In der Vergangenheit ist die LiLO im Kreistag wiederholt bei dem Versuch gescheitert, die Krankenhausreform Agenda 2030 mit den drei Neubauten in Offenburg, Achern und Lahr sowie den Klinikschließungen an weiteren Standorten wie Ettenheim und Oberkirch zu Fall zu bringen. Nun, da ein neuer Kreistag gewählt wurde und ein neuer Landrat in der kommenden Sitzung am 24. September gewählt wird, unternimmt die Gruppierung einen weiteren Schritt, um die aus ihrer Sicht optimale, wohnortnahe Gesundheitsversorgung der Ortenauer Bevölkerung doch noch durchzusetzen.
Keine wissenschaftliche Bewertung
Der Antrag sieht zudem vor, dass die Verwaltung notfalls juristische Schritte gegen das Land einleiten soll, um eine solche Bedarfsanalyse zu erwirken. „Seit Jahren fährt das Land Baden-Württemberg bei der Krankenhaus- und Gesundheitsplanung auf Sicht“, schreibt die LiLO in ihrer Begründung. Der Bettenbedarf werde dadurch ermittelt, wie die einzelnen Klinikstandorte ihre Bettenbelegung zurückmelden. Das sei aber keine wissenschaftliche Bewertung: „Wenn also ein Krankenhaus auf einer Station zu wenig Personal hat und die Betten schließt, dann führt das dazu, dass dem Landessozialministerium weitergegeben wird, hier gäbe es keinen Bedarf.“
Dadurch laufe der Kreis bei einem Bau neuer Kliniken Gefahr, dass am Ende der richtige Bedarf in der Bevölkerung nicht abgedeckt werde. „Die kurzfristigen Beschlüsse werden eher nach wirtschaftlichen, denn nach bedarfsgerechten Interessen gefasst.“ Bis der tatsächliche Bedarf mittels der Bedarfsanalyse ermittelt worden sei, solle der Kreistag einen Baustopp für den Neubau des Krankenhauses in Offenburg und eine Planungsaussetzung für den Neubau in Lahr beschließen.
Gerichtsurteile
Die LiLO beruft sich dabei auf ein Gerichtsurteil aus Calw, das dem Kreis die Erstellung einer Bedarfsanalyse verwehrt, eine Bedarfsanalyse zu erstellen und Kliniken zu schließen. Außerdem verweist die Fraktion auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, welches sich sowohl auf § 1, Abs. 1 des Krankenhausgesetzes (KHG) und § 6 des KHG stützt, dass eine Analyse verpflichtend von den Ländern durchzuführen sei. Vor einer solchen Bedarfsanalyse seien Klinikschließungen rechtswidrig.
Außerdem sieht der Antrag der LiLO-Fraktion juristische Schritte vor, um die vollen Investitionskosten durch das Land für das Ortenau Klinikum einzuklagen. Der Kreis sei nicht zuständig. Dies schreibe das Krankenhausfinanzierungsgesetz vor. „Für uns ist es nicht ersichtlich, warum wir Kliniken, bei denen das Land die Investitionskosten per Gesetz tragen muss, schließen, obwohl dort ebenfalls ambulante Behandlungen angeboten werden können. Nur um gleichzeitig MVZs aufzubauen, bei denen wir als Kreis die Investitionskosten selber stemmen müssen“, heißt es weiter. In der letzten Kreistagssitzung hätten sich mehrere Kreistagsfraktionen für juristische Schritte ausgesprochen. Diese wolle man nun beim Wort nehmen und es zur Abstimmung bringen.
Mangelnde Transparenz
Ebenfalls ein Dorn im Auge ist der LiLO, dass es bei dem Thema Krankenhausreform an Transparenz mangele. Die Sitzungen des Verwaltungsrats seien nichtöffentlich. Dies gelte es per Kreistagsbeschluss zu ändern. Der Verwaltungsrat solle künftig immer dann öffentlich tagen, soweit die Nichtöffentlichkeit nicht gesetzlich vorgeschrieben ist. Ein entsprechender Beschluss des Gremiums bedürfe einer 3/4-Mehrheit. In Sachen der Gesundheitspolitik sei viel Vertrauen bei der Bevölkerung verloren gegangen. Dies gelte es durch die Wiederherstellung der Transparenz zurückzugewinnen. Auch bei der Ortenau MVZ GmbH solle dies in Erwägung gezogen werden.
Die Krankenhausreform Agenda 2030 hat ein Gesamtvolumen von 1,3 Milliarden Euro. Alleine der Klinikneubau in Offenburg am Standort Holderstock soll 615 Millionen Euro kosten und im 1. Quartal 2030 in Betrieb genommen werden. Vorgesehen sind 724 stationäre Betten sowie tagesklinische Angebote, mit denen über 200.000 vollstationäre, tagesklinische und ambulante Patienten pro Jahr versorgt werden können.
Unterstützung durch das Land
In seinem Grußwort anlässlich des Spatenstichs Anfang Juli für den Neubau in Offenburg betonte Gesundheitsminister Manne Lucha: „Mit dem Klinikneubau in Offenburg wird eine hochmoderne, leistungsfähige klinische Infrastruktur geschaffen. Die Klinik gewährleistet Gesundheitsversorgung auf höchstem Niveau. Ich begrüße die begonnene Umsetzung der Klinik-Agenda 2030. Sie stellt die Weichen für eine gesicherte Versorgung der Menschen. Der Ortenaukreis und das Ortenau Klinikum können bei anstehenden Krankenhausbaumaßnahmen künftig auf weitere Unterstützung durch das Land vertrauen“, sagte Gesundheitsminister Manne Lucha. Das Land hat zugesagt, 60 Prozent der Investitionskosten zu übernehmen.
Kommentar:
Der Kreistag sollte sorgsam abwägen, wie er mit dem Antrag der LiLO-Fraktion umgeht. Dieser ist durchaus gut begründet und verweist auf mehrere einschlägige Gerichtsurteile, die eine Bedarfsanalyse durch das Land vor etwaigen Klinikschließungen zwingend vorsehen. Die Art und Weise, wie das Thema Agenda 2030 in den vergangenen Jahren an der Bevölkerung vorbei durchgesetzt wurde, hat viel Vertrauen zerstört. Wenn sich nun im Nachgang herausstellen sollte, dass sich Kreis und Land sogar über die geltende Rechtslage hinweggesetzt hätten, um Fakten zu schaffen, wäre der Flurschaden immens. Das Vertrauen in die Demokratie darf nicht noch weiter leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Das Beispiel Großbritannien zeigt, wohin eine rein an wirtschaftlichen Gesichtspunkten orientierte, neoliberale Gesundheitspolitik führt. Dort liegt das Gesundheitssystem am Boden, die Bevölkerung kann nicht mehr bedarfsgerecht versorgt werden. Dies gilt es zu vermeiden. Insofern wäre ein Beschluss des Kreistages, der die Verwaltung auffordert, das Land Baden-Württemberg um eine Bedarfsanalyse zu bitten, durchaus in Erwägung zu ziehen.
Wolfgang Huber
Foto: Spatenstich für den Klinikneubau in Offenburg Anfang Juli: (v.l.n.r.) Geschäftsbereichsleiter Bau und Technik Rainer Stapf, Pflegerische Vorständin Kathleen Messer, Staatssekretär Volker Schebesta, Vorstandsvorsitzender Christian Keller, Landrat Frank Scherer, Minister Manne Lucha, Oberbürgermeister Marco Steffens, Bernd Mettenleiter (MdL), Regierungspräsident Carsten Gabbert, Architekt Maximilian Ludes und Medizinischer Vorstand Dr. Peter Kraemer.
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