Ortenau Journal: Wie kam es zu deiner Kandidatur für die LiLO?
Christian Cleiß: Ich kenne die LiLO schon lange über das Thema Klinikreform. Der direkte Kontakt kam über Julia Roth-Herrmann zustande, die jetzt mit mir ebenfalls im Kreistag sitzt. Es gibt im ganzen Land immer mehr freie Listen mit Leuten, die nicht mehr auf Parteilisten stehen wollen. Mit einer „Linken Liste“ hätte ich auch meine Probleme gehabt, obwohl ich immer links und grün war. Aber die neue Intoleranz von linker Seite anderen Meinungen gegenüber ist für mich unerträglich geworden.
Ortenau Journal: Und da die LiLO von der Partei „Die Linke“ unabhängig geworden ist, war es dann für dich in Ordnung.
Christian Cleiß: Genau, das war wichtig. Am Anfang war ich auch noch bei der OLO (Anmerkung d. Red. „Offene Liste Oberkirch“) als Kandidat im Gespräch. Bei der Lilo hatte ich im Dezember zugesagt und bei der OLO habe ich im Februar meine Kandidatur zurückgenommen. Bedingt durch die Corona-Maßnahmen hatten wir die Krone in Oberkirch aufgeben müssen und ich musste mich neu orientieren. Eine Umschulung schließe ich in diesen Tagen ab. Jedenfalls hätte ich nie damit gerechnet, in den Kreistag gewählt zu werden.
Ortenau Journal: Wäre es möglich gewesen, auf Kreistagsebene für die Lilo und auf Gemeindeebene für die OLO zu kandidieren?
Christian Cleiß: Ja, das wäre gegangen. OLO und LiLO verstehen sich beide als offene Listen und nicht als Parteilisten. Ruth Dilles, die jetzt auch mit mir für die Lilo im Kreistag sitzt, ist zugleich in Kehl für die CDU im Gemeinderat. Die Wahl kam für mich sehr überraschend. Jetzt freue ich mich auf das Mandat, auch weil ich der einzige Oberkircher im Kreistag bin und dem daraus resultierenden Anspruch natürlich gerecht werden will.
Ortenau Journal: Du bist ja 2019 mit den meisten Stimmen aller Kandidaten in Oberkirch in den Gemeinderat gewählt worden. Du genießt eine gewisse Popularität hier. Insofern konntest du ja schon damit rechnen, dass es klappt mit dem Kreistag.
Christian Cleiß: Für den Gemeinderat hätte ich keine Bedenken gehabt. Obwohl, dazwischen war ja Corona und ich wusste nicht, wie die Leute da auf meine Positionen reagieren.
Ortenau Journal: Lass uns über die Inhalte sprechen. Was sind denn die politischen Ziele der Lilo?
Christian Cleiß: Das sind vor allem die großen Kreisthemen Gesundheit, Mobilität und Bildung. Die Krankenhausreform hat die LiLO von Anfang an kritisch gesehen und wer mal 5 Stunden in der Notfallaufnahme in Offenburg auf eine Untersuchung warten musste, versteht die Kritik. Mobilität ist auch für Oberkirch ein wichtiges Thema, nachdem der Umsteigebahnhof in Appenweier misslungen ist und vor allem Verbindungen vom Renchtal Richtung Kehl teilweise sehr schlecht sind. Und natürlich Schule. Dass Krisenbranchen wie Gastronomie und Nahrungsberufe damit kämpfen müssen, dass wichtige Ausbildungsberufe in der Ortenau nicht mehr angeboten werden oder demnächst verloren gehen könnten, ist eine schlechte Entwicklung. Mit den inhaltlichen Positionen der Lilo in diesen Fragen kann ich mich identifizieren.
Ortenau Journal: Wo willst du persönlich deine Schwerpunkte setzen, wie sieht es z. B. aus mit Nachhaltigkeitsthemen oder Energiewende? Das ist ja im Ortenaukreis sehr aktuell.
Christian Cleiß: Ich war ja mein ganzes Leben lang grün und bin für Erneuerbare Energien – so lange dabei nicht die Umwelt zerstört wird. Mein großer Kritikpunkt an den Grünen ist, dass sie das Überthema Umweltschutz mit dem Unterthema Klimaschutz ersetzt haben. Das ist für mich einfach nicht dasselbe. Die Umwelt atmet CO2.
Ortenau Journal: Du spielst an auf die Windkraftanlagen im Schwarzwald.
Christian Cleiß: Genau. Wenn diese die Umwelt zerstören lehne ich sie ab. Ich bin aber auch nicht für Agri-Solaranlagen. Die Bauern bekommen nichts mehr für ihre Äpfel und es geht nicht mehr lang, dann haben wir hier überall großflächige Solaranlagen statt Obstplantagen auf den Feldern. Damit lässt sich Geld verdienen, es ist aber nicht im Sinne der Natur. Die Bienen und die Vögel können sich von Solarpanelen nicht ernähren und dass unter Solarpanelen wachsende Pflanzen keine Fotosynthese durch Sonnenbestrahlung mehr brauchen wäre mir neu.
Ortenau Journal: Der Regionalverband Südlicher Oberrhein hat ja kürzlich eine Karte mit geeigneten Flächen für Wind- und Solaranlagen veröffentlicht. Das verteilt sich über den gesamten Ortenaukreis. Aber das sind ja keine Großflächen. Im Endeffekt geht es um 1,5 Prozent.
Christian Cleiß: Klar, es ist nicht das ganze Land, aber 1,5 Prozent von einem großen Flächenland wie Baden-Württemberg ist zusammengenommen natürlich eine riesige Fläche. Es ist leider zunehmend lukrativer Agri-Solaranlagen über Felder zu bauen als Äpfel zu pflanzen. In einem Oberkircher Teilort wurde eben erst eine ganze Apfelplantage platt gemacht, weil es sich nicht mehr rechnet. Diese Entwicklung finde ich falsch.
Ortenau Journal: Was wäre denn für dich die Alternative? Wo könnte man denn beispielsweise die Windräder hinstellen?
Christian Cleiß: Im Norden sieht man es ja bereits. Entlang der Autobahn hätte ich damit kein Problem. In Gegenden, wo niemand lebt, es keinen Wald oder wertvolle landwirtschaftliche Nutzfläche gibt. Bei uns im Süden sagt der Windatlas, dass es nur in den Bergen geht. Da wird alles zugepflastert. Es geht nicht nur um die Hummelsebene. Der Plan des Regionalverbandes zeigt, dass viele weitere Windräder mitten in die Natur, in die Wälder und auf die Bergrücken gebaut werden sollen.
Ortenau Journal: Jetzt, wo deine Prüfungen beendet sind, hast du ja wieder mehr Zeit. Wie geht es jetzt zunächst für dich weiter?
Christian Cleiß: Der Zeitpunkt könnte nicht besser sein. Die konstituierende Sitzung des Kreistags ist am 23. Juli. Da freue ich mich drauf. Als einziger Oberkircher im Kreistag habe ich natürlich die Oberkircher Perspektive. Aber ich vertrete mein Gewissen. Natürlich kenne ich die Themen hier vor Ort. In der ARZ war zu lesen, dass der Einfluss von Oberkirch jetzt geringer werde, da der OB nicht im Kreistag sitzt. Die Präsenz der Oberkircher Bürgermeister im Kreistag hat in den zurückliegenden Jahren aber nicht verhindert, dass die großen Frequenzbringer unter den Kreiseinrichtungen an Oberkirch und dem Renchtal komplett vorbei gingen. Hier gibt es seit über 30 Jahren keine berufliche Schule mehr, inzwischen ist auch das Krankenhaus weg und eine KFZ-Zulassungsstelle hatten Oberkirch und das Renchtal noch nie. Das sieht in den anderen Kreisfreien Städten der Ortenau anders aus. Selbst im hinteren Kinzigtal fördert der Landkreis gezielt den ländlichen Raum durch ein Krankenhaus in Wolfach, zwei Berufsschulen in Wolfach und Hausach und die Vogtsbauernhöfe als Publikumsmagneten in Gutach. Nichts dergleichen haben wir im Renchtal. Ich sehe diese Ungleichgewichte, aber ich bin kein purer Lobbyist einer Einzelsicht.
Ortenau Journal: Du willst dich einfach nur zusammen mit der Lilo für deine Themen einsetzen?
Christian Cleiß: Ich bin natürlich geprägt von Oberkirch. Ich wohne hier und die Stadt liegt mir am Herzen. Aber ich will einen ganzheitlichen Blick.
Ortenau Journal: Du bist während der letzten Wahlperiode aus der Partei Bündnis 90/Die Grünen ausgetreten, hast die Fraktion verlassen. Was waren da die genauen Gründe?
Christian Cleiß: Aus der Partei bin ich wegen der Corona-Politik ausgetreten, aus der Fraktion wegen meinem Pazifismus. Mit den Grünen wollte ich nichts mehr zu tun haben.
Ortenau Journal: Heißt das, die Politik der Grünen ist dir zu militaristisch?
Christian Cleiß: Komplett. Das geht für mich gar nicht, wie da inzwischen über das Wort Frieden gesprochen wird. Wenn man sich für Frieden einsetzt, ist man entweder ein Spinner oder ein Putin-Versteher. Dass die Grünen eine Friedenspartei waren, war für mich immer ein ganz zentraler Punkt. Aber das ist längst nicht mehr gegeben.
Ortenau Journal: Während der Pandemie bist du als scharfer Kritiker der Corona-Maßnahmen hervorgetreten. Bis du dadurch auch in deinem Umfeld an Grenzen gestoßen?
Christian Cleiß: Ich habe mit guten Freunden kritische Gespräche geführt. Das war in Ordnung. Aber es gab auch einige Leute, die den Kontakt einfach abgebrochen haben. Die Corona-Erfahrung war mit ein Grund dafür, weshalb ich keine Lust mehr auf Politik hatte. Das war mir zu anstrengend, was da an Hass von Leuten kam, die sich als Tolerant bezeichnen, die für Vielfalt einstehen und für Meinungsfreiheit. Das hatte ich nicht für möglich gehalten. Ich musste zu meiner Meinung stehen. Das habe ich als meine Aufgabe aufgefasst und so ist meine Einstellung. Aber das war auf der persönlichen Ebene eine ganz unangenehme Erfahrung.
Interview: Wolfgang Huber
Siehe auch:
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