Produkte aus Hanf hergestellt. Vertreten waren neben dem Hanfverband Freiburg selbst die Unternehmen hanfnah, Cannabioderm Naturkosmetik, Der Hanfzwerg, die Ölmühle Walz, BAFA Neu GmbH, Stefan Kruse + Löwenherz, Lakeside Valley Distillery, VONbLÜTE, Graveda und Dab-in Dab-out.
Schmerzlinderung bei Schwerstkranken
Durch die jahrzehntelange Prohibition wurde auch die Anwendung von Hanf im Bereich Gesundheit behindert. Doch längst gibt es Anbieter, die Patienten beratend zur Steite stehen. „Wir begleiten den Patienten zum Arzt, wir begleiten ihn zu Fragen der Bürokratie, der Kostenübernahme oder bei Anträgen. Wir helfen auch dabei, einen Medikamentenplan aufzustellen“, erläutert Stefan Kruse, Sachverständiger für Cannabis-Medikation bei SK Solutions. Die Wirkungen der Pflanze sind unter anderem bei schweren Erkrankungen wie Krebs, Multiple Skerose, ADHS oder Epilepsie gefragt. So wirkt Hanf beispielsweise bei der Schmerzlinderung oder der Entzündungshemmung. Dabei werde Cannabis in Kombination mit anderen Medikamenten wie Fentanyl oder Tilidin eingesetzt, wodurch die Dosen gesenkt werden könnten.
Laut Kruse baut SK Solutions derzeit ein deutschlandweites Beratungsunternehmen auf. Auch beim Hanfmarkt waren die Beraterqualitäten von Stefan Kruse gefragt: „Hier sehe ich den Vorteil, dass die Menschen fragen, in die Diskussion kommen. Manche sind zufällig hier. Und die informieren sich über Cannabis, über Hanf, auch als Medizin.“ Es sei positiv, dass es die Gelegenheit gebe, aufzuklären. Der Bedarf ist offenbar groß. So sei die Besucherfrequenz den ganzen Tag über hoch gewesen, zeigt sich Kruse begeistert: „Es ist toll, wie es angenommen wird. Es ist ja die erste Veranstaltung in diesem Rahmen seit der Legalisierung.“
Steigender Absatz bei Nutzhanf
Die Universalpflanze Hanf kann laut Uwe Bührer von der BAFA Neu GmbH in Malsch auch in der Baubranche, der Kosmetikindustrie, der Papierindustrie, beim Automobilbau oder im Lebensmittelbereich eingesetzt werden. Bafa sehe sich dabei als Mittler zwischen den Landwirten und der Industrie. „Wir betrachten den Hanf holistisch, d. h. wir produzieren Saatgut, organisieren den Anbau, helfen bei der Ernte und der Weiterverarbeitung.“ Bührer hofft, dass mit der Legalisierung von Cannabis auch das Thema Nutzhanf einen Schub bekommt, auch wenn sich von der Gesetzeslage her in seinem Bereich erstmal nichts geändert habe. Einen steigenden Absatz könne man bei BAFA bereits feststellen. Die Sensibilisierung habe zugenommen.
Auch Bührer zieht kurz vor Ende des Hanfmarkts eine positive Bilanz: „Wir finden das sensationell, dass es zum ersten Mal die Gelegenheit gibt, offen und ehrlich mit dem Thema umzugehen. Man kann jetzt dazu beitragen, das Bewusstsein in der Bevölkerung zu wecken und darüber aufklären, was man alles Gute aus Hanf machen kann.“ Die Resonanz an diesem Sonntag sei hervorragend gewesen. Das Wissen über die Nutzpflanze Hanf sei in der breiten Bevölkerung noch nicht sehr ausgeprägt.
Positives Fazit
Der Hanfmarkt-Organisator Manuel Wiegert, der auch beim Stand des Hanfverbandes Freiburg über die neue Gesetzeslage beim THC-haltigen Cannabis informiert hat, zeigt sich mit dem Andrang ebenfalls zufrieden. „Ich muss ehrlich sagen: ich hätte mit mehr Kritikern der Legalisierung gerechnet. Stattdessen habe ich viele Leute mit einem Lächeln und einem Staunen gesehen.“ Nicht zuletzt durch die vielen Vorträge auf der Bühne habe man den Auftrag, Vorurteile abzubauen und zu informieren, vollständig erfüllt.
Die Besucherzahl könne er nicht genau beziffern. Der Markt sei über den ganzen Tag gut gefüllt gewesen. Er gehe aber von mindestens 3.000 Besuchern aus. „Es waren wohl so zwischen 3.000 und 5.000 Leute da. Manche sind nur mal kurz durchgelaufen, andere haben sich alle Stände angeschaut“, zieht er Bilanz. Selbstverständlich sei für ihn gewesen, dass auf dem Markt nicht gekifft werde. Schließlich sollten auch Eltern mit ihren Kindern bedenkenlos über den Platz gehen können, ohne Gefahr zu laufen, passiv mitzurauchen. Und in dem eigens eingerichteten Konsumraum im Garten des s´freche hus habe es Alterskontrollen gegeben. Die „Kiffer-Area“ sei ebenfalls gut besucht gewesen. „Ich bin gespannt, ob wir alle pünktlich rausbekommen um 18 Uhr.“
Wolfgang Huber
Foto: Ein Novum neben dem Hanfmarkt selbst war auch die Wahl zur 1. Deutschen Hanfkönigin. Veranstalter Manuel Wiegert überreichte Hanna Höller zu ihrer Wahl einen Blumenstrauß.
Siehe auch:
Auf Initiative vom OB: Stadt unterstützt ersten Oberkircher Hanfmarkt-Organisator
„Wir brauchen einen sachlichen Diskurs zur Cannabis-Legalisierung“
Ödsbacher Straße 6
77704 Oberkirch
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