Von Wolfgang Huber
Am Dienstag Vormittag hat der Bundestagskandidat der SPD in Offenburg, Dirk Flacke, prominente Unterstützung aus Berlin bekommen. Der SPD-Generalsekretär Matthias Miersch – erst seit wenigen Wochen im Amt ist – hatte sich mit Flacke in der Offenburger Fußgängerzone zu Gesprächen mit den Wählern eingefunden. Das Ortenau Journal hat die Gelegenheit genutzt, um mit Miersch über aktuelle politische Themen zu sprechen. Angefangen bei der Bürokratie, der Wirtschaftskrise, dem Fachkräftemangel, dem Verbrenner-Verbot oder der Lage in Syrien. An Herausforderungen Deutschland und gerade international sind sehr zahlreich. Miersch erklärt auch, wo sich die SPD von der CDU um Friedrich Merz grundlegend unterscheidet.
Ortenau Journal: Sie sind erst seit wenigen Wochen im Amt des Generalsekretärs der SPD und haben nun gleich mit der vorgezogenen Bundestagswahl eine riesige Herausforderung vor der Brust. Wie gut war ihre Partei auf dieses Szenario vorbereitet?
Matthias Miersch: Das Willi-Brandt-Haus ist sehr gut aufgestellt, sowohl personell als auch organisatorisch und inhaltlich. Aber natürlich ist die Bundestagswahl eine Herausforderung, wie für alle anderen Parteien auch. Ich bin sehr selbstbewusst, dass wir es schaffen, einen pointierten Wahlkampf zu machen.
Ortenau Journal: In wirklich jedem Statement aus der Wirtschaft wird die Bürokratie als schwerer Standortnachteil genannt. Bürokratieabbau war für sie bereits Mitte der 90er Jahre ein Thema. Seither hat sich die Situation noch einmal fundamental verschärft. Wieso schafft es die Politik nicht, den Dschungel an Auflagen, Dokumentationspflichten und Micromanagement zu lichten?
Matthias Miersch: Wir haben dazu ja in der Ampel tatsächlich einiges gemacht mit dem Bürokratieentlastungsgesetz. Wir haben eine Verflechtung zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Zudem haben wir viele Jahrzehnte Dinge aufgebaut. Da ist es immer wieder schwer, letztlich eine Regel wieder fallen zu lassen. Gerade die Ministerialbürokratie sagt dann sofort, das geht aus den und den Gründen nicht. Deswegen ist es schon ein dickes Brett. Einiges haben wir schon geschafft. Aber wir müssen noch vieles mehr machen.
Ortenau Journal: Deutschland befindet sich in einer strukturellen Krise. Es drohen massive Wohlstandsverluste. Schon lange beklagen Unternehmen fast aller Branchen Standortnachteile. Neben der Bürokratie werden auch hohe Energiepreise und hohe Steuern genannt. Außerdem sind Investitionen in die Infrastruktur nötig. Wie will die SPD die Wirtschaft wieder ankurbeln?
Matthias Miersch: Es muss ein ganzes Paket geben. Das erste sind die mangelnden Investitionen. Dann brauchen wir eine Reform der Schuldenbremse. Das hat uns bis jetzt stranguliert bei vielen Dingen. Die Wirtschaftsweisen, der Bundesverband der deutschen Industrie, der Deutsche Gewerkschaftsbund, sie alle fordern das. Friedrich Merz weigert sich aktuell. Ich glaube, der Druck wird irgendwann zu groß, so dass sich auch die CDU/CSU schließlich in dieser Frage bewegt. Und dann gehört es natürlich auch dazu, dass wir die Fachkräfte dringend brauchen aus dem Ausland. Dazu haben wir das Fachkräfteeinwanderungsgesetz beschlossen. Ein ganz wichtiger Schritt, den die Union zurückdrehen will. Das wäre eine Katastrophe für die Wirtschaft. Und der dritte Punkt sind tatsächlich die Energiepreise. Nicht so sehr der Bezug von Energiequellen, sondern wir haben das Problem der Netzentgelte. Wir finanzieren den Netzausbau über ein Umlagesystem. Das wird so nicht mehr gehen, weil die Unternehmen dann nicht mehr wettbewerbsfähig sind und insofern müssen wir da einen Deckel einziehen und zu anderen Finanzierungsformen kommen.
Ortenau Journal: Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist ja schon eine Weile in Kraft. Gibt es da schon Erkenntnisse, ob es auch wirkt?
Matthias Miersch: Ja, es gibt erste positive Ansätze. Aber wir sehen eben auch, das teilweise Fachkräfte wieder zurückgehen, auch aufgrund von Repressalien. Zum Beispiel haben sie Unternehmen im Osten der Republik durch die AfD-Ergebnisse an vielen Stellen Sorgen. Auch die Fachkräfte, die aus dem Ausland kommen. Damit ist es eine ganz schwierige Entwicklung gerade. Und das muss man den Leuten auch sagen, gerade denen, die mit der AfD liebäugeln. Das ist das Abgraben unserer Basis, die wir so dringend brauchen.
Ortenau Journal: In der Ortenau gibt es viele Automobilzulieferer, die durch das Verbrenner-Verbot in Schwierigkeiten geraten. Wie steht die SPD zum Thema Technologieoffenheit?
Matthias Miersch: Technologieoffenheit ist immer gut, aber die Elektromobilität ist die internationale Zukunft. Als Exportnation sind wir dringend darauf angewiesen, dass wir Planungssicherheit haben. Das ist für mich essentiell. Wir haben in Deutschland teilweise zu lange gebraucht, um das zu begreifen. Das ist jetzt ein Problem, das wir an mehreren Stellen in Deutschland sehen. Wer jetzt sagt, wir können den Verbrenner einfach verlängern, der macht meines Erachtens genau das Gegenteil von dem, was wir brauchen. Und das ist Planungssicherheit. Wir müssen unsere Produkte in der Welt verkaufen können und das werden wir nicht mehr mit Verbrenner-Technologie machen können.
Ortenau Journal: Nach dem Sturz Assads fordern die Jusos Baden-Württemberg einen Abschiebestopp für Syrer. Dabei scheint dies gar nicht das Thema zu sein. Vielmehr sind viele Syrer euphorisch und wollen freiwillig in ihre Heimat zurückkehren. Wie schätzt die SPD die Lage ein?
Matthias Miersch: Ich bin da voll bei der Innenministerin Nancy Faeser. Das Regime ist gerade mal seit 48 Stunden gekippt und man muss jetzt sehr genau die Lage in Syrien beurteilen. Insofern warne ich vor Schnellschüssen.
Ortenau Journal: Die SPD gibt sich seit dem Ampel-Bruch überraschend selbstbewusst. Gerade auch hier im Wahlkreis Offenburg. Woher nehmen sie die Zuversicht, dass ihre Partei die Wahl gewinnen kann, wo doch viele Genossen lieber Boris Pistorius als Kanzlerkandidaten gesehen hätten?
Matthias Miersch: Wir haben 2005 und 2021 gezeigt, dass wir Abstände in den Umfragen absolut aufholen können. Die Leute werden sehen, dass es um eine Richtungsentscheidung geht. Wem will man in dieser Situation das Land anvertrauen. Olaf Scholz, der meines Erachtens in drei Jahren sehr deutlich gezeigt hat, dass er das Land besonnen, aber auch standfest führt. Oder Friedrich Merz, der mit 69 Jahren noch über keine Regierungserfahrung verfügt. Und dann geht es um sehr große inhaltliche Fragen, wie wir dieses Land weiterhin aufbauen wollen. Stichwort Zukunftsinvestitionen. Oder stimmt es, was Friedrich Merz sagt: Die ein Prozent Reichen sind eigentlich die Leistungsträger dieser Gesellschaft. Das ist nicht unser Gesellschaftsbild. Das ist auch nicht das Gesellschaftsbild von Olaf Scholz und der SPD. Wir wollen für die 99 Prozent da sein, die jeden Tag zur Arbeit gehen und tatsächlich dieses Land am Leben halten.
Ortenau Journal: Abschließend die Frage: Gehört ihr Fußball-Herz Hannover 96?
Matthias Miersch: Ja, ich bin tatsächlich Fan von Hannover 96.
Ortenau Journal: Wann steigen die wieder auf?
Matthias Miersch: Das ist eine gute Frage. Ich glaube, die brauchen auch mal noch einen Generalsekretär.
Siehe auch:
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