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– Windenergie als Geldanlage – Teil 1

Windpark Hummelsebene: Nachrangdarlehen sind laut Experten keine Bürgerbeteiligung

Windräder im Wald
© Koehler Renewable Energy
Nachrangdarlehen – eine attraktive Beteiligung oder riskante Spekulation? Beim Windpark Hummelsebene setzen die Stadtwerke Oberkirch auf dieses Finanzierungsmodell. Anlegern winken bis zu 5,5 % Rendite, doch die Bafin und weitere Kritiker warnen: Diese Anlageform gehört zum Grauen Kapitalmarkt und birgt hohe Verlustrisiken. Außerdem sei es überhaupt keine Bürgerbeteiligungsform, wie von den Projektträgern beworben.

Von Wolfgang Huber

Wochenlang hielt der geplante Windpark Hummelsebene im Spätjahr 2024 die Renchtäler in Atem. Auslöser war der Spatenstich, der teils empörte Reaktionen hervorrief. Das Ortenau Journal reagierte mit einer Serie zum Thema „Windenergie im Wald“ mit sechs Teilen. Darin kamen sowohl Befürworter als auch Gegner, Anwohner, Investoren und Experten zu Wort. Was die Gegner dieser Energieerzeugungstechnik vor allem stört, ist der geplante Bau von Windparks in Waldgebieten, da dafür Flächen gerodet werden müssen. Der Schaden für die Natur sei irreparabel und nicht zu rechtfertigen, hieß es. In einer zweiten, diesmal dreiteiligen Serie zum Thema befassen wir uns mit der Windenergie als Geldanlage, der Sicherheit von Nachrangdarlehen und der Wirtschaftlichkeit von Windkraft.

Windenergie als Riesengeschäft

Zwischenzeitlich schuf die Stadt Oberkirch weitere Fakten. Nach dem Spatenstich für die Hummelsebene erfolgte im Januar der Beschluss des Gemeinderates, Flächen auf der Schwend an die Koehler Renewable Energy, der erneuerbare Energien-Tochter der Koehler-Gruppe, zu verpachten. Das Unternehmen plant dort den Bau von zwei Windkraftanlagen. Sowohl die Stadt als auch Koehler scheinen entschlossen zu sein, sich über die Proteste von Projektgegnern und Achertalgemeinden hinwegzusetzen.

Wie schon beim Hummelsebene-Projekt geriet aber ein ganz anderer Aspekt in den Fokus: Windenergie ist längst ein riesiges Geschäft geworden, an dem Investoren, Kommunen und Privatanleger verdienen wollen. Koehler entwickelt seine Energieprojekte als zweites wirtschaftliches Standbein und verfolgt dabei das Ziel, bis 2030 mehr erneuerbaren Strom zu erzeugen, als für die Papierproduktion benötigt wird. Doch mit dem Plan, möglichst hohe Gewinne aus den Wind- und Solaranlagen herauszuholen, steht Koehler bei weitem nicht allein da. So erwartet die Stadt Oberkirch Pachteinnahmen für die Schwend in Höhe von 200.000 bis 250.000 Euro pro Jahr. Darüber hinaus würden aus der Energieerzeugung Gewerbesteuer und eine Beteiligung an der EEG-Umlage anfallen.

Nachrangdarlehen als Bürgerbeteiligung

Für die Finanzierung des Windparks Hummelsebene bieten die Beteiligten, die Stadtwerke Oberkirch im Verbund mit der Stadt Oberkirch, der Gemeinde Durbach und der Ökostromgruppe Freiburg über die Windpark Hummelsebene GmbH & Co. KG eine Bürgerbeteiligung in Form von qualifizierten Nachrangdarlehen an, was in den Augen der Windkraftgegner ein weiteres Ärgernis darstellt. Denn mit dieser Form der Finanzierungsbeteiligung versprechen die Stadtwerke Oberkirch den Zeichnern eine Rendite von bis zu 5,5 Prozent. Möglich ist eine Beteiligungssumme zwischen 1.000 und 25.000 Euro, die Laufzeit endet demnach am 31.12.2031. Diese Rechnung könne, so ein wütender Leserbriefschreiber gegenüber dem Ortenau Journal im November, niemals aufgehen. Zum einen sei die Windhöffigkeit in der Region zu schlecht, um tatsächlich Gewinne zu erzielen, zum anderen seien Nachrangdarlehen eine äußerst riskante Anlageform.

Tatsächlich werden qualifizierte Nachrangdarlehen dem sogenannten Grauen Kapitalmarkt zugeordnet. „Der Graue Kapitalmarkt ist … die Summe der Marktteilnehmer und Angebote, die keine Erlaubnis der BaFin benötigen und daher auch nicht ihrer Aufsicht unterliegen“, schreibt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) in einem Artikel von 2021 auf ihrer Website*. Weiter heißt es: „Bei Produkten, die dort angeboten werden, sollten Sie besonders vorsichtig sein!“

Bafin: „Hohes Risiko“

Das Risiko der Anleger, ihre komplette Beteiligungssumme zu verlieren, sollte der Anbieter in finanzielle Schieflage geraten, sei höher als das allgemeine Unternehmerrisiko*. „Das Unternehmen kann das Kapital des Anlegers in einer solchen Lage aufgrund des Nachrangs zugunsten anderer Gläubiger verbrauchen, ohne Insolvenz anmelden zu müssen.“ Ein Umstand, auf den Anbieter von qualifizierten Nachrangdarlehen in der Werbung und in Veröffentlichungen hinweisen müssen. Außerdem gibt es eine Prospektpflicht für die Anbieter nach dem Kleinanlegerschutzgesetz. Dieser Prospekt müsse von der Bafin gebilligt werden, wie die Bundesanstalt in einem weiteren Artikel* von 2015 schreibt.

Hohe Zinsversprechen

Ob die Bürgerbeteiligung zum Windpark Hummelsebene ebenfalls dem Grauen Kapitalmarkt zuzurechnen ist, ist aktuell noch nicht endgültig geklärt. Doch wenn man sich die von der Bafin genannten Merkmale betrachtet, kann man zu diesem Schluss kommen. „Die Angebote zeichnen sich häufig dadurch aus, dass die Anbieter mit hohen Zinsen oder Renditen über dem allgemeinen Marktniveau locken oder sogar vorgeben, in gleicher Weise wie institutionelle Anleger Renditen erzielen zu können.“ Außerdem werde mit der vermeintlichen Sicherheit der Kapitalanlage geworben und Anlageentscheidungen würden durch positiv besetzte oder ethisch korrekte Investitionsobjekte (zum Beispiel „grüne Investments“) beeinflusst.

Pflichten zur Risikoaufklärung

Alle diese Punkte lassen sich bei dem Hummelsebene-Nachrangdarlehen beobachten. So wird durchgängig mit den hohen Zinsen geworben, auf die positiv besetzte und ethisch korrekte Projekteigenschaft („Werden sie Klimaschützer“) hingewiesen und nicht zuletzt wird auf der Projektwebsite die Überzeugung verkündet, dass „Ihr Investment von der soliden Basis eines erfahrenen Partners profitiert: Die Stadtwerke Oberkirch stehen hinter diesem Projekt, um sowohl den langfristigen Erfolg als auch die Transparenz sicherzustellen.“ Zudem wird die Ökostromgruppe Freiburg als „erfahrener Partner“ bezeichnet, der sowohl bei der Planung als auch beim Betrieb des Windparks größten Wert auf wirtschaftliche Stabilität und nachhaltige Umsetzung lege.

Doch ist die Stadt in der Kommunikation ausreichend den Pflichten nachgekommen, auf die Risiken dieser Anlageform hinzuweisen? Zumindest annähernd dürfte dies zutreffen. In einer Werbepostkarte ist, wenn auch etwas versteckt und schlecht leserlich, der folgende Satz zu finden: „Hinweis nach §12 VermAnlG – gesetzlich vorgegebener Text: Der Erwerb dieser Vermögensanlage ist mit erheblichen Risiken verbunden und kann zum vollständigen Verlust des eingesetzten Vermögens führen.“

Die Frage der Wirtschaftlichkeit

Doch konsequent scheint die Stadt Oberkirch der Hinweispflicht nicht nachzukommen. In einem in Baden Online am 30. November 2024 erschienen Advertorial unter dem Titel „Stadtwerke Oberkirch bieten Teilhabe zu attraktiven Konditionen“ fehlt der Hinweis auf die Risiken vollständig. Dort wird lediglich Lukas Schuwald, Geschäftsführer der Ökostromgruppe Freiburg mit dem Satz: „Die Beteiligung an der Windpark Hummelsebene GmbH & Co. KG geschieht in Form eines sogenannten qualifizierten Nachrangdarlehens, einem Instrument zur Unternehmensfinanzierung. Dies ist ein Vorgehen, das bei der Finanzierung von Windenergieanlagen üblich ist“ zitiert. Auf der Projektwebsite ist zu lesen: „Dies bedeutet, dass bei finanziellen Engpässen zunächst andere Gläubiger bedient werden und Ihr Darlehen nachrangig ist, was ein höheres Risiko darstellt, aber auch die Möglichkeit einer attraktiven Verzinsung bietet.“

Langfristige Wirtschaftlichkeit prognostiziert

Doch wie hoch ist das Risiko des Totalverlusts des eingesetzten Kapitals tatsächlich? Gegner von Windenergieanlagen in naturnahen Gebieten wie dem Schwarzwald pochen auf die Unwirtschaftlichkeit solcher Projekte, da der Schwarzwald als windarme Region gelte. Dem hält die Stadt Oberkirch die Wirtschaftlichkeitsberechnungen und ein Ertragsgutachten entgegen. „Die Ertragsgutachten prognostizieren auf Basis der Standortgegebenheiten und der technischen Spezifikationen der Anlagen eine hohe Energieproduktion. Die Wirtschaftlichkeitsberechnungen, die alle relevanten Faktoren wie die Investitionskosten, Betriebskosten und prognostizierte Energieerträge einbeziehen, untermauern die positiven Perspektiven des Projekts“, teilt Denise Burkart, Sprecherin der Stadt, auf Anfrage mit. Alle beteiligten Partner – darunter Kommunen, Banken und ausführende Firmen – würden von einer langfristigen Wirtschaftlichkeit des Windparks ausgehen.

Drohender Totalverlust

Die Wirtschaftlichkeitsberechnungen und Ertragsgutachten bildeten Burkart zufolge auch die Grundlage für die Festlegung der Zinsversprechen von 5,5 Prozent bzw. 4,5 Prozent bei der Bürgerbeteiligung. Das derartige Gutachten jedoch nicht unbedingt eine Garantie für die regelmäßige und pünktliche Auszahlung der versprochenen Zinsen darstellt, haben im Sommer 2024 die Anleger der Baywa r.e., eine Tochtergesellschaft des Agrar- und Baustoff-Konzerns BayWa, erfahren. Sie hatten ihr Erspartes bei einer Bürgerbeteiligung in den Windpark Langenbrander Höhe investiert. Nachdem die BayWa in wirtschaftliche Schieflage geraten war, mussten die Anleger gar um ihr Geld fürchten, ungeachtet der Sanierungsbemühungen.

Das ARD-Magazin Plusminus hatte über diesen Fall berichtet. „Kleinanlegern droht Totalverlust durch hochriskante Finanzprodukte“, hieß es in dem Beitrag. Die Einschätzung eines Experten ließ Ungemach vermuten: „Sie können genau so gut mit ihrem Geld Papierflieger bauen und diese zum Fenster hinauswerfen.“ In den Prospekten hatte die BayWa r.e. Crowdfunding – also Finanzierung durch viele private Anleger – als Anlageform angegeben und das Projekt als „Bürgerbeteiligung“ mit guter Verzinsung angepriesen.

„Typischer Auswuchs des grauen Kapitalmarkts“

Doch bei einem Nachrangdarlehen kann wohl gar nicht von Bürgerbeteiligung gesprochen werden. So zitiert das Online-Angebot BR24 die Investmentanalyse von Peter Mattil, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in München: „Das sind keine Beteiligungen, weder im rechtlichen noch im eigentlichen Sinne, sondern sogenannte Darlehen. Nachrangdarlehen also, noch schlimmer als Darlehen, mit einem Nachrang. Das ist so ein typischer Auswuchs des grauen Kapitalmarktes. Meiner Meinung nach das Übelste, was es gibt.“

Keinen Beteiligung

Nun sprechen ja auch die Projektbeteiligten des Windparks Hummelsebene von Bürgerbeteiligung, obwohl es sich um Nachrangdarlehen handelt. Ob das rechtlich haltbar ist oder es sich um Täuschung handelt, sei hier mal in den Raum gestellt. Allerdings spricht auch die Bafin davon, dass ein Anleger, der einem Unternehmen ein Darlehen gebe, an diesem nicht als Gesellschafter beteiligt sei. Er habe also keinen Einfluss auf die Geschäfte und auch keinen ausreichenden Einblick in die Geschäftsentwicklung des Unternehmens. „Diese Intransparenz stellt für den Anleger ein enormes Risiko dar. Er spekuliert auf das wirtschaftliche Überleben des Unternehmens, ohne dass ihm die Informations- und Kontrollrechte eines Gesellschafters zustünden“, heißt es in dem Artikel auf der Bafin-Website.*

Andere Begebenheiten bei Genossenschaft 

Anders verhält es sich bei der Ettenheimer Bürgerenergie eG. Die Genossenschaft wurde 2011 auf Inititiative des Ettenheimer Bürgermeisters Bruno Metz gegründet, der auch gleichzeitig als Aufsichtsratsvorsitzender fungiert. Die Besonderheit bei diesem Projekt ist laut dem Vorsitzenden der Genossenschaft, Jörg Bold, dass alle Nachrangdarlehensgläubiger auch Mitglied in der Genossenschaft seien. „Somit ist über die Mitgliedschaft ein Mitspracherecht gewährleistet.“ Bold erläutert die Strukturen bei dem geplanten Windpark Schnürbuck im Süden der Ortenau so: „Die Ettenheimer Bürgerenergie eG erwirbt eine Windenergieanlage aus dem Windpark Schnürbuck, bestehend aus insgesamt drei Anlagen. Die Windenergieanlage wird von der Bürgerwind Ettenheim GmbH, welche zu 100% der Ettenheimer Bürgerenergie eG gehört, eigentumsrechtlich gehalten und betrieben.“

Finanzielle Vorleistungen

Um die Anlage zum Kaufpreis von rund 9,5 Mio.Euro zu finanzieren habe die Ettenheimer Bürgerenergie eG laut Bold ein (qualifiziertes, Anm. d. Red.) Nachrangdarlehen in Höhe von 1.050.000 € eingebracht. Zusätzlich werde ein Nachrangdarlehen der Stadt Ettenheim in Höhe von 600.000 € noch eingebracht werden. Der verbleibende Rest von rund 7,8 Mio. werde über einen Bankkredit finanziert. An der Ettenheimer Bürgerenergie sind rund 371 Bürger beteiligt (Stand Juli 2024), die in den vergangenen Jahren Geschäftsanteile erhalten haben. Zusätzlich habe ein Teil der Mitglieder der Genossenschaft Nachrangdarlehen in Höhe von 800.000 Euro zur Verfügung gestellt. Die Risiken schätzt Jörg Bold eher gering ein: „Da wir in einigen Jahren einen stetigen Rückfluss aus der Investition (Windpark Schnürbuck) erwarten, ermöglicht uns das Nachrangdarlehen, die erhaltenen Gelder wieder zurückzuführen.“

Hinweis: *Der zitierte Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. 

Wie geht es weiter? Lies in Kürze Teil 2 der Mini-Serie über Windenergie als Geldanlage

Siehe auch hier:

Klimaziele vs. Naturerhalt: Wie viel Eingriff verträgt der Schwarzwald?

Turmbau in Ettenheim startet: Windpark Schnürbuck soll noch 2025 in Betrieb gehen

Hummelsebene: Eingefahrene Argumentationsmuster auf beiden Seiten

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