logo_portal2
Windenergieausbau

Der Widerstand gegen den Windenergieausbau wächst

© Myriams-Fotos/pixabay
Laut den Planungen des Regionalverbands Südlicher Oberrhein sollen 3,4 Prozent der Fläche des Ortenaukreises als Vorrangflächen für Windenergieanlagen eingestuft werden. Dies hat in den vergangenen Wochen für erhebliche Kritik in den Kommunen gesorgt, da auch etliche weitere Waldgebiete als Standorte vorgesehen sind. Die Kritikerin Gunda Herzog sieht neben Umweltzerstörung auch ein Demokratiedefizit.

„In den vergangenen zwölf Jahren hat der Ortenaukreis bereits 46 neue Windkraftanlagen bewilligt – und ich freue mich sehr, dass wir heute gleich drei neue Anlagen zeitgleich genehmigen“, sagt Landrat Frank Scherer. Diese Anlagen können mit dem erzeugten Strom rund 106.500 Haushalte versorgen, was etwa 65 Prozent der Haushalte im Ortenaukreis entspricht“, sagte Landrat Frank Scherer Anfang Juli anlässlich der Genehmigung von drei neuen Windenergieanlagen auf der Prechtaler Schanze an das E-Werk Mittelbaden. Es gehe darum, so Scherer, die Ausbauziele der Landesregierung zu erfüllen.

Künftig dürfte es weitaus schwerer Fallen, neue Windräder in der Ortenau zu errichten. Denn der Widerstand von Windkraftgegnern und die Skepsis der Gemeindevertreter beim Ausbau der Wind- und Solaranlagen in Schwarzwaldgebieten wächst zunehmend.

Gegenstimme von den Grünen

Nach den Gemeinderäten von Lauf, Ortenberg, Durbach, den Achertal-Gemeinden Kappelrodeck, Ottenhöfen und Waldulm sowie Offenburg hat neulich auch das Landratsamt selbst in einer Stellungnahme an den Regionalverband Südlicher Oberrhein die Festlegung weitere Flächen, insbesondere in Waldgebieten kritisiert. In festgestellten Vorranggebieten können künftig unter erleichterten Voraussetzungen Windenergieanlagen errichtet und betrieben werden. Für den Ortenaukreis sieht der Entwurf des Regionalverbands 86 Vorranggebiete vor, was einer Fläche von 3,4 Prozent des Kreises entspricht. Der Landrat bat den Ausschuss für Umwelt und Technik des Ortenaukreises um Rückendeckung, die er auch bekam. Bei einer Gegenstimme von den Grünen und drei Enthaltungen aus den Reihen der Grünen und der AfD.

In den vergangenen 12 Jahren haben wir bereits 43 neue Windenergieanlagen genehmigt und werden dafür auch von Ministerpräsident Kretschmann als Musterschüler in Sachen Windkraft gelobt. Gerade auch deshalb darf es nun aber nicht zu einer Überforderung des Ortenaukreises kommen. Deshalb fordern wir unter anderem die Anrechnung aller bereits genehmigten Anlagen“, betonte Scherer. Die aktuell vorgesehenen Flächen von zusammen 3,4 Prozent würde laut Nikolas Stoermer, erster Landesbeamter und Umweltdezernent, einige Bereiche im Ortenaukreis über Gebühr belasten. Auch die Erholungsfunktion der einmaligen Natur- und Kulturlandschaft des Schwarzwaldes sei damit gefährdet.

Willkürliche Festlegung

Diese Entwicklungen in jüngster Zeit dürfte Windkraftgegnern wie Gunda Herzog gefallen. Herzog ist Sprecherin der Interessengemeinschaft Oberkirch und Durbach und vernetzt mehrere Hundert Gleichgesinnte. Sie kritisiert, dass das öffentliche Beteiligungsverfahren nach der Offenlegung der Pläne durch den Regionalverband nur vier Wochen dauerte. So hätten nur wenige überhaupt die Chance gehabt, zu erfahren, worum es bei der Offenlage überhaupt gehe, um dann Einwendungen zu schreiben. Dies sei so willkürlich festgelegt worden. In anderen Gegenden gebe es bis zu drei Monaten Zeit dafür.  Auch seien die Kriterien, anhand derer ein weiterer Ausbau von Windenergieanlagen verhindert werden könne, völlig unklar.

Den Satz aus einer Veröffentlichung des Regionalverbandes „Wenn wir bei der Windenergie am Ende nicht auf die 1,8 Prozent der Regionsfläche kommen, sieht der Bundesgesetzgeber vor, dass Windkraftanlagen in der gesamten Region Südlichen Oberrhein als privilegiert gelten und einer planerischen Steuerung vollständig entzogen sind. Damit der Ausbau der Windenergienutzung insgesamt verträglich und gesteuert erfolgt, liegt es daher im gemeinsamen Interesse aller den Flächenbeitragswert von 1,8 Prozent zu erreichen“, kommentiert Herzog ebenfalls: „Dieser Satz klingt wie eine Drohung. Wir haben ganz früh schon gemerkt, dass dieser hohe Druck, der von oben auf die Gemeinden ausgeübt wird, enorm ist. Es gibt die Angst, dass wenn wir nicht mitziehen, die uns einfach die Anlagen irgendwo hinstellen, wo wir es gar nicht wollen.“ Sie betrachte die Thematik ganzheitlich. Auch wenn Durbach jetzt der Regionalplanung widersprochen habe, habe man dem Windpark Hummelsebene zugestimmt.

Durch Gegenwind einiges erreicht

Gleichwohl fühle sie sich durch den jetzt heftigen Gegenwind aus den Gemeinden in ihrer Arbeit bestätigt: „Wir wollen niemandem etwas überstülpen, sondern den Menschen eine Plattform bieten, wo sich jeder selbst eine Meinung bilden kann.“ Der Appell der Interessenvereinigung, die Teil der „Schwarzwald-Heimat Aktiv-Gruppe“ ist, sei von Anfang an gewesen, dass die Bürgermeister und Verantwortlichen den Bürgern Veranstaltungen bieten sollten, in denen auch diejenigen sprechen dürften, die an dem ganzen Konzept nichts verdienen würden. Alle Bürgerinitiativen von Freiburg bis in die neuen Bundesländer würden davon berichten, dass es solche Gelegenheiten nicht gegeben hätte. „Jeder hätte sich dann selbst ein Bild davon machen können, was es für Auswirkungen auf die Umwelt gehabt hätte“, so Herzog. Dennoch habe man einiges erreicht. Den Menschen werde langsam bewusst, was da aufgrund bereits genehmigter Anlagen auf sie zurolle. „Darauf haben wir von Anfang an hingewiesen.“ Auch die Planungen der Badischen Stahlwerke und der Koehler Paper Group, Windkraftanlagen im Kehler Hafen zu prüfen, lehne sie ab. Wir sind generell gegen diese „veraltete“ Form der Energiegewinnung, die lediglich aufgrund der Föderung vorangetrieben werde. Dadurch steige die Belastung der Steuerzahler, der die Fördergelder über die Steuern mittragen müsse und zudem steige der Strompreis.

Die Kritiker der Ausbaupläne der Landesregierung sind sich jedoch an diesem Punkt nicht einig. So hat der neu gewählte Kreisrat der Liste Lebenswerte Ortenau (LiLO), Christian Cleiß, in einem Interview mit dem „Ortenau Journal“ der Windenergie nicht generell eine Absage erteilt. Auf die Frage, wo man denn Windräder bauen sollte, sagte Cleiß: „Im Norden sieht man es ja bereits. Entlang der Autobahn hätte ich damit kein Problem. In Gegenden, wo niemand lebt, es keinen Wald oder wertvolle landwirtschaftliche Nutzfläche gibt.“

Keine Genehmigung impliziert

Der zunehmende Widerstand gegen die Planungen des Windkraft- und Solarenergieausbaus der Landes- und Bundesregierung sorgt auch beim Regionalverband Südlicher Oberrhein für Bewegung. Dessen Verbandsdirektor Wolfgang Brucker bezifferte die Zahl der Bürger, die im Zuge der Öffentlichkeitsbeteiligung eine Stellungnahme eingereicht hätten, zwar auf „weniger als 5.000.“ Er gehe aber dennoch davon aus, dass sich die derzeitige Kulisse von 3 Prozent der Gebietsflächen in den Landkreisen Breisgau-Hochschwarzwald, Emmendingen und Ortenau sowie dem Stadtkreis Freiburg nach Abwägung der im Beteiligungsverfahren eingehenden Stellungnahmen noch weiter konsolidieren werde: „Nach Vorliegen aller Stellungnahmen wird zudem sachgerecht abzuwägen sein, welche Gebiete des Planentwurfs beispielsweise aus Gründen des Landschaftsbilds und zur Vermeidung einer Überlastung anzupassen oder gar zu streichen sind.“ Man gehe zudem davon aus, dass der Flächenbeitragswert von mindestens 1,8 Prozent erreicht werde. Einen Zwang, den Bau von Windrädern notfalls zu erzwingen, falls dieser Wert verfehlt werde, sieht Brucker nicht: „Wir stehen im engen Austausch mit den Gemeinden. Die Streichung oder Aufnahme von weiteren Gebieten kann dabei aber nicht auf „Zuruf“ erfolgen. Wir werden uns genau angucken, welche Argumente von den Kommunen in ihren Stellungnahmen vorgebracht werden und diese dann fachlich abwägen. Ergänzend weisen wir darauf hin, dass wir zunächst nur Flächen sichern. Das impliziert noch nicht die Genehmigung von Anlagen. Hierzu gibt es dann noch einmal auf der Genehmigungsebene ein weiteres Verfahren, zu dem sich die Gemeinde noch einmal einbringen kann.“

Nun müssen laut Brucker die eingegangenen Stellungnahmen ausgewertet und abgewogen werden. Der weitere Zeitbedarf könne derzeit noch nicht abgeschätzt werden. Nach den Beratungen in den Gremien sei bei der Teilfortschreibung „Windenergie“ mit einer 2. Offenlage zu rechnen. Ziel sei der Satzungsbeschluss bis 30.09.2025 gem. § 20 KlimaG BW.

Es bleibt also zunächst spannend, ob und wie die Ausbaupläne der Landesregierung vorangetrieben werden. Laut Gunda Herzog geht es um nicht weniger als den Erhalt der Kulturlandschaft des Schwarzwaldes mit seiner Biodiversität und seines Landschaftsbildes, das mit nichts in Deutschland vergleichbar sei.

Wolfgang Huber

Lies auch: Cleiß: „Einige Leute haben den Kontakt abgebrochen.“

Lies auch: E-Werk Mittelbaden plant 25 neue Windkraftanlagen

Lies auch: Koehler und BSW wollen Windenergie im Rheinhafen Kehl nutzen

Weitere Beiträge