Kirchenaustritte

Katholische Kirche im Südwesten kämpft um besseres Image

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Die Austrittswelle in der katholischen Kirche ist 2023 abgeebt, trotz der Vorstellung des Missbrauchs-Gutachtens. Auch in der Ortenau sind weniger Menschen ausgetreten als 2022, aber immer noch deutlich mehr als 2021. Doch das ist kein Grund zur Entwarnung. Nun versucht die Erzdiözese Freiburg mit einer Kampagne und Maßnahmen in Bereichen wie Aufarbeitung und Prävention, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.

Die Katholische Kirche atmet etwas auf. Viele hatten einen weiteren steilen Anstieg der Austrittszahlen nach der Veröffentlichung des Abschlussberichts der „Arbeitsgruppe Machtstrukturen und Aktenananalyse“ zum früheren Umgang mit Fällen sexualisierter Gewalt in der Erzdiözese erwartet. Dieser Anstieg blieb aus, wie die Ende Juni bekanntgegebenen Statistiken belegen. In der Ortenau gab es demnach im Jahr 2023 insgesamt 3.613 Austritte. Im Jahr zuvor waren dies noch 4.379.

Weniger Austritte in der Ortenau

Von den Austritten entfielen auf das Dekanat Acher-Renchtal 887 (2022: 1080, 2021: 433) und auf das Dekanat Lahr 764 (2022: 975, 2021: 630). Die meisten Austritte gab es im Dekanat Offenburg-Kinzigtal mit 1.962 (2022: 2324, 2021: 1712). Insgesamt traten in der Erzdiözese Freiburg 33.835 Mitglieder aus, nach 41.802 im Jahr 2022. Doch auch wenn die Austrittstendenzen der Katholiken sich 2023 verringert haben, gibt es in der Erzdiözese keinen Grund zur Entwarnung. So hat die Kirche mit einem massiven Imageproblem zu kämpfen und wenn man sich die Alterstruktur der 185.976 Ortenauer Kirchenmitglieder betrachtet, ist in den kommenden Jahren mit einem weiteren Abschmelzen der Mitgliederzahlen zu rechnen. So liegt die Quote der über 65-Jährigen Katholiken im Kreis bei rund 29 Prozent. In der Gesamtbevölkerung liegt der Anteil der Älteren laut dem Statistischen Bundesamt bei 22,3 Prozent.

Ernste Lage

Den Ernst der Lage hat man auch in der Erzdiözese Freiburg erkannt. „Seit Jahren ist es das gleiche Bild: Wenn die kirchliche Statistik bekanntgegeben wird, machen sich Sorge, Ratlosigkeit und manchmal auch Resignation breit. Ich will in der nun vorliegenden Statistik für 2023 nicht krampfhaft nach einzelnen gegenläufigen Tendenzen suchen. Das wäre dem Gesamtbild der Lage unangemessen“, lässt sich der Erzbischof Stephan Burger in einer Pressemitteilung zitieren. Und weiter: „Die Lage für die Kirche in Deutschland ist ernst, aber um die Kirche ist mir nicht bang. Wir werden uns verändern, auch strukturell. Aber solange wir an der Seite der Menschen stehen, besteht Kirche in einer mehrheitlich säkularen Welt.“

Marc Mudrak, Pressesprecher der Erzdiözese Freiburg, sieht in den aktuellen Zahlen etwas Positives: „Dass es in Anbetracht der Veröffentlichung im April 2023 keinen Anstieg gegeben hat, ist ein hoffnungsvolles Signal.“ Er weist auf die strukturellen Veränderungen und zahlreichen Maßnahmen als Reaktion auf die Skandale hin. So ziehe man Konsequenzen aus den Missbrauchsfällen in den Bereichen Aufarbeitung, Intervention und Prävention. Auf der Website der Erzdiözese unter www.ebfr.de findet sich ein ganzer Katalog an Einzelmaßnahmen. Sie reichen von einem Verhaltenskodex für pastorale Mitarbeiter und der Verpflichtung, alle fünf Jahre ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen über Richtlinien für die Personalaktenführung bis hin zu Unterstützungsleistungen in Form von monatlichen Zahlungen an Opfer und der Übernahme von Therapiekosten sowie kirchlicher Hilfsangebote für Betroffene. Laut Mudrak gebe es auch verschiedene Möglichkeiten, Fälle von Grenzüberschreitungen zu melden, auch extern und anonym.

Gesellschaftliche Aufgaben

Zusätzlich, so Mudrak, sei der gesellschaftliche Aspekt nicht zu unterschätzen. In einer wissenschaftlich durchgeführten Kirchemmitgliederuntersuchung wurde festgestellt, dass Christen auffällig häufig ehrenamtlich engagiert seinen. In der Erzdiözese Freiburg sind dies laut eigenen Angaben 300.000 Menschen. Zudem verantworte die Erzdiözese in Baden und Hohenzollern laut den veröffentlichten Zahlen unter anderem 1000 Kindertageseinrichtungen, 32 Schulen in Trägerschaft der Schulstiftung, neun Schulen des zweiten Bildungswegs sowie fünf Fachschulen für Sozialpädagogik, 13 Bildungszentren, über 400 örtliche Bildungswerke, 300 Büchereien und vieles mehr. Mudrak: „Die Kirche steht für einige wichtige Grundwerte, so auch ein Gemeinschaftsgedanke, der nach wie vor eine wichtige Bedeutung hat.“

Um diese vielfältigen Aufgaben zu unterstreichen, hat die Erzdiözese in diesem Sommer eine umfangreiche Kirchensteuer-Kampagne in Internet und Social Media gestartet. Laut dem Leiter des Referats Kommunikation, Michael Hertel, gibt es Bannerschaltungen in den Online-Auftritten von regionalen Tageszeitungen mit verschiedenen Motiven sowie Facebook-Anzeigen. Außerdem werde auf den eigenen Social-Media-Kanälen geworben. „Die Wirksamkeit der Facebook-Ads werten wir noch aus“, so Hertel. Die Kampage laufe noch bis mindestens Sommer 2025.

Transparenzoffensive

Die Maßnahmen führen alle auf die Kampagnenseite unter www.ebfr.de/kirchensteuer. Dort werden Zahlen über die Verwendung der Kirchensteuer genannt. So gehen den Anggaben zufolge 18 von 100 € Kirchensteuereinnahmen in den Bereich Soziales, 15 € in die Bildung und 21 € in Infrastruktur und Verwaltung. Auf der Seite stehen ein Flyer und eine Broschüre zum Download bereit und der Haushaltsplan der Erzdiözese ist ebenfalls abrufbar. Die Bemühungen um Transparenz nach all den Skandalen und Imageschäden sind deutlich sichtbar.

Sprecher Marc Mudrak gibt außerdem zu bedenken, dass die Kirche stärker als früher bei den sogenannten Übergangsritualen gefragt sei sowie im Falle der Pflegebedürftigkeit alter Menschen. So wie es früher gewesen sei, von der Wiege bis zur Bahre begleitet zu werden, trete für die Menschen jedoch mehr in der Hintergrund. Im Erzbistum Freiburg gab es im Jahr nach eigenen Angaben 10.005 Taufen, 11.410 Erstkommunionen, 8.099 Firmungen sowie 2.415 Trauungen.

Reformfähigkeit gefragt

Ob die Vielzahl an Maßnahmen und die Aufgaben, die die Kirche in ihrer Glaubensgemeinschaft und der Gesellschaft übernimmt, ausreichen, um nicht allmählich den Großteil ihrer Mitgliedsbasis zu verlieren, wird sich zeigen. Viele Gläubige und die Gesamtgesellschaft fragen sich auch, wie es um die Reformfähigkeit der Katholischen Kirche bestellt ist. Sie gilt immer mehr Menschen als schlicht nicht mehr zeitgemäß. So treibt viele die Fragen nach der Abschaffung des Zölibats, den Umgang mit Homosexualität oder die Zulassung von Frauen in Priesterämtern um. Doch in diesen Fragen sind zuallererst die Kirchenoberen in Rom gefragt.

Wolfgang Huber

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