Ortenauer Kulturgröße

Ruth Dilles im Porträt: Zwischen Feenzauber, Theater und Kommunalpolitik

Ruth Dilles
© Ruth Dilles
Sie ist Musikkabarettistin, Regisseurin, Sängerin, katholische Religionslehrerin, CDU-Kommunalpolitikerin und nicht zuletzt Intendantin des Theater der 2 Ufer in Kehl: Ruth Dilles. Das hoch dekorierte Multitalent inszeniert große Produktionen und pflegt nebenbei alte Bräuche. Am 3. August wird sie 65 Jahre alt. Im Porträt unseres Autors Jürgen Stark erfährt man u. a., wie sie zu einer Kulturgröße der Ortenau wurde, wie sie die Grünen heute sieht und was es mit dem „Wolfsmond“ auf sich hat.

Porträt von Jürgen Stark

Noch gar nicht lange her, da gab es großen Bahnhof für Ruth Dilles in der Festhalle Baden-Baden. Pünktlich zum Jahresende 2023 erhielt die Kehler Intendantin des Theaters der 2 Ufer den 39. Sonderorden für aktiv gelebte „Deutsch-Französische-Freundschaft“ des Deutsch-Französischen Carneval-Vereins Baden-Baden (DFCV). Frei nach dem programmatischen Motto „Deutsch-Französisches Theater – Das Tor zur Phantasie.“ Die Ehrung wurde in früheren Jahren schon dem ehemaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher und dem rheinland-pfälzischen Ex-Ministerpräsidenten Kurt Beck zuteil.

Unterschiedlichste Aktivitäten

Intendantin Ruth Dilles verbindet Phantasie auf vielen Ebenen mit sehr unterschiedlichen Aktivitäten: Musikkabarettistin, Regisseurin, Sängerin, katholische Religionslehrerin, CDU-Kommunalpolitikerin und noch viel mehr. Sie ist mit Andreas Dilles verheiratet. Der Oberstudienrat arbeitet als Dirigent, Multiinstrumentalist und Kirchenmusiker sowie als Musikpädagoge am Einstein Gymnasium in Kehl. Familie Dilles hat als Patchworkfamilie fünf Kinder sowie fünf Enkel – die Dame des Hauses wird in diesem Jahr am 3. August 65. Anlass genug für ein Porträt.

Als ich Ruth Dilles das erste Mal traf, endete das Gespräch mit folgendem Hinweis: „Ich muss jetzt los, hab noch einen Igel im Auto, der kommt mit zu mir zum Überwintern.“ Das war etwas ungewöhnlich, denn wir sprachen über Kunst und Theater, über eine Zusammenarbeit bei meiner musikalischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Die Zusammenarbeit begann, auch der Austausch mit illustren Freunden des Theaters der 2 Ufer, welches eine Art kreatives Zentrum ist.

Igelrettung im Winter

Es gehört zweifellos zu den vielen Talenten der Intendantin Ruth Dilles, musisch veranlagte Menschen an ihr Theater zu binden, die – so wie sie – Freidenker und Schöngeister sind. Doch lassen wir die Menschen vorerst zurück, kommen wir erstmal zu den Tieren. Die Rettung von Igeln in den kalten Wintermonaten ist für Ruth Dilles eine Verpflichtung. Zum Überwintern kommen diese in ihren Garten in Kehl-Sundheim, auf einen angrenzenden Streuobstgarten. „Ich habe da gerade wieder einen Igel übernommen, der hat da ein Gehege und ein Häusle.

Letztes Jahr hatte ich drei Igel. Die werden danach wieder ausgewildert.“ Neben einer Vielzahl von Aufgaben ist sie also auch aktive Tierschützerin. Die Igel, welche sie liebevoll durch eisige Wochen und dann durch deren geschützten Winterschlaf begleitet, sind offensichtlich von der außergewöhnlichen Person angetan: „Die kommen dann im Sommer noch zum Futtern immer mal wieder vorbei“, sagt sie. Sie hat übrigens noch fünf Katzen und ihren „Max“, einen voluminösen Australian Shepherd, den sie zu Treffen in Cafés oder Biergärten mitbringt – wo dieser dann den kompletten Raum unterm Tisch ausfüllt.

Bretter, die die Welt bedeuten

Man muss dieses voranstellen, denn es ist der Schlüssel zum Verständnis für Ruth Dilles, die ihre Ideale auf allen Ebenen lebt. Die gebürtige Offenburgerin, entdeckte Ende 20 den Traum vom Theater, von der Kunst auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Von 1991 bis 1994 studierte sie an der Freiburger Schauspielschule „KiEW“ bei Andrea Moll. Doch neben den Theaterträumen war sie auch Realistin, fürchtete sich vor einem wenig lukrativen Leben als „freischlafender Künstler“. Konsequent folgte daher parallel eine Ausbildung als katholische Religionspädagogin. Sicher ist sicher. Und: Hier war bereits kaufmännisches Denken neben Künste und Konzepte getreten, sie verfolgte beide Lebenslauflinien.

Es war übrigens auch kein Widerspruch, denn Ruth Dilles lebt nach den Geboten christlicher Nächstenliebe, achtet und verehrt die Schöpfung, geht lieber in den Wald als ins urbane Leben. Inspiration ist daher ein Schlüsselwort – und dieser folgt sie instinktiv, immer bis zum Ziel. Sie sammelte erste Erfahrungen am Badischen Staatstheater Karlsruhe und beim Tourneetheater Landgraf.

Der Kleinkunstpreis 2004

Doch Ruth Dilles folgte ihrer Sehnsucht, für das einfache Landleben und die vermeintliche Provinz schlug ihr Herz.“ So gelangte sie wieder in die Ortenau, engagierte sich in Offenburg für das Theater. In den 1990er-Jahren war das – ganz independent – Theater mit Amateuren. Schicksal kann Bestimmung sein. Sie lernte einen Mann kennen, Andreas Dilles, dessen künstlerische Neigungen perfekt zu ihren passte. Musiker und Musiklehrer am Kehler Einstein-Gymnasium, eine Wellenlänge.

Nach der Heirat 1997 zog Ruth Dilles nach Kehl. Sie wollte sich nun ausprobieren, machte Kabarett mit Profis, wurde Gründerin und Ideengeberin „Der Kapriziösen“, eine seinerzeit in der Ortenauer Kulturszene beliebte Formation. Doch 2002 wurden „Theo & die Feuerlilien“ der Meilenstein, gemeinsam mit Ensemble-Mitgliedern des Theaters Freiburg und ihrem Mann gelang der große Wurf. Fünf Revuen mit den „Feuerlilien“ gingen in ganz Süddeutschland auf Tournee, Musiktheater erwies sich als ihr großes Ding – bis heute. Für das kreative Werk gab es 2004 den Kleinkunstpreis, für sie und ihren Mann und zwei Mitstreiterinnen. Ruth Dilles wurde zum Begriff in der Theaterwelt am Rhein und im Südwesten.

Inspirierender Ort

Ihre Inszenierungen am eigenen „Theater der 2 Ufer“ glänzen mit Mischungen aus hauptberuflichen Schauspielern und Amateuren. Doch ihr Ensemble schaffte auch den Sprung ans andere Ufer. So etwa mit dem Straßburger Verein „A livre ouvert“, mit dem sie die legendäre „Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht auf die Bühne brachte. Auf die nunmehr eigene.

Ein Loft im gewerblichen Hinterhof inszeniert Theater mit dem Umfeld von alten Gebäuden, Rohren und Transportschienen. Etliche Krimi-Folgen der legendären „Jerry Cotton“-Reihe könnten hier spielen. In der Halle der „Alten Rösterei“, im Kehler Hafenareal, hat das Theater der 2 Ufer (der Name ist Programm) eine Location bester Art. Draußen wird im Sommer auf der Rampe Theater geboten, drinnen ist eine Atmosphäre wie einem Musikklub. Ihr Ensemble bekam an dem inspirierenden Ort eine feste Bleibe. „Je älter ich werde, desto mehr ziehe ich die Regie der Schauspielerei vor, wenn ich Regie führe, dann möchte ich nicht auf der Bühne stehen“, gab sie schon vor Jahren zu Protokoll.

Musical wie im Märchen

Das Programm weitete sich in den letzten Jahren immer weiter aus. Regie und Intendanz wurden immer dynamischer ausgeübt. Das führte zu „Badisch-elsässischen-deutsch-französischen“ Musik- und Poesie-Abenden, zu Mundart on stage mit Künstlern beiderseits des Rheins. Die großartigen Produktionen des Hauses, wie etwa zuletzt die überaus erfolgreiche Revue „My fair Lady“, wurden größer als Ruth’s Headquarter – ihre Theaterstücke wanderten auf Freilichtbühnen, an größere Spielstätten in Offenburg oder Kehl. Letztmals fand „My fair Lady“ vergangenen Sonntag in der Kehler Stadthalle den Weg auf die Bühnen – vor erneut ausverkaufter Halle mit an die 600 begeisterten Besuchern.

Hier ließ sich etwas ganz besonderes feststellen. Mastermind Andreas Dilles dirigierte beim Kehler Neujahrskonzert das “Ortenauer Theatersommer-Ereignis von 2023: MY FAIR LADY“, wie die Lokalpresse schrieb, das ausgezeichnete Kehler Kammerorchester. Das Besondere daran war von Beginn bis Ende ein fein getaktetes Schauspiel mit einer wohltemperierten Musik; alles schwebte in Ruhe und Harmonie. Es war ein Ereignis. Wer Musicals kennt, der weiß, dass diese gerne mit voluminösem Theaterdonner daher krachen, dass man bei Lautstärken gerne in die Spitzen geht. Hier war alles anders. Ein wenig wie im Märchen. Wenn hunderte von Schmetterlingen von der Bühne ins Publikum geflogen wären, hätte es vermutlich niemand gewundert. Es war eine laute Botschaft, leise serviert.

Kunst vom Himmel

Das Publikum klatschte und war sichtlich emotional ergriffen, aber es brüllte nicht, es wanderte mit hinein in diesen fantastischen Swing mit ewig wundervollen Hits, wie etwa das lustige „Es grünt so grün wenn Spaniens Blüten blühen.“ Der Abend war auch ein kleines „Familientreffen“ der Freunde des Theaters der 2 Ufer. Alle waren sich wieder einig. Das war der Spirit von Ruth und Andreas, zwei Menschen, die Kunst vom Himmel holen um sie anderen zu zeigen.

Erklärbar ist dieses Phänomen in einem ganz besonderen Menschenbild. Denn Ruth Dilles ist auch irgendwie eine Natur-Philosophin. Seelenruhig erklärt sie einem, warum man, wie jetzt gerade, vom „Wolfsmond“ spricht. „Weil indigene, nordamerikanische Völker diesen Begriff wählten, um zu beschreiben, wie sich in den Monaten der Eiseskälte bei Vollmond die Wölfe den Siedlungen der Menschen auf ihrer Nahrungssuche stets näherten.“

Erinnerung an alte Bräuche

Auf ihren Facebook-Accounts gibt es auch stets solche Hinweise, auch auf praktizierte Rituale im „Jahreskreis“, zu Wechseln der Jahreszeiten und anderen besonderen Momenten der Naturkunde, die den Normalbürgern meistens nicht mehr bekannt sind. Esoterik? Ruth Dilles lacht: „Nein, wir sind nicht abgefahren, sondern ganz normal.“ Wer ist wir? Es sind Frauen aus dem Raum Kehl, die sich bei Veranstaltungen wie den Mystischen Raunächten mit ihr und Katrin Bamberg treffen und Rituale feiern, was auf erwähnten Accounts dann immer mal wieder abgebildet wird. Das ist allerdings überhaupt nicht abgehoben sondern sogar ausdrücklich bodenständig, wie Ruth Dilles erklärt: „Wir treffen uns als Frauen, um unser natürliches, naturnahes Frausein zu erleben. Um mit allen Sinnen ganzheitliches Erleben zu pflegen. Wobei das auch Erinnerung an alte Bräuche ist, die früher als ganz normal galten. Das Räuchern etwa ist eine alte Praxis früherer Bauern.

Auch der Weihrauch in der katholischen Kirche kündet von diesem rituellen ‚Ausräuchern‘. Auf alte Bräuche rückbesinnen, auf dem Boden bleiben und immer wieder Poesie. Oder wie es Ruth Dilles erklärt: „Natur sinnlich wahrnehmen, achtsam damit umgehen, Verbindungen suchen.“ Ihre Liebe zur Natur führte sie auch zur Politik. Sie war Anhängerin der Grünen; gibt nun nachdenklich zu Protokoll, dass sie sich nun in kritischer Verantwortung sieht: „Wir haben die Grünen seinerzeit mit unserem Idealismus mit groß gemacht. Ich sehe mich daher mit verantwortlich.“

Umstrittene Corona-Maßnahmen

Verantwortlich mit massiver Kritik an den heutigen Grünen: „Sie haben sämtliche Ideale verraten und ins Gegenteil verkehrt, sie haben nichts mehr mit Umweltschutz zu tun, was viele leider immer noch glauben. Die Grünen sind eine Partei der Technokraten – man lese das Vermächtnis von Antje Vollmer!“ Viel Meinung aber auch viel Wissen, viel Kritik, gerade auch was die von ihr heftig kritisierten „willkürlichen Grundrechtseinschränkungen“ während der fragwürdigen Zeit der „Corona-Maßnahmen“ betraf. Kein Wunder also, dass Ruth Dilles von etlichen Seiten bei den jüngsten Kommunalwahlen zur Kandidatur gedrängt wurde. Listenverbindungen waren da das große Ding.

Politische Räume

An der Basis bekommt politisches Engagement ein neues Gewicht, in Teilen löst sich die längst überholte Links/Rechts-Gesäßgeographie in den politischen Räumen auf. Ruth Dilles entschied sich, ging auf die Liste der Kehler CDU – kam, sah und siegte. Im Kreistag ist sie zudem Fraktionsmitglied bei der Liste Lebenswerte Ortenau (LiLO). Mit Mandaten nun auch in der Politik.

Man muss nicht immer bei allem einer Meinung sein. Aber an einem Punkt gibt es keine zwei Meinungen, sondern nur eine Feststellung über Ruth Dilles: Eine Frau, die wirklich jeden ihrer Ansprüche, jede Überzeugung, jede künstlerische Leidenschaft und auch jeden Widerspruch dermaßen aktiv und offensiv, sowohl mutig als auch einfühlsam, auslebt, die ist extrem selten.

Ruth Dilles war übrigens unlängst auch Rednerin bei einer Friedensdemo gegen den Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Den Weltfrieden hat sie auch noch als Ziel auf ihrer Agenda.

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