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Artenschutz

900 Fledermäuse im alten Kehler Hallenbad erhalten neue Quartiere

Fledermausquartiere in Kehl
© Stadt Kehl
Das marode Kehler Hallenbad ist seit 2017 geschlossen, wurde in der Neujahrsnacht 2022/2023 in Brand gesteckt, seither wurden mehrere Scheiben eingeschlagen, doch das Gebäude steht immer noch. Und dafür gibt es einen geflügelten Grund: Schätzungsweise rund 900 streng geschützte Fledermäuse sind durch Aufbrüche im Beton geschlüpft und haben sich hinter der Fassade gemütlich eingerichtet. Nun gibt es eine Lösung.

Fledermäuse – und zwar der Art der europarechtlich geschützten Mückenfledermaus – seien im Hallenbad wahrscheinlich schon heimisch geworden, als dieses noch in Betrieb war. Mitarbeitende des Bereichs Umwelt hätten die Zwergfledermäuse bereits 2017 entdeckt, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt Kehl. Eine sogenannte artenschutzrechtliche Relevanzprüfung, welche die Stadt 2018 von einem Fachbüro vornehmen ließ, habe die Beobachtungen bestätigt. Damals sei „eine individuenreiche Wochenstube der Mückenfledermaus (Pipistrellus pygmaeus)“ ebenso festgestellt worden, wie dass die Fledermausart das Hallenbad auch als Winterquartier nutze. Die Gutachter gehen sogar noch weiter: „Vergleichbare Fälle mit so individuenreichen Wochenstuben der Mückenfledermaus sind uns nicht bekannt.“

Keine Schäden bei Fledermausquartieren

Nach dem in der Silvesternacht 2022/2023 im Hallenbad gelegten Feuer haben die TDK das Fachbüro wenige Tage später erneut konsultiert: Schäden in den Bereichen, in denen sich die Fledermausquartiere befinden, konnten nicht festgestellt werden, ob die Tiere, die sich im tiefen Winterschlaf befanden, durch Rauch oder Hitze beeinträchtigt wurden, entzog sich jedoch der Kenntnis der Gutachter. Deswegen sei im Sommer vergangenen Jahres erneut beobachtet worden, ob Fledermäuse im Bereich der Wochenstuben ausflogen. Das Ergebnis: Die Wochenstube hat sich im Vergleich zu 2018 sogar vergrößert. Im Juli 2023 konnten die mit Nachtsichtgeräten und Fledermausdetektoren ausgestatteten Beobachter 895 erwachsene Weibchen und flugfähige Jungtiere zählen; 2018 waren es noch 641 Mückenfledermäuse gewesen.

Dass sich die Mückenfledermaus im Hallenbad wohlfühlt, liege auch an der lockeren Bebauung des Umfelds und dem Baumbestand drumherum, der den Tieren gute Leitstrukturen zum Rhein und zur Kinzig biete, „so dass das Quartier mit den umliegenden Jagdhabitaten sehr gut vernetzt ist“, wie es im Gutachten heißt. Umso schwieriger sei es daher, die Fledermäuse zum freiwilligen Umziehen zu bewegen, ist sich Bäderchef Claude Woitschitzky im Klaren. Eine Vergrämung, wie bei den Mauereidechsen üblich, komme bei diesen besonders geschützten Tierchen nicht infrage.

Neue Quartiere außerhalb des Hallenbades

Deshalb hätten sich die TDK (Technische Dienste Kehl), die für die Bäder zuständig sind, auf Anraten der Experten entschieden, den Mückenfledermäusen moderne Quartiere außerhalb der Hallenbadfassade anzubieten. An der Sporthalle des Einstein-Gymnasiums hängen allein zehn Module, die als Wochenstuben für 2000 Tiere taugen. Insgesamt 4000 Plätze stünden den Fledermäusen in Hallenbadnähe nun zur Verfügung; dazu kommen die Module, die als Winterquartiere dienen können. Der Verlust der Wochenstuben „muss mindestens in einem Verhältnis 1:5 ausgeglichen werden“, heißt es in dem Gutachten, daher die große Zahl an neuen Unterschlüpfen.

Die Fassadenflachkästen, welche die TDK in Fünfergruppen anbringen ließ, wurden von den Gutachtern empfohlen – im Innern können die Tiere auch von einem Kasten in den anderen durchschlüpfen. Ob und wann die Fledermäuse ihre Quartiere hinter der Hallenbadfassade verlassen und die neuen Wochenstuben annehmen, wagen die Gutachter der Mitteilung zufolge nicht zu prognostizieren: „Ganz generell kann es mehrere Jahre dauern, bis eine Fledermauswochenstube neue Quartiersmöglichkeiten annimmt“, heißt es im Gutachten.

Marode Struktur

Das Kehler Hallenbad musste im April 2017 geschlossen werden, nachdem eine Prüfung der Statik ergeben hatte, dass das Dach einsturzgefährdet war. Zu diesem Zeitpunkt hing bereits ein Netz unter der Decke der Schwimmhalle, das eventuell herabfallende Deckenteile bis zu einem Gewicht von 25 Kilogramm auffangen konnte. Im Juli 2017 entschied der Gemeinderat, das Hallenbad nicht zu sanieren: Selbst wenn zwei Millionen Euro in das Bad investiert worden wären, hätte es aufgrund der insgesamt maroden Struktur keine Garantie für einen dauerhaften Betrieb gegeben.

Dem Abriss des Gebäudes steht – neben der Fledermausquartiere – der Umstand entgegen, dass das Hallenbad mit der Turnhalle des Einstein-Gymnasiums verbunden ist. Unter dem Gebäudekomplex befindet sich zudem die Heizzentrale für den Schulcampus.

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