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Exklusiv-Interview

Sandra Boser: „Der Wind wird rauer in Brüssel und Straßburg“

Sandra Boser
© Sandra Boser
Die Partei Bündnis 90/Die Grünen gehört zu den eindeutigen Wahlverlierern der Kommunal- und Europawahlen am 9. Juni. Das „Ortenau Journal“ sprach mit der Staatsekretärin Sandra Boser über die Folgen des Fiaskos für die Grünen.

Sandra Boser sitzt seit 2011 für die Grünen im Wahlkreis Lahr im Baden-Württembergischen Landtag in Stuttgart. Seit 2021 ist sie Staatssekretärin im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport im Kabinett von Winfried Kretschmann. Bei der Europawahl 2024 verlor ihre Partei 8,6 Prozent, kam nur noch auf 11,9 Prozent und büßte 9 Sitze im EU-Parlament ein. Das „Ortenau Journal“ sprach mit Boser über das Fiasko, das Erstarken der AfD und die Folgen für die deutsch-französische Zusammenarbeit im Eurodistrict Straßburg-Ortenau.

Ortenau Journal: Wie beurteilen Sie den Ausgang der Europawahl aus Sicht Ihrer Partei?

Sandra Boser: Das ist nicht das Ergebnis, das wir erwartet haben, als Grüne haben wir ein dickes, blaues Auge kassiert. Unser Anspruch in Baden-Württemberg ist ein anderer. Immerhin konnten wir, trotz der schwierigen Stimmungslage im Bund, hier in Baden-Württemberg mindestens 85 Prozent unserer Gemeinderatsmandate bei der Kommunalwahl verteidigen. In der Ortenau sind wir nach dieser Kommunalwahl in mehr Gemeinden vertreten.

Ortenau Journal: Die Ampel ist bei den Bürgern allgemein schwer in der Kritik. Wurden Sie da von einem Negativsog erfasst?

Sandra Boser: Leider konnten wir uns im Land nicht vom Bundestrend nicht abkoppeln. Der negative Trend im Bund hat die Wahlergebnisse auch hier bei uns vor Ort beeinflusst. Es ist eine zunehmende Skepsis zu beobachten, ob Grüne Politik die richtigen Antworten liefert. Gerade die Verluste bei der Jugend sind schmerzlich. Wir müssen jetzt genau hinsehen, wo die Ursachen liegen.

Ortenau Journal: Wo sehen Sie die Gründe für den Aufschwung der AfD?

Sandra Boser: Die AfD hat die Ängste der Menschen im Wahlkampf sehr populistisch aufgegriffen, ohne wirklich Lösungen aufzuzeigen. Wir müssen Scheinlösungen, die vom rechtsextremen Gedankengut ausgehen, klipp und klar entlarven. Uns geht es um Themen, die den Menschen unter den Nägeln brennen. Die müssen wir entgegenstellen und hervorheben und davon überzeugen, dass wir damit die Zukunft positiv gestalten können.

Ortenau Journal: Was können/wollen die Grünen tun, um dem Trend entgegenzuwirken?

Sandra Boser: Unser Auftrag ist klar: Als Grüne müssen wir insgesamt aufarbeiten, wo die Ursachen für den verlorenen Zuspruch liegen. Vertrauensgewinn ist das eine. Das andere ist die Frage, was es braucht, um die Menschen in diesen unruhigen Zeiten mitzunehmen und Lösungen für die Zukunft zu vereinbaren.

Ortenau Journal: In Frankreich kommt der Rassemblement National auf 31%, im Elsass sogar auf 33%. Zusammen mit der Formation Reconquete kommen rechtsextreme, europakritische Parteien auf knapp 40% in der Grenzregion. Erschwert dies und der zu erwartende Ausgang der Neuwahlen in Frankreich mit einem Premierminister aus den Reihen des Rassemblement National die grenzüberschreitende deutsch-französische Zusammenarbeit im Eurodistrict Straßburg-Ortenau bzw. die deutsch-französische Freundschaft?

Sandra Boser: Auch wenn der Stimmenanteil der rechten Parteien, insbesondere in Deutschland und Frankreich, leider sehr hoch ist, ist trotzdem eine demokratische Mehrheit im Europaparlament gesichert. Es ist klar, dass der Wind in Straßburg und Brüssel rauer werden wird, aber meine Grünen Kolleg:innen werden sich weiterhin für Demokratie, Klima-, Umwelt- und Naturschutz einsetzen. Für diese und viele andere Themen ist die enge deutsch-französische Freundschaft und grenzüberschreitende Zusammenarbeit sehr wichtig, was man hier in der Region an allen Ecken und Enden sieht. Diese Freundschaft wird im Eurodistrict tagtäglich gelebt und dagegen können auch rechte Parteien auf beiden Seiten des Rheins nichts ändern.

Interview: Wolfgang Huber

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