Von Pauline Schwarzwälder
Im Interview mit dem Ortenau Journal beschreiben die Dezernentin für den ländlichen Raum des Ortenaukreises, Diana Kohlmann und der Erste Landesbeamte Dr. Nikolas Stoermer die Situation in den Ortenauer Wäldern, die Anstrengungen zu deren Schutz sowie die Ausgleichsmaßnahmen an Standorten, an denen Windräder gebaut werden. Grundsätzlich stehe der Kreis zu den Klimazielen des Landes mit Windenergie im Wald an sinnvollen Standorten. Gleichzeitig räumen Kohlmann und Stoermer ein, dass Windparks das Ökosystem Wald beeinträchtigen können.
Ortenau Journal: Wie ist der Zustand der Wälder in der Ortenau?
Diana Kohlmann: Wie im gesamten Bundesgebiet sind auch hier in der Ortenau unsere Wälder erkennbar im Klimastress. Trockenschäden und Absterbeerscheinungen an diversen Baumarten, sowie die Ausbreitung von Schädlingen sind vielerorts zu beobachten. Damit verbunden sind negative Auswirkungen auf alle Waldfunktionen, nicht nur in betrieblicher bzw. betriebswirtschaftlicher Hinsicht, was geringere Zuwächse und höhere Schadholzmengen angeht, sondern auch im Hinblick auf die ökologischen Funktionen des Waldes und die Erholungsfunktion. Es ist Stress für das gesamte Artenspektrum und es gibt einen deutlich erhöhten Aufwand für Verkehrssicherungsmaßnahmen im und am Wald.
Gleichzeitig stehen unsere Wälder aber noch weitaus besser und stabiler da, als in vielen anderen Regionen des Bundesgebietes. Wir haben in der Ortenau überwiegend Wälder mit einer guten Baumartenmischung, was deren Resilienz im Klimastress verbessert. Dadurch sind bei uns bislang auch kaum nennenswerte flächige Schäden entstanden. Dies wiederum bringt die Chance, im Rahmen der Waldbewirtschaftung durch gezielte Maßnahmen die Klimafitness und Anpassungsfähigkeit unserer Wälder zu erhöhen.
Ortenau Journal: Wie kann der Kreis die Wälder angesichts des Klimawandels erhalten und resilienter machen?
Diana Kohlmann: Zunächst indirekt. Wir beraten über das Amt für Waldwirtschaft die privaten und kommunalen Waldbesitzer intensiv über die vielfältigen Möglichkeiten der Klimaanpassung. Unsere Forstfachleute sind dabei vor Ort in den Revieren die direkten Ansprechpartner, wenn Waldbesitzer individuelle Fragen z.B. zur Baumartenwahl oder zu entsprechenden Pflegemaßnahmen haben. Parallel dazu unterstützen wir die Waldbesitzer über die Fördermittel des Landes, die entsprechende Beratung und Unterstützung bei der Antragstellung ist eine unserer wichtigen Dienstleistungen. Und dann natürlich direkt im Rahmen der Waldbewirtschaftung: Um unsere Wälder möglichst klimafit zu machen, gibt es mehrere Grundprinzipien, die sich gegenseitig ergänzen und die der Kern unseres Beratungsportfolios sind. Gleichzeitig sind dies die grundlegenden Handlungsprinzipien unseres aktiven Waldmanagements in den direkt von uns betreuten privaten und kommunalen Wäldern. Dies sind erstens die Förderung der Baumartenvielfalt mit mehreren klimastabilen Baumarten auf möglichst jeder Waldfläche; dazu werden bei der Verjüngung der Wälder gezielt klimastabilere Baumarten in die bunte Naturverjüngungsmischung eingebracht. Zweitens die Förderung der genetischen Vielfalt, um ein möglichst hohes natürliches Anpassungspotenzial in den Wäldern zu halten. Drittens die konsequente Pflege und Förderung der Kronenentwicklung der sogenannten Zukunftsbäume, um über diese ein stabiles und vitales Grundgerüst in den Waldflächen zu entwickeln. Dann die Förderung der Strukturvielfalt, da diese in vielerlei Hinsicht positive Auswirkungen hat. Die Stichworte sind Wasserhaushalt, biologische Vielfalt, Lichtsteuerung und vieles mehr. Nicht zuletzt die Integrative Förderung der Biodiversität, um die Artenvielfalt unserer Wälder zu bewahren und den Arten eine „Brücke in die Klimazukunft“ zu bauen.
Ortenau Journal: Wie stehen Sie zu dem Windenergieausbau in den Waldgebieten?
Diana Kohlmann: Der Ausbau der Windenergie ist eines unserer Landesziele zum Erreichen einer Energiewende. Es gibt sicherlich viele unterschiedliche Meinungen dazu, ob ein Landkreis wie die Ortenau dazu geeignet ist. Wir im Ortenaukreis stehen zu den Klimazielen des Landes und Windenergie an sinnvollen Standorten, wo eine gute Windhöffigkeit besteht. Dazu sind viele neue gesetzliche Grundlagen entstanden, u.a. als Folge der Abkehr vom Atomstrom das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) oder das Windenergie-an-Land Beschleunigungsgesetz und vieles mehr. Man darf auch nicht verkennen, dass der Aufbau von Windrädern die einzige Waldinanspruchnahme wäre. Wir bearbeiten viele ganz verschiedene Fälle von Waldinanspruchnahmen, dies sind z.B. Einzelbaugesuche, Bauplanungen, Radwege, Rheintalbahn, Kiesabbau, Steinbrüche, Netzverstärkung und vieles mehr. Die Bearbeitung von Windrädern im Wald ist insgesamt anspruchsvoll. Vor der Antragsbearbeitung finden intensive gemeinsame Begehungen im Wald mit allen Betroffenen statt. Dadurch können bereits im Vorfeld die Zuwegungen optimiert werden, indem wir weitestgehend vorhandene Wege nutzen, um unnötige Baumfällungen zu vermeiden. Die Standorte der Windräder werden ebenfalls mit dem Amt für Waldwirtschaft gemeinsam geplant, damit möglichst wenig Schutzgüter betroffen sind.
Ortenau Journal: Wie schwer sind die Eingriffe tatsächlich?
Diana Kohlmann: Viele Waldflächen werden für den Aufbau der Windräder nur befristet umgewandelt und sofort nach der Bauphase wieder rekultiviert. Andere Flächen werden dauerhaft umgewandelt, damit z.B. für eine Reparatur oder Blattwechsel wieder ein Kran aufgestellt werden kann. Die Eingriffe werden nach den gesetzlichen Vorgaben ausgeglichen.
Ortenau Journal: Wie wirkt sich der Bau von Windkraftanlagen auf die lokale Flora und Fauna aus, insbesondere in Waldgebieten?
Dr. Nikolas Stoermer: Er wirkt sich aus, falls am Standort eine Fläche gerodet werden muss. Dies kann zum Verlust von Lebensräumen für Pflanzen- und Tierarten führen. Gleiches gilt für den Bau von Zufahrtswegen und Fundamenten, was das Ökosystem beeinträchtigen kann. Für die Tierwelt, insbesondere Vögel und Fledermäuse, besteht ein erhöhtes Risiko von Kollisionen mit den Rotorblättern. Schließlich können die durch die Anlagen erzeugten Rotorgeräusche oder Lärm während der Bauzeit negative Auswirkungen auf manche Tierarten haben und sie in weniger geeignete Lebensräume verdrängen. All dies berücksichtigen wir bei der Genehmigung von Windkraftanlagen: Jeder einzelne Eingriff wird über Ausgleichsmaßnahmen kompensiert. Mittels Auflagen, wie z.B. ökologische Monitorings, wird die langfristige Funktionalität der Maßnahmen gewährleistet. Mit technischer Unterstützung, wie etwa der zeitweisen Abschaltungen der Anlagen, lassen sich zudem viele Risiken, etwa auf Fledermäuse, auf ein Minimum reduzieren. Auf der anderen Seite sehen wir auch positive Aspekte: Offene Flächen, die nach der Bauphase entstehen, können durch Renaturierung zu wertvollen Lebensräumen werden. Und natürlich trägt die Erzeugung von sauberem Strom langfristig zum Klimaschutz bei, was wiederum der Flora und Fauna zugutekommt. Letztlich hängt viel von der Standortwahl und den begleitenden Maßnahmen ab. Mit sorgfältiger Standortplanung lassen sich Eingriffe in sensible Bereiche verhindern. Es geht also darum, einen Ausgleich zwischen dem Ausbau erneuerbarer Energien und dem Naturschutz zu finden.
Ortenau Journal: Gibt es besondere Schutzmaßnahmen für Wälder und Tierarten, die in der Nähe von Windkraftanlagen angesiedelt sind?
Dr. Nikolas Stoermer: Ja, je nach Betroffenheit schlagen Fachgutachter eine Vielzahl von Schutzmaßnahmen vor, die dann von der Unteren Naturschutzbehörde festgelegt werden. Dies können z.B. Nistkästen, stillgelegte Waldflächen, die Pflege von Beerensträuchern für das Auerhuhn und viele weitere Maßnahmen sein.
Ortenau Journal: Wie stehen Sie zur Windkraftnutzung in Naturschutzgebieten? Gibt es hier unterschiedliche Ansätze?
Dr. Nikolas Stoermer: Da sind wir sehr restriktiv. Im Ortenaukreis gibt es aber ausreichend Flächen, die frei von Restriktionen sind. Daher ist es nicht notwendig, Planungen in Naturschutzgebieten aufzunehmen, zumal in einem solchen Fall der Erfolg eines Genehmigungsverfahrens mehr als fraglich wäre. Planungen sind sehr zeit- und kostenintensiv.
Ortenau Journal: Welche spezifischen Vorteile sehen Sie für Gemeinden im ländlichen Raum durch die Errichtung von Windkraftanlagen?
Dr. Nikolas Stoermer: Sofern sich der Standort der Windkraftanlage auf einem gemeindeeigenen Grundstück befindet, erhält die Gemeinde hierfür eine Pacht. Aus dem laufenden Betrieb der Anlage erzielt die Gemeinde zusätzlich Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Beides kommt wiederum der Bürgerschaft zugute. Der Vorteil liegt also in der regionalen Wertschöpfung und dem Beitrag zur regenerativen Energiegewinnung. Damit werden wir unabhängiger vom Import fossiler Energien.
Ortenau Journal: Wie gehen Landwirte und Waldbesitzer mit der Planung von Windkraftanlagen um?
Diana Kohlmann: Das ist ganz unterschiedlich, je nach persönlicher Betroffenheit von Gemeinden oder Privatwaldbesitzern.
Ortenau Journal: Ok, aber inwiefern sind Landwirte und Waldbesitzer in die Planungsprozesse für Windkraftanlagen eingebunden?
Diana Kohlmann: Ohne die Zustimmung der Flächeneigentümer ist ein Planungsprozess nicht möglich. Diese werden sehr frühzeitig beteiligt, sehr oft schon vor den Behörden.
Ortenau Journal: Wie wirken sich Windkraftanlagen auf das Landschaftsbild aus?
Diana Kohlmann: Das bewertet vermutlich jeder anders und wirkt auch von Standort zu Standort unterschiedlich. Rechtlich muss dies durch die Untere Naturschutzbehörde bewertet werden.
Dr. Nikolas Stoermer: Richtig: Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens fordern wir vom Antragsteller Fotomontagen und Sichtbildanalysen an. Damit bewerten wir den Eingriff in das Landschaftsbild. Schon häufig ist es uns gelungen, durch eine leichte Verschiebung des Standorts die negativen Auswirkungen auf das Landschaftsbild zu minimieren.
Ortenau Journal: Erwarten Sie, dass die Windenergie in unserer Region eine Zukunft hat? Was sind die Indizien?
Dr. Nikolas Stoermer: Selbstverständlich. Schon lange setzt sich der Ortenaukreis dafür ein, dass nur die besonders windhöffigen und gleichzeitig restriktionsarmen Standorte für die Windkraft genutzt werden. Mit den aktuell genehmigten Anlagen können rechnerisch bereits knapp 60 Prozent der privaten Haushalte mit erneuerbarem Strom versorgt werden. Tendenz steigend. Außerdem werden die Anlagen immer leistungsstärker. Daher macht es Sinn, auf alten Standorten ein Repowering durchzuführen, d.h. den Ersatz durch modernere und leistungsfähigere Technologie. Klar ist auch, dass der Wind nicht immer weht. Deshalb ist auch der Ausbau anderer Erneuerbaren Energien wichtig, wie beispielsweise die Solarenergie oder die grundlastfähige Geothermie.
Ortenau Journal: Was erhoffen Sie sich für die Wälder der Ortenau? Gibt es spezielle Zukunftsprojekte zum Erhalt der Wälder?
Diana Kohlmann: Wir müssen optimistisch bleiben und alles daran setzen für die künftigen Generationen, vielfältige Wälder zu erhalten, die in der Lage sind, alle wichtigen ökologischen, ökonomischen und sozialen Funktionen zu erbringen. Diese Wälder werden in Zukunft allerdings bezüglich ihrer Baumartenzusammensetzung und Struktur anders aussehen, als wir dies bislang kennen. Vor diesem Hintergrund hoffe ich/hoffen wir, dass wir vor allem für die privaten Waldbesitzer positive Zukunftsperspektiven schaffen können, wozu wir letztlich eine deutlich stärkere Unterstützung der Politik benötigen. Konkret haben wir für unsere Wälder ein umfangreiches Fachkonzept erarbeitet, das für alle Naturräume der Ortenau detaillierte Optionen zur aktiven Klimaanpassung beschreibt und damit eine gute Hilfestellung für Forstleute und Waldbesitzer ist. Parallel dazu beteiligen wir uns an mehreren Arbeits- und Projektgruppen des Landes, z.B. zur Überarbeitung der landesweit gültigen Waldbaukonzepte und bringen dort unsere Anliegen und Erfahrungen ein. Darüber hinaus sind wir an mehreren Pilotprojekten des Landes unmittelbar vor Ort beteiligt, wie zum Waldnaturschutz oder zum Thema Waldumbau und Jagd, die sich u.a. mit Klimaanpassung befassen.
Siehe auch:
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