Windenergie im Wald: Teil 6

Hornisgrinde-Investor Matthias Griebl: „Windkraftprojekte bergen beträchtliche Risiken“

Windrad auf der Hornisgrinde
© Manuel Glaser
Bereits Anfang der 90er-Jahre investierte die Familie von Matthias Griebl mit den ersten drei Windrädern auf der Hornisgrinde (Foto) erstmals in Windenergieprojekte. Es war eine Pionierleistung aus Überzeugung, wie der Unternehmer im Interview mit dem Ortenau Journal betont. Nun plant er eine weitere Anlage auf der Hornisgrinde sowie fünf an der B500. Griebl spricht außerdem über die Kritik an der Windkraft im Schwarzwald und die Risiken bei derartigen Investments.

Eigentlich ist Familie Griebl im Weinhandel unternehmerisch aktiv. Als seit den 80er-Jahren das zu erwartende Ausmaß des Klimawandels bekannt wurde, war der Vater von Matthias Griebl einer der Ersten, der sich mit dem Thema Energiewende befasste. Auf der Hornisgrinde (Foto) entstanden drei Windräder. Nun sollen weitere fünf Anlagen, vor allem an der B500 entstehen. Die Genehmigung für ein Windrad auf der Hornisgrinde ist diese Woche erteilt worden. Im Interview mit dem Ortenau Journal beantwortet Matthias Griebl Fragen zur modernen Anlagentechnik, den Eingriffen in die Natur und finanziellen Risiken bei Windenergieprojekten. Außerdem wirft er einen Blick auf die Kritikerszene.

Interview von Wolfgang Huber

Ortenau Journal: Die Energiewende ist für mich nicht erst seit ein paar Jahren ein Thema. Anfang der 90er Jahre war ich mit einer Juso-Gruppe auf der Hornisgrinde. Das wahrscheinlich erste Windrad in der Ortenau hatte uns elektrisiert. Wir glaubten damals, der Klimawandel ließe sich verhindern. Wie wir heute wissen, standen sie damals als Windenergie-Pionier dahinter. Was sind aus ihrer Sicht die wesentlichen Veränderungen seit 1994?

Matthias Griebl: Auf der Hornisgrinde standen damals tatsächlich drei Windräder – eine Initiative meines Vaters. Er war ein Pionier in der Windenergie und errichtete den ersten Windpark in Baden-Württemberg. Gemeinsam mit meinem Vater und meinem Bruder haben wir diesen Windpark als Familienunternehmen betrieben. Ursprünglich kommen wir aus einer ganz anderen Branche, dem Weinhandel. Doch zur Windenergie sind wir aus Überzeugung gelangt. Mein Vater war durch seine Tätigkeit im internationalen Weinhandel viel in der Welt unterwegs und hat dabei hautnah die Auswirkungen von Luftverschmutzung erlebt. Das hat ihn dazu bewegt, über nachhaltige Alternativen nachzudenken. Anfang der 1990er-Jahre war die Lage jedoch schwierig: Es gab kaum rechtliche Rahmenbedingungen. Erst das Energieeinspeisegesetz von 1991 schuf die Möglichkeit, als Privatperson überhaupt Strom ins Netz einzuspeisen. Doch der politische und gesellschaftliche Wille für eine Energiewende war damals gering. Die Atomlobby dominierte, und viele glaubten, die Atomkraft könne die Energieversorgung allein sichern. Ein breites Bewusstsein für den Klimawandel, wie wir es heute kennen, existierte nicht. In dieser Zeit wurden wir oft als Spinner abgetan. Ich selbst war gerade 19 Jahre alt, als ich mein erstes Windrad betrieb. Uns wurde erklärt, dass erneuerbare Energien niemals mehr als fünf Prozent der deutschen Stromversorgung decken könnten. Heute, mit über 60 Prozent im Jahresdurchschnitt, wissen wir, wie falsch diese Einschätzung war. Doch damals wollte man es nicht wahrhaben – und ähnliche Argumente hört man auch heute noch. Interessant ist, wie sich die Zeiten geändert haben: In den 1990er-Jahren dauerte die Planungs- und Genehmigungsphase für ein Windrad etwa zwei Jahre. Mein Vater erzählt das heute noch mit einem Schmunzeln. Für das zweite Windrad auf der Hornisgrinde, das wir kürzlich genehmigt bekommen haben, hat der Prozess ganze acht Jahre gedauert.

Ortenau Journal: Das heißt, die Planungs- und Genehmigungszeit war damals viel kürzer als heute?

Matthias Griebl: Ja, damals gab es deutlich weniger Auflagen und rechtliche Vorgaben. Dennoch war es in vielerlei Hinsicht schwieriger, vor allem politisch. Die gesellschaftliche Akzeptanz war gering, und die technischen Möglichkeiten waren bei weitem nicht so ausgereift wie heute. Die Windkraftanlagen von damals waren weniger leistungsfähig und deutlich weniger effizient, was den wirtschaftlichen Betrieb oft zu einer großen Herausforderung machte. Deshalb haben mein Vater und ich immer wieder betont: Es gibt Standorte, an denen es schlichtweg keinen Sinn macht, eine Windkraftanlage zu errichten.

Ortenau Journal: Sie sagten, sie seien kein Investor, sondern ein Überzeugungstäter. Wie haben sie sich ihren Enthusiasmus bis heute bewahrt?

Matthias Griebl: Wir engagieren uns seit über 30 Jahren aus Überzeugung für die Energiewende und sind davon überzeugt, dass Veränderung vor allem vor Ort beginnen muss. Wenn es nur um „Gewinnmaximierung“ ginge, wäre es einfacher in Norddeutschland oder z.B. Mecklenburg-Vorpommern große Windparks zu planen – das wäre oft sogar einfacher als hier auf der Hornisgrinde. Doch unser Ziel ist es, hier in der Region einen konkreten Beitrag zur Energiewende zu leisten. Das war auch der Ansatz meines Vaters, als er sich erstmals mit dem Thema Windenergie auseinandersetzte. Er gründete den Verein REM – Regenerative Energie Mittelbaden, in dem sich in den letzten 30 Jahren zahlreiche Menschen engagiert haben und viel erreicht wurde. Uns wurde klar: Man kann auch hier vor Ort viel bewirken. Mit der Hornisgrinde haben wir einen Standort mit außergewöhnlich guten Windverhältnissen direkt vor unserer Haustür. Zudem ist die Infrastruktur – Zufahrtswege und Stromleitungen – bereits vorhanden. Es wäre schlichtweg schade, dieses Potenzial nicht auszuschöpfen. Dank der günstigen Voraussetzungen können wir hier mit vergleichsweise geringen Eingriffen in die Natur erheblich zur Stromerzeugung beitragen und die regionale Energieversorgung nachhaltig stärken. Mit den beiden Windrädern – dem bestehenden und dem neuen – können wir rechnerisch den gesamten Strombedarf aller Haushalte der Stadt Achern im Jahresdurchschnitt decken. Das ist ein wichtiger Schritt für die Energiewende in unserer Region.

Ortenau Journal: Sie haben schon angesprochen, dass sie gestern die Genehmigung für ein zweites Windrad auf der Hornisgrinde erhalten haben. Gleichzeitig haben sie die Antragsformulare für die neuen Anlagen an der Schwarzwaldhochstraße beim Landratsamt eingereicht. Auf welcher Fläche sind die neun Windräder verteilt bzw. wie sind sie an der B500 angeordnet? Ist es ein zusammenhängender Windpark?

Matthias Griebl: Die geplanten Windkraftanlagen sind auf verschiedene Gemeinden entlang der B500 verteilt. Neben der Hornisgrinde-Anlage auf Gemarkung Sasbachwalden handelt es sich nur um weitere fünf Anlagen auf Gemarkung Seebach, Sasbach, Lauf und Ottersweier. Ursprünglich waren neun vorgesehen, davon vier auf Bühler Gemarkung. Diese vier Anlagen sollten gemeinsam vom E-Werk Mittelbaden und den Stadtwerken Bühl errichtet werden. Die Bauantragsunterlagen auch für diese sind bereits fast vollständig vorbereitet, und es könnte in Kürze mit dem Genehmigungsverfahren begonnen werden. Allerdings fehlt bisher das klare Signal der Stadt Bühl. Es gibt weder einen abgeschlossenen Pachtvertrag noch eine eindeutige Willenserklärung. Für die Anlagen auf den Gemarkungen Sasbach, Seebach, Lauf und Ottersweier haben wir die Unterlagen hingegen bereits zur Vorprüfung eingereicht. Sobald diese abgeschlossen ist, startet das Genehmigungsverfahren.

Ortenau Journal: Welcher Typ Windräder soll an der B500 gebaut werden?

Matthias Griebl: Wir planen derzeit mit den E175-Anlagen von Enercon. Auf der Hornisgrinde ist jedoch eine kleinere E115-Anlage vorgesehen. Die Zahl im Modellnamen gibt den Rotordurchmesser an: Die E175 hat einen Rotordurchmesser von 175 Metern und eine Nabenhöhe von 160 Metern, was eine Gesamthöhe von 247,5 Metern ergibt. Die E115-Anlage auf der Hornisgrinde wird hingegen mit einer Gesamthöhe von 179,5 Metern deutlich kleiner sein. Diese Anpassung erfolgte auf Wunsch der Nachbargemeinde Seebach und der Waldbaugenossenschaft Seebach, um deren Anliegen zu berücksichtigen.

Ortenau Journal: Wieviel Hektar Wald müssen für die fünf Anlagen und die Zuwegung insgesamt gerodet werden?

Matthias Griebl: Für die Anlage auf der Hornisgrinde muss kein Wald gerodet werden. Bei der Standortwahl entlang der B500 wurden mehrere Faktoren sorgfältig berücksichtigt. Ein entscheidendes Kriterium waren die ausgezeichneten Windverhältnisse, die an allen ausgewählten Standorten vorherrschen. Dabei war es uns besonders wichtig, einen anderen Ansatz zu verfolgen als der Regionalverband: Statt wahllos Flächen auszuwählen, die häufig unzureichende Windverhältnisse aufweisen oder zu nah an Siedlungen liegen, haben wir bewusst Standorte gewählt, die diesen Anforderungen gerecht werden. Die Standorte entlang der B500 bieten durch die Schwarzwaldhochstraße zudem eine hervorragende infrastrukturelle Anbindung. Dies ermöglicht uns, die benötigten Bauteile nahezu vollständig bis zu den Standorten zu transportieren. Lediglich für die letzte Zuwegung durch den Wald müssen relativ kurze Strecken erschlossen werden, wobei wir größtenteils bestehende Forstwege nutzen können. Diese müssen ausgebaut oder verbreitert werden. Für die Errichtung der Windkraftanlagen selbst müssen Flächen für Fundament, Kranstellfläche und Lagerfläche gerodet werden. Pro Windrad wird dafür etwa ein Hektar Fläche benötigt, wovon der größte Teil später wieder aufgeforstet oder renaturiert wird. Darüber hinaus werden im Rahmen der sogenannten Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen an anderer Stelle neue Waldflächen aufgeforstet, um die Eingriffe in die Natur auszugleichen.

Ortenau Journal: Früher waren die Anlagen 80 oder 90 Meter hoch. Die von ihnen mit der Windpark Hornisgrinde GmbH & Co. jetzt geplante Anlage ist nur 122 Meter hoch. Die neueste Generation der Windräder geht jedoch in Richtung 300 Meter. Das ist knapp die Höhe des Eiffelturms. Lässt sich das noch mit einem intakten Landschaftsbild vereinbaren?

Matthias Griebl: Die neuesten Anlagentypen, erreichen eine Gesamthöhe von etwa 250 Metern. Natürlich ist der Eingriff in das Landschaftsbild dabei nicht zu leugnen. Allerdings muss man sich die Standorte im Schwarzwald genauer ansehen: Aufgrund der gebirgigen Topografie sieht man oft gar nicht alle Anlagen gleichzeitig, da die Berge dazwischen liegen. Wir leben schließlich nicht im norddeutschen Flachland, wo man am Horizont 50 Windräder auf einmal sehen kann. Kritiker haben natürlich recht, wenn sie sagen, dass ein Windrad einen Eingriff in die Natur und das Landschaftsbild darstellt – das ist unbestreitbar. Für den einen mag das kein Problem sein, der andere empfindet es als störend. Aber eines darf man nicht vergessen: Ein Windrad steht nicht zum Selbstzweck da. Es erzeugt Strom, den wir alle brauchen. Wer gegen Windräder ist, muss sich die entscheidenden Frage stellen: Welche Alternative will man dann?

Ortenau Journal: Wie ist das finanzielle Risiko für Bürger einzuschätzen, die sich an der Windpark Energiegenossenschaft des E-Werk Mittelbaden beteiligen?

Matthias Griebl: Grundsätzlich ist keine Anlageform völlig risikofrei. Bei den bisherigen Projekten des E-Werks, an denen sich Menschen beteiligen konnten, waren die Ergebnisse jedoch durchweg positiv. Es handelt sich bei den Beteiligungen der Bürgerenergiegenossenschaft des E-Werk Mittelbaden um direkte Beteiligungen an Windenergieanlagen in der Region und nicht um Nachrangdarlehen. Das E-Werk ist ein regionales Unternehmen mit einem starken Bezug zur Region. Und es hat ein besonderes Interesse daran, das Vertrauen der Menschen vor Ort zu erhalten, denn diese sind nicht nur potenzielle Investoren, sondern auch ihre Stromkunden. Ein großer Vorteil ist, dass sich Interessierte erst dann an den Projekten beteiligen können, wenn die Anlagen bereits eine Zeit lang in Betrieb sind – vielleicht ein Jahr. Das ermöglicht es, den tatsächlichen Ertrag genauer einzuschätzen, bevor eine Beteiligung erfolgt. Diese Vorgehensweise bietet ein hohes Maß an Sicherheit, das man bei vielen anderen Projekten nicht hat.

Ortenau Journal: Es gibt noch viele Punkte, die Anlass zu sehr kritischer Prüfung geben. Stichworte gibt es genug: Dunkelflaute und Atomstromeinkäufe in Frankreich, Überproduktion mit Abschaltungen, etwaige Probleme für den Tourismus, das riskante Bürgerbeteiligungsmodell Nachrangdarlehen. Das sind ja reale Probleme und Risiken. Überwiegen da noch die Vorteile der aktuellen Windkraftstrategie?

Matthias Griebl: Ich habe mich intensiv mit den Argumenten der Windkraftgegner auseinandergesetzt. In Lauf gab es ein Bürgerbegehren, das von Kritikern angestoßen wurde und in dem sehr unterschiedliche Positionen vorgebracht wurden. Letztlich haben sich jedoch rund zwei Drittel für die Windkraft ausgesprochen. Rückblickend bin ich froh über diesen Bürgerentscheid, weil er uns ein klares Stimmungsbild vermittelt hat: Die meisten Menschen erkennen, dass die Vorteile die Nachteile überwiegen. Natürlich beeinträchtigen Windräder das Landschaftsbild, und bei zu geringem Abstand zu Wohngebieten kann man sie auch hören. Aber selbst wenn es noch weitere Gegenargumente gibt, so erweisen sich manche davon bei näherer Betrachtung als übertrieben oder basieren auf Halbwahrheiten. Beispielsweise hört man oft den Vorwurf, Windräder seien „Vogelschredder“. Auf der Hornisgrinde haben wir in 30 Jahren keinen einzigen dokumentierten Fall, bei dem ein Vogel mit unserer Anlage kollidiert wäre. Dennoch werden solche Behauptungen immer wieder aufgegriffen und emotional diskutiert. Ich war einmal bei einer Infoveranstaltung von Windenergiegegnern in Achern. Als „Vertreter“ der Windenergie kam ich dort kaum zu Wort. Der sachliche Austausch war schwierig, da die Stimmung schnell emotional und laut wurde. Wobei ich nicht alle Kritiker über einen Kamm scheren möchte. Manche Kritik kann ich durchaus nachvollziehen

Die genannten Aspekte – von Dunkelflauten über Stromimporte bis hin zu möglichen Auswirkungen auf Tourismus und der Frage nach passenden Finanzierungsmodellen – sind zweifellos echte Herausforderungen. Wir benötigen für eine verlässliche Energieversorgung einen ausgewogenen Mix aus unterschiedlichen Erneuerbaren Energien, Speichern und modernen Netzen. So lässt sich etwa ein kurzfristiger Ausfall durch Dunkelflauten ausgleichen, wenn gleichzeitig in anderen Regionen ausreichend Wind oder Sonne verfügbar ist oder wenn genügend Speicher- und Reservekapazitäten bereitstehen. Stromimporte aus dem Ausland – sei es Atomstrom oder anderer konventioneller Strom – stellen derzeit eine Übergangslösung dar, solange Deutschland seine Produktionskapazitäten ausbaut und das Netz erweitert. Auf lange Sicht geht der Trend jedoch klar dahin, mehr inländisch erzeugten Ökostrom zu nutzen, um unabhängiger zu werden. Der regionale Wirtschaftsfaktor ist oft beachtlich. Windkraftanlagen schaffen Arbeitsplätze, generieren Gewerbesteuereinnahmen und ermöglichen Beteiligungsmodelle vor Ort. Beim Thema Nachrangdarlehen besteht natürlich ein Risiko; gleichzeitig können Bürgerbeteiligungen aber ein wichtiger Pfeiler zur Finanzierung und Akzeptanz vor Ort sein. Hier gilt es, seriöse Konzepte zu prüfen und offen zu kommunizieren, dass jede Investition in Energieprojekte auch Risiken birgt. Was mögliche Tourismuseinbußen betrifft, hat die Praxis in einigen Regionen gezeigt, dass Windräder nicht zwangsläufig Touristen abschrecken. Oft sind sie sogar ein Zeichen für Klimaschutz und Zukunftsfähigkeit der Region, was durchaus positive Effekte haben kann. Auf der Hornisgrinde erleben wir oft, dass Familien mit Kindern zum Windrad wandern, um Ihren Kindern diese Form der Energieerzeugung zu zeigen, In der Summe überwiegen die Vorteile: Wir werden unabhängiger von Energieimporten, reduzieren die CO₂-Emissionen und schaffen zugleich eine stabile Stromversorgung, wenn die Energiewende ganzheitlich angegangen wird – mit Netzausbau, Speicherlösungen und intelligenten Reservekonzepten. Anstatt die Windkraft grundsätzlich infrage zu stellen, sollten wir die Herausforderung eines zukunftsorientierten Gesamtkonzepts beherzt angehen und erfolgreich meistern.

Ortenau Journal: Es reicht ja nicht, den heutigen Strombedarf des Landes zu decken. Für die Umsetzung der grünen Wasserstoffstrategie des Bundes werden künftig gigantische Mengen an CO2-freiem Strom benötigt. Wird deshalb in Baden-Württemberg so ein rasantes Tempo beim Ausbau hingelegt?

Matthias Griebl: Also das das Tempo hier so atemberaubend wäre, ist mir neu. Im 1. Halbjahr 2024 wurden 6 Anlagen in Baden-Württemberg genehmigt.

Ortenau Journal: Es sind etwa 45 Anlagen in Betrieb und weitere 17 wurden bereits genehmigt. Einige weitere sind in Planung. Alleine in der Ortenau.

Matthias Griebl: Die Ortenau steht im Vergleich zu anderen Landkreisen schon recht gut da. Dennoch ist Baden-Württemberg insgesamt noch immer Schlusslicht unter den Bundesländern, und in diesem Jahr sind wir kaum vorangekommen. Das Kernproblem ist, dass gerade in Bayern und Baden-Württemberg der größte Industriebedarf und somit der höchste Stromverbrauch liegt, während hier am wenigsten Strom produziert wird. Kritiker sagen dann oft: ‚Bauen wir doch einfach Stromleitungen, und lassen den Windstrom Offshore erzeugen. Aber das alleine wird nicht ausreichen. Wir brauchen möglichst viel eigene Energieerzeugung im Süden. Je breiter man Windkraftanlagen im Land verteilt, desto größer ist die Versorgungssicherheit, weil die Windverhältnisse regional sehr unterschiedlich sind. Ein gutes Beispiel ist die Hornisgrinde: Bei der letzten Dunkelflaute war unser Windrad eines der Wenigen, das weiterlief. Genau das zeigt, wie wichtig eine möglichst dezentrale Verteilung der Windenergie ist.

Ortenau Journal: In der heutigen Zeit geht nichts mehr ohne erwartbare Profite. Die Begrifflichkeit regionale Wertschöpfung wird inflationär gebraucht und es gibt verschiedenste Beteiligungs- und Anlageformen. Ist es für sie nachvollziehbar, dass das Thema Windkraft als gewinnbringende Möglichkeit so in den Mittelpunkt gerückt ist?

Matthias Griebl: Der Betrieb einer Windkraftanlage muss sich wirtschaftlich lohnen – sonst vergibt keine Bank ein Darlehen zur Finanzierung. Innerhalb von 15 bis 20 Jahren sollte sich die Anlage amortisieren. Doch wer glaubt, das sei eine Gelddruckmaschine, der irrt. Solche Projekte erfordern hohe Investitionen und bergen beträchtliche Risiken. Beispielsweise kann niemand exakt vorhersagen, wie stark der Wind weht, und von Jahr zu Jahr kann es erhebliche Schwankungen geben. Wenn mich jemand fragt, ob sich eine Investition in einem bestimmten Windpark lohnt, kann ich das nicht pauschal beantworten. Man muss die Zahlen genau kennen: Wie hoch ist der realistische Energieertrag? Wie hoch die Bau- und Planungskosten? Welche Vergütung ist vorgesehen? Ohne diese Informationen lässt sich seriös nichts sagen. Natürlich muss sich das Ganze am Ende rechnen – aber es bleibt immer mit einem gewissen Risiko verbunden.

Ortenau Journal: Kann es denn passieren, dass bei unrentablen Anlagen irgendwann die Rückbauverpflichtungen wegen finanziellen Ausfällen nicht mehr eingehalten werden und die Windräder dann irgendwo als Skelette rumstehen?

Matthias Griebl: Eines der häufigsten Argumente gegen Windenergie lautet: ‚Was, wenn der Betreiber pleitegeht? Dann bleibt das Windrad einfach stehen.‘ Tatsächlich ist das aber ausgeschlossen, weil das Genehmigungsverfahren strenge Auflagen vorsieht. Eine davon ist, dass der Betreiber regelmäßig eine Kostenschätzung für den Rückbau aktualisieren und eine entsprechende Bankbürgschaft beim Landratsamt hinterlegen muss. Ohne diese Bürgschaft gibt es keine Baugenehmigung – den sogenannten ‚roten Punkt‘. Sollte ein Betreiber insolvent werden, wird der Rückbau mit Hilfe dieser Bürgschaft finanziert. Während Kernkraftwerksbetreiber übrigens keine solche Rückbau-Bürgschaft vorweisen müssen, sind Windkraftbetreiber gesetzlich dazu verpflichtet. In den Baugenehmigungen ist darüber hinaus auch festgelegt, dass die Fundamente nach Stilllegung zurück gebaut werden müssen.

Ortenau Journal: Die Band „Zweierpasch“ hat ja auf der Hornisgrinde ein Musikvideo gedreht. Das war sicher auch sehr spannend.

Matthias Griebl: Ja, da war ich auch eingeladen. Leider war ich verreist.

Foto: Drohnenbild von Manuel Glaser mit Sicht auf die Hornisgrinde

Die Serie „Windenergie im Wald“:

Teil 1: „Wir im Ortenaukreis stehen zu Windenergie an sinnvollen Standorten“

Teil 2: IHK und Greenpeace zu Hummelsebene: „Finger weg von Laubmischwäldern“

Teil 3: Zweierpasch´s „Live auf der Hornisgrinde“-Video: „Die wilde Schönheit der Natur“

Teil 4: Schwarzwald-Windparks und Tourismus: „Meinen Urlaub buche ich woanders“

Teil 5: Hummelsebene: Eingefahrene Argumentationsmuster auf beiden Seiten

Weitere Beiträge