Exklusiv-Interview „Myvelo Pro Cycling-Team“

Myvelo Pro Cycling-Team: Der steile Weg nach oben

Fahrer des Myvelo Pro Cycling-Teams
© Myvelo
Das Myvelo Pro Cycling Team aus Oberkirch ist das erste Profi-Radrennsportteam in der Ortenau. Im Interview sprechen die Gründer Vincent Augustin und Fabian Huber über den Verlauf ihrer Auftaktsaison mit ersten sportlichen Erfolgen. Das große Ziel bleibt der Aufstieg in die World Tour, um bei der Tour de France starten zu können. Doch dazu brauchen sie finanzkräftige Sponsoren.

Fabian Huber und Vincent Augustin sind nicht nur Geschäftspartner, sondern auch beste Freunde. Sie teilen die Leidenschaft zum Radsport. Gemeinsam haben die beiden Athleten 2023 das „Myvelo Pro Cycling Team“ in Oberkirch gegründet, wo sie auch selbst aktiv mitfahren. Im Interview mit dem „Ortenau Journal“ sprechen sie über die Vorbereitung für das erste Etappenrennen in Transylvanien, dieersten Erfolge im Frühjahr 2024 bei Klassikern wie dem „Circuit de Wallonie“, die Wichtigkeit einer guten Altersstrukturf für die Entwicklung und die mittel- bis langfristigen Ziele. So streben die beiden Rennsport-Enthusiasten mit ihrem Team den Aufstieg in die World Tour an, um bei den ganz große Rennen wie der Tour de France oder dem Giro d´Italia antreten zu dürfen. Doch bis dahin gibt es noch viel zu tun. Bei dem Interview war auch der Team-Betreuer Armin Machmer dabei. Machmer ist der ehemalige Pressesprecher des früheren EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz.

Ortenau Journal: Bisher haben sie mit ihrem Team Myvelo Pro Cycling nur Tagesrennen absolviert. Das erste Etappenrennen steht am 6. Juli mit der Sibiu Cycling Tour in Transylvanien. Ist ihr Team dafür gut vorbereitet?

Vincent Augustin: Ja. Die Hälfte der Fahrer kommt jetzt gerade aus dem Höhentrainingslager oder dem Höhenzelt. So wie auch die World Tour-Fahrer. Die machen richtige Höhenkette. Durch den niedrigeren Sauerstoffgehalt in der Höhe wird im Körper eine Notsituation ausgelöst und es werden mehr Blutkörperchen produziert. Kurz Epo. Früher haben sich Fahrer das gespritzt, heute kann man das legal machen durch Höhentraining.

Ortenau Journal: Kam der dritte Platz von Jakob Schmidt beim „TC Ticino“ in der Schweiz überraschend?

Vincent Augustin: Das war das erste Rennen. Da fährt man immer etwas ins Blaue rein. Wir wussten, dass er richtig gut in Form ist. Er kam aus zwei Trainingslagern. Erst zwei Wochen mit uns auf Teneriffa, dann in Spanien auf dem Festland. Am Anfang muss man sich immer erst sortieren. Man schaut, wo man steht und wie gut die anderen drauf sind. Radsport hat nicht nur was mit Leistungswerten zu tun. Sondern auch damit, wie ein Rennen gefahren wird. Man muss mit Auge fahren und schauen, dass man sich richtig positionieren kann. Also Radsport besteht mindestens zur Hälfte auch aus Köpfchen.

Ortenau Journal: Bei „La Roue Tourangelle“ haben sie (Fabian Huber) sich das Schlüsselbein gebrochen. Wie läuft die Genesung?

Fabian Huber: Zunächst mal ist sowas immer ein Totalausfall. Aber es ist jetzt eigentlich gut zusammengewachsen. Im Training funktioniert es auch soweit. Aber bei „La Roue Tourangelle“, da waren fünf oder sechs World Tour-Teams am Start. Da sind wir eh schon im Grenzbereich und es ist schon hart, da wieder reinzukommen.

Ortenau Journal: Sie fahren öfter gegen World Tour-Teams. Kann ihr Team mit denen schon einigermaßen mithalten?

Fabian Huber: Teilweise funktioniert es schon ganz gut. Wir hatten beim „Circuit de Wallonie“ mit Tim Loderer einen Fahrer auf Platz 24. Das ist schon richtig gut. Er war dabei auch einer der ersten KT-Fahrer. Also es geht schon. Aber man muss schon sehen, dass das Niveau da sehr hoch ist. Wir sind dran, den Kader etwas widerstandsfähiger zu gestalten. Aber für das erste Jahr ist das schon richtig gut.

Ortenau Journal: Sie fahren eine offensive Rennstrategie, was sich auch im Radrennen „Rund um Schönaich“ zeigte. Wollen sie daran festhalten?

Fabian Huber: Definitiv ja. „Rund um Schönaich“ ist ja mehr ein nationales Rennen. Da sind wir in der Lage, dem Rennen unseren Stempel aufzudrücken. Da ist es um einiges einfacher, als bei einem World Tour-Rennen.

Ortenau Journal: Beim Rennen „Arno Wallaard Memorial“ in den Niederlanden gab es keine Top-Platzierung. Auch beim „Circuit de Wallonie“ reichte es nicht für die Spitzengruppe. Betrachten Sie das als Rückschläge oder sind solche Ergebnisse auf dem Weg in die World Tour eingepreist?

Fabian Huber: Ein Rückschlag ist so etwas nicht. Schlussendlich hat es bei „La Tourangelle“ gleich richtig gut geklappt. Da war der Lukas Baldinger in der Spitzengruppe und es gab richtig TV-Sendezeit. Wenn man sich die Startlisten anschaut, das ist gleich die richtig große Radsportbühne mit UC 1.1-Rennen. Das ist quasi World Tour-Niveau. Aber es ist KT-Teams möglich, da mitzufahren. Das heißt aber, dass die KT-Teams dort nicht rennentscheidend sind. Deshalb kann man nicht erwarten, jedes mal in die Spitzengruppe reinzukommen. Versucht hatten wir es.

Vincent Augustin: Beim „Circuit“ ist Timon Loderer tatsächlich mit der Spitzengruppe ins Ziel gekommen. Da hat eine 30- bis 35-Mann-Gruppe versucht, um den Sieg zu fahren. Wenn man dann sieht, dass der belgische Meister Arnaud de Lie – und man weiß, wie schwer es ist in Belgien, wo nur überragende Profis am Start sind – das Ding macht und er noch seinen „Lotto“-Zug (Team „Lotto Dstny“. Anm. d. Red.) dabei hat, dann hast du es als KT-Fahrer, als Einzelkämpfer natürlich schwer. Da ist es schon richtig stark, ins Ziel zu kommen. Und dass er dann nicht um den Sieg mit sprintet, ist klar. Er war aber bester deutscher Fahrer in der Spitzengruppe. Da war beispielsweise der ehemalige Deutsche Meister Pascal Ackermann dabei, der jetzt für die Tour de France nominiert ist. Den hat er abgehängt.

Ortenau Journal: Belgien ist die Nummer Eins Radrennsport-Nation überhaupt.

Vincent Augustin: Ja, Belgien ist quasi das Mutterland des Radsports. Definitv. Und da ist es für einen Außenstehenden nicht leicht zu erkennen, dass der 25. Platz ein richtig gutes Ergebnis war. Allein schon die Fahrweise, sich in der ersten Gruppe zu zeigen und sich nicht zu verstecken, das war schon grandios.

Armin Machmer: Also ich war bei dem Rennen im Begleitfahrzeug dabei. Wir haben beispielsweise die Ersatzräder dabei. Aber der Moment, als wir mit dem Team-Car den Pascal Ackermann überholt haben, da bin ich schier ausgeflippt. Ich hab das dann über Funk weitergegeben. Timon ist dann nur zwei Plätze an den ersten Weltcup-Punkten vorbeigeschlittert. Das war ein Erfolg, mit dem wir anfangs nicht gerechnet hatten. Das war ein Moment der Motivation für das ganze Team. Der „Circuit de Wallonie“ war auch das erste Rennen, wo wir nicht im Regen gefahren sind. Da wurde es richtig warm.

Ortenau Journal: Haben Miron Lipp und Georg Krause den Umstieg vom Mountainbike auf die Straße gut hinbekommen?

Vincent Augustin: Ja, es ist aber ein Prozess, der immer noch andauert. Es sind halt viele Dinge anders, als im Mountainbike-Sport. Die Erfahrung kommt von Rennen zu Rennen. Und es wird merklich immer besser. Im Wald bist du halt meistens ein Einzelkämpfer. Das ist eine Art langes Zeitfahren bis ins Ziel. Auf der Straße musst du dich im Feld bewegen können. Die Gegebenheiten sind auch völlig anders. Da gibt es viel zu lernen. Da hast du ein Feld von 170 Fahren, von denen jeder unter die ersten Zehn kommen will. Das schafft auch ein World Tour-Fahrer nicht immer. Aber die Entwicklung geht nach oben.

Ortenau Journal: Wird es beim Scouting Veränderungen geben oder setzen sie weiterhin auf talentierte Nachwuchsfahrer?

Vincent Augustin: Der Mix ist entscheidend. Es braucht auch erfahrene Fahrer. Das ist das Gleiche wie bei einem Fußball-Team. Da geht es nicht nur um die Leistungsdaten. Die Älteren müssen den Jungen im Rennen zeigen, was zu tun ist. Die Jungen brauchen Orientierung.

Armin Machmer: Die Jungen brauchen nicht nur im Rennen die Orientierung, sondern auch im Privaten. Die Jungs fühlen sich hier aufgehoben. Einige kommen aus Ost- oder Norddeutschland, einer aus Bayern. Es braucht ein intaktes Umfeld. Und wir haben hier viele Helfer vor Ort, wo die beispielsweise übernachten können. Auch die soziale und psychologische Betreuung gehören dazu. Das bekommen die hier geboten. Das haben Fabian und Vincent gut drauf.

Ortenau Journal: Das ist auch wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung.

Armin Machmer: Und auch für den inneren Zusammenhalt. Dass die Jungs fühlen: Wir sind ein Team. Auch wenn es da noch Verbesserungspotenzial gibt.

Ortenau Journal: Gibt es bereits eine Wildcard für die Deutschland Tour?

Fabian Huber: Tatsächlich wurden die Startplätze für die KT-Teams nochmal reduziert. Da werden dann die etablierten Teams genommen. Dann gibt es ein rotierendes Prinzip und es gibt Teams, die schon fünf Jahre drauf warten

Ortenau Journal: Aber ausgeschlossen ist es nicht, dass es irgendwann passieren wird.

Fabian Huber: Ich würde sogar sagen, dass es irgendwann definitiv soweit ist.

Ortenau Journal: Wie realistisch ist die Teilnahme an der World Tour? Wovon hängt das ab?

Fabian Huber: Es hängt hauptsächlich vom Budget ab. Dazu brauchen wir noch einen Großsponsor oder einen Hauptsponsor. Dann geht es mit der Verpflichtung von Fahrern einher, die schon UCI-Punkte haben. Darüber formiert sich die World Tour. Es gibt 19 oder 20 World Tour-Teams. Davon sind zwei immer am absteigen und zwei steigen auf. Es hängt mit den UCI-Punkten zusammen, die man sammelt. Man sieht es gerade bei „Lotto Dstny“. Die sind in Turbulenzen geraten und haben auf die großen Klassiker wie den „Giro“ (Giro d´Italia. Anm. d. Red.) verzichtet um bei den 1.1-Klassikern wieder mehr Punkte zu sammeln, um wieder aufzusteigen.

Vincent Augustin: Die haben sie dann auch fast alle gewonnen mit Arnaud de Lie. Das zwei Kategorien Continental Team und Pro Continental-Team kann man mit Geld erreichen. Für die World Tour braucht man dann die UCI-Punkte. Alle großen Rennen wie die Tour de France oder der Giro vergeben Wildcards. Die laden dann immer zusätzlich zwei attraktive Pro Continental-Teams ein. Wir haben schon dieses Jahr geschafft, dass wir einen kompletten UCI-Rennkalender mit den ganzen 1.1-Rennen haben. Das ist fast schon ein Pro Continental- oder World Tour-Kalender mit Ausnahme des „Giro“ oder der Tour de France.

Fabian Huber: Das ist keineswegs selbstverständlich, als neues Continental-Team schon im Frühjahr bei Klassikern wie „La Roue Tourangelle“ mitfahren zu dürfen. Das haben wir ein gutes Marketing gemacht und den Veranstaltern mit Präsentationen näher gebracht, was unsere Idee, was der Spirit ist, wo die Reise hingehen soll. Das fanden die spannend.

Vincent Augustin: Bei den Rennen in Frankreich und Belgien sind nicht nur die nationalen Fernsehsender mit drauf, weil dort der Radsport Nationalsport ist, sondern auch Eurosport und Discovery Plus. Da konnten wir uns ja schon eindrucksvoll im TV zeigen.

Ortenau Journal: Gab es da schon gewisse Branding-Effekte, die auf das Kerngeschäft von Myvelo, den Online-Fahrradverkauf, ausgestrahlt haben?

Vincent Augustin: Also in der Szene denke ich schon. Wer sich etwas mit dem Radsport befasst, der sieht schon, dass es da jetzt so ein Team gibt. Das ist natürlich für uns als Marke, für das Standing, wahnsinnig wichtig. Das ist ein organisch wachsender Prozess.

Ortenau Journal: Welche Summe investieren Sie jetzt in der Auftaktsaison mit ihrer Firma in das Team?

Fabian Huber: Marcel Wüst, ein sehr erfolgreicher Ex-Profi, war beim Rennen „Rund um Köln“ auch Co-Kommentator. Der hat es eigentlich perfekt auf den Punkt gebracht. Für ein Continental-Team braucht es ein sechsstelliges Budget, für ein Pro Continental-Team ein siebenstelliges Budget und für ein World Tour-Team gibt es eigentlich keine Grenzen. Je mehr, desto besser. Es lässt mehr Raum für die Kaderzusammenstellung und das Team hinter dem Team. Je größer das Team im Hintergrund ist, desto einfacher haben es am Ende die Fahrer.

Vincent Augustin: Als wir im Trainingslager auf Teneriffa waren, haben wir einen Betreuer des Lidl-Trek-Teams kennengelernt. Da hat jeder Fahrer einen eigenen Betreuer. Der reist 180 Tage im Jahr mit dem durch die Weltgeschichte. Das Lidl-Trek-Team ist aber auch eines der größten und erfolgreichsten Teams der Welt. Die haben 130 Angestellte.

Fabian Huber: Heide Sahl, die war damals schon beim Team Telekom im Sportmarketing dabei, und hat jetzt bei Bora-Hansgrohe mitgewirkt. Die haben eine Analyse gemacht, bevor sie dann in den Radsport als Sponsor reingegangen sind, welche Sportart bietet am meisten. Da standen unter anderem die Vierschanzentournee, die Bundesliga, die zweite und dritte Liga zur Auswahl. Am Ende haben sie sich dann bewusst für den Radsport entschieden, weil die TV-Sendezeiten gigantisch hoch sind und das Ganze auch noch auf der internationalen Bühne. Der Werbewert hat enorm hervorgestochen.

Ortenau Journal: Welche Rolle spielt Martin Graf vom „s´Fässle“ in Oberkirch bei der Unterstützung des Teams?

Vinenct Augustin: Also der Kontakt ist zustande gekommen über den Yannick, den Sohn von Martin, der das „Fässle“ ja schon vor zwei, drei Jahren übernommen hat. Das ist zustande gekommen wie beim Armin auch. Yannick ist selber Triathlet und hat seinerzeit ein neues Rad gebraucht. Wir haben ihn dann mit unserem Feuer angesteckt. Und er ist dann quasi mit der Idee auf uns zugekommen, dass man da einen zentralen Anlaufpunkt hat. Die Fahrer wohnen verstreut in ganz Süddeutschland und für die Rennen trifft man sich. Die werden dann im „Fässle“ einquartiert, dort gibt es eine komplett eingerichtete Wohnung mit Küche und allem Drum und Dran. Das ist auch eine enorm wichtige soziale Komponente, zu wissen: Hey, ich hab da einen festen Platz. Da haben wir eine Anlaufstelle. Manchmal sind die auch zwischen den Rennen mal ein oder zwei Wochen da. Dementsprechend ist das die perfekte Grundlage.

Ortenau Journal: Wie beurteilen Sie den Arbeitsaufwand nach der ersten Saisonphase? Haben Sie es sich so vorgestellt und lässt es sich mit dem täglichen Geschäft der Fahrradverkaufs vereinbaren?

Fabian Huber: Es ist tatsächlich viel Arbeit. Aber jeder, der schon einmal ein Geschäft aufgebaut hat, weiß, dass es kein 9-to-5-Job ist. Das geht schon mal bis in die Nachtstunden und fängt morgens tendenziell zwei bis drei Stunden früher an. Aber wenn man ein Ziel vor Augen hat und den inneren Antrieb mitbringt, dann tut das zwar manchmal weh, aber nur so kann man die vorderen Positionen erreichen. Am Anfang muss man alles selber machen, aber wenn man mal eine gewisse Größe erreicht hat, kann man sich Unterstützung dazu holen.

Interview: Wolfgang Huber

https://myvelo.de/pages/myvelo-pro-cycling-team

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