Wirtschaftsstandort

IHK mahnt: „Gleich nach der Wahl positive Impulse und Signale für die Wirtschaft setzen!“

© Tobias Symanski/IHK
Die Industrie leidet unter schlechten Standortbedingungen und einem anhaltenden Auftragsmangel, sodass sie sich zunehmend gezwungen sieht, Anpassungen vorzunehmen. Das wirkt sich immer stärker auf die Inlandsinvestitionen und den Arbeitsmarkt aus. „Wir laufen sehenden Auges ins dritte Rezessionsjahr“, warnte IHK-Präsident Eberhard Liebherr bei der Vorstellung des Konjunkturberichts zum Jahresbeginn 2025 am Donnerstag in Freiburg.

Nach Ansicht von IHK-Präsident Eberhard Liebherr ist Deutschland international bei den Produktionskosten nicht mehr wettbewerbsfähig. „Wir waren lange Jahre verwöhnt und haben eine starke Industrie für selbstverständlich erachtet“, so Liebherr bei der Vorstellung des Konjunkturberichts zum Jahresbeginn 2025. Den strukturellen Problemen sei auch nicht mit Subventionen beizukommen laut Pressemitteilung.

„Nicht konkurrenzfähig“

Die drängendsten Probleme und Aufgaben sind hinlänglich bekannt. Neben einer stärkeren Digitalisierung und einer verlässlichen Energiepolitik brauche es deutlich weniger Bürokratie, um zu konkurrenzfähigen Preisen produzieren zu können. Liebherr: „Wir müssen Geschäftsmodelle verfolgen, die auf lange Sicht konkurrenzfähig sind. Mit einer Infrastruktur, die einem führenden Industrieland wie Deutschland gerecht wird. Mit einer Migrationspolitik, die Chancen bietet. Und mit einer Steuer- und Abgabenpolitik, die den Unternehmen Freiraum bei den Investitionen ermöglicht.“

Doch das aktuelle Bild sehe anders aus. „Wir befinden uns derzeit auf dem Niveau von 2019“, sagte Alwin Wagner, der Stellvertretende Hauptgeschäftsführer der IHK Südlicher Oberrhein, bei der Vorstellung der aktuellen Umfragedaten. Sprich: In den vergangenen sechs Jahren herrschte in der Wirtschaft insgesamt Stagnation. Liebherr: „Sollte die Wirtschaft wie prognostiziert erst 2026 wieder anspringen, wären es sogar sieben verlorene Jahre.“

Katerstimmung in der Bauwirtschaft

Der Index der Geschäftslage verharrt am südlichen Oberrhein im Vergleich zum Herbst unverändert bei sieben Punkten und damit weit unter seinem zehnjährigen Mittelwert von 33 Punkten, wie die IHK schreibt. 29 Prozent der Unternehmen geben demnach noch eine gute Geschäftslage an, bei 21 Prozent ist diese schlecht. Während die Lageeinschätzung in den verschiedenen Branchen des Dienstleistungssektor noch überwiegend positiv sei und sich sogar leicht verbessert hat, herrsche in Industrie und Bauwirtschaft wie zuletzt Katerstimmung.

Der Index der Geschäftserwartungen bleibt mit minus15 Punkten tief im negativen Bereich, auch wenn er im Vergleich zum Herbst immerhin zwei Punkte gutgemacht habe. Gerade einmal elf Prozent der Unternehmen am südlichen Oberrhein schauen optimistisch in die Zukunft. 26 Prozent rechnen mit einer weiteren Verschlechterung der Geschäfte in den kommenden zwölf Monaten.

Arbeitslosigkeit rückt in der Vordergrund

Die Angaben zur aktuellen Geschäftslage und den zukünftigen Geschäftserwartungen werden zum IHK-Konjunkturklimaindex kombiniert. Dieser kann Werte zwischen 0 und 200 annehmen, wobei Werte über 100 Wirtschaftswachstum anzeigen und Werte unter 100 auf eine Rezession hindeuten. Zum Jahresbeginn bewegt sich der Index im Vergleich zum Herbst kaum. In Folge der etwas weniger negativen Geschäftserwartungen macht er zwei Punkte gut, bleibt aber mit 96 Punkten in rezessiven Gefilden.

Nach Jahren der wirtschaftlichen Stagnation zeigt der Blick auf den Arbeitsmarkt eine veränderte Bewegung. Lange war der allgemeine Fachkräftemangel das wichtigste Thema in den Personalabteilungen und Führungsetagen. Dieser bleibe angesichts des demografischen Wandels auch relevant – immerhin für 46 Prozent der befragten Unternehmen ist er ein Risiko der eigenen wirtschaftlichen Entwicklung. Doch das Thema Arbeitslosigkeit rückt gleichzeitig wieder stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. So habe sich die Zahl der Arbeitslosen im Kammerbezirk in den vergangenen vier Jahren um fast 6.000 Menschen und damit um rund 27 Prozent erhöht.

Wenige Investitionen geplant

Befragt nach ihren Beschäftigungsplänen können sich nur noch acht Prozent der Unternehmen einen Stellenzuwachs vorstellen, jedes vierte Unternehmen plane, Stellen abzubauen. Der Index der erwarteten Beschäftigung steht mit minus 17 Punkten nun so tief wie seit dem ersten Jahr der Covid-19-Pandemie nicht mehr. „Wir dürfen uns nichts vormachen. Wenn Industrie-Arbeitsplätze hier am Heimatstandort verloren gehen, weil in Produktionsstätten im Ausland investiert wird, kommen diese Arbeitsplätze in der Regel auch nicht mehr zurück nach Deutschland“, erklärte Wagner.

Nur 18 Prozent der Unternehmen planen, im Inland zur Kapazitätserweiterung zu investieren. In den Jahren 2015 bis 2018 lag dieser Wert im Schnitt noch bei 34 Prozent. Zudem sorgen sich wieder mehr Unternehmen um die Entwicklung der Energie- und Rohstoffpreise und der Arbeitskosten. Nicht zuletzt sind 43 Prozent der Firmen unzufrieden mit der Wirtschaftspolitik. Wagner mahnt die Politik, nach der Wahl keine Zeit zu verspielen und Impulse und positive Signale zu setzen. Nur so könne das Vertrauen in den Standort zurückkommen.

Foto: IHK-Präsident Eberhard Liebherr fordert unter anderem einen deutlichen Bürokratieabbau in Deutschland, um die Wirtschaft wieder in Fahrt zu bringen.

Siehe auch:

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