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Landwirtschaft

Ortenauer Landwirte stehen vor riesigen Herausforderungen

© jerzyGorecki
Die vielen Niederschläge in diesem Jahr gefährden vielerorts die Ernten. Auch in der Ortenau. Im Interview spricht der Kreisvorsitzende des BLHV, Thomas Huschle, über den vermehrten Pilzbefall, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sowie das Vorhaben der Bundesregierung, diesen zu halbieren. Außerdem beschreibt er die großen Herausforderungen bezüglich neuer Technologien im Zuge der Digitalisierung.

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, hat vor wenigen Tagen auf die Probleme der Landwirtschaft aufgrund der hohen Niederschlagsmengen seit dem vergangenen Herbst hingewiesen. Teilweise sei die Ernte in Gefahr und der durch die Nässe zunehmende Pilzbefall würde zusätzlichen Pflanzenschutzmitteleinsatz erfordern. Diese seien jedoch nicht ausreichend verfügbar, was die Arbeit der Landwirte zusätzlich erschwere. Das „Ortenau Journal“ hat mit dem Kreisvorsitzenden des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes BLHV Thomas Huschle, über die Situation in der Ortenau gesprochen. Diese ist laut Huschle sehr schwierig. Die Landwirtschaft stünde vor Milliardeninvestitionen. Doch kleinere Betriebe könnten da nicht mithalten.

Ortenau Journal: Der Bauernpräsident Joachim Rukwied hat neulich auf die erheblichen Probleme der Landwirtschaft hingewiesen, die die häufigen Niederschläge seit dem Herbst entstanden sind. Ist die Weizenernte in der Ortenau gefährdet?

Thomas Huschle: Es hat eindeutig zu viel geregnet, ja. Die Auswirkungen sind zweierlei. Zum einen direkt auf der Fläche. Die Pflanzen haben nasse Füsse, was sich negativ auf die Pflanzengesundheit auswirken kann, weil die Wurzeln regelrecht faulen seit Wochen. Das beeinträchtigt die Leistungsfähigkeit der Pflanzen. Das andere Problem ist die Befahrbarkeit der Flächen im Ackerbau mit den Traktoren. Man kommt zwar drüber, aber es entstehen oftmals Schäden am Boden durch die Verdichtung.

Ortenau Journal: Begünstigt die Nässe die Entstehung von Pilzkrankheiten?

Thomas Huschle: Tatsächlich ist es statistisch auch zu warm und feucht. Das ist ein extremer Nährboden für Pilzkrankheiten. Das verursacht mehr oder weniger massive Qualitätsprobleme bei den Kulturen beziehungsweise Totalverlust, weil die Früchte krank werden.

Ortenau Journal: Ist das auch Problem beim Weizen?

Thomas Huschle: Ja, auch der Weizen ist massiv gefährdet.

Ortenau Journal: Mit welchen Verlusten rechnen Sie?

Thomas Huschle: Das ist ganz schwierig zu beziffern. Ich will es nicht nur auf den Pilzbefall beschränken. Aber bei der Wintergerste haben wir hier in der nördlichen Ortenau einen Ausfall von 50 Prozent bei der Ernte. Beim Raps ist es ähnlich. Und beim Weizen ist auch mit 30 Prozent Verlust zu rechnen. Es kann aber auch in Richtung 50 Prozent gehen. Die Weizenernte hat erst gestern begonnen, auch wenn es von der Befahrbarkeit sehr schwierig ist und die Trockenheit des Ernteguts ist noch nicht überall gegeben. Aber der Landhandel übernimmt teilweise die Trocknungskosten, weil jetzt die Qualität der Ernte noch halbwegs im Rahmen ist und mit jedem Tag, den man wartet, der Pilzbefall überhand nimmt.

Ortenau Journal: Müssen deshalb auch verstärkt Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden.

Thomas Huschle: Jetzt mittlerweile im Getreideanbau nicht mehr. Aber dieses Jahr war ein Jahr, wo quer über alle Kulturen viel Pflanzenschutz gemacht werden musste. Da wo man versucht hat zu sparen, hat man jetzt über weite Strecken die Quittung erhalten, so dass es jetzt Qualitätsprobleme gibt. Im Obst- und Weinbau ist man jetzt schon über den Werten des letzten Jahres und es stehen noch ein bis drei Maßnahmen aus, um die Trauben halbwegs gesund zu halten.

Ortenau Journal: Die Bundesregierung will den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln halbieren. Laut Rukwied sind diese auch in der Verfügbarkeit reduziert. Wie sieht es da bei ihnen vor Ort aus?

Thomas Huschle: Nach meinen Erkenntnissen sind die Pflanzenschutzmittel einigermaßen verfügbar. Es gibt auch Regionen, wo es nicht so dramatisch ist, da ist der Landhandel auch flexibel. Die Pflanzenschutzsaison ist dieses Jahr sehr lang, das hat sich schon früh abgezeichnet, dass es in diese Richtung entwickeln wird. D. h. Die Industrie hat da auch entsprechend reagiert und stellt genug Pflanzenschutzmittel zur Verfügung. Zu ihrem ursprünglichen Ansinnen bezüglich der Bundesregierung: das ist eine politische Absichtserklärung. Aber solche Jahre wie dieses zeigen in aller Deutlichkeit, das so ein schönes Vorhaben nicht immer so einfach umzusetzen ist. Da braucht es auch einfach neue Technologien und Herangehensweisen, wenn dieses Ziel erreicht werden soll. Da gibt es auf Seiten der Landwirtschaft einerseits viel Skepsis, aber auf der anderen Seite auch viel Bereitschaft, neue Wege zu gehen. Aber die Umstellung dauert nicht nur zwei oder drei Jahre. Da reden wir von ein bis zwei Jahrzehnten, um es sinnvoll und nachhaltig umzustellen. Aber dieses Vorhaben, bis 2030 eine Reduzierung um 50 Prozent bei den Pflanzenschutzmitteln zu erreichen, lässt sich in Jahren wie 2024 entweder nicht erreichen oder man hat keine eigene Ernte mehr. Für einzelne Betriebe wäre das katastrophal. Und für die Versorgung kaufen wir das dann als reiches Land in Afrika oder anderswo. Das ist dann halt auch etwas die Scheinheiligkeit in der politischen Diskussion.

Ortenau Journal: Wenn Sie von neuen Technologien reden, ist damit auch die Gentechnik gemeint?

Thomas Huschle: Gentechnik ist eine davon. Aber auch die Digitalisierung. Die Stichworte sind GPS oder Smart Farming. Das bedeutet Sensortechnik und Kameras an hochmodernen Pflanzenschutzmaschinen. Diese können beispielsweise erkennen, wo Belastungen sind in Form von Ungräsern. Die wissen dann in Echtzeit sozusagen, wo etwas ausgebracht werden muss und wo nicht. Im Moment ermittle ich als Landwirt einen Feldschnitt an Belastungen. Aber oftmals ist der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln an 30 oder 40 Prozent der Fläche gar nicht so nötig. Also das gibt es neue Techniken, mit denen man in Richtung Einsparungen kommt. Aber wenn man dann die ganzen Betriebe mit modernster Technik ausstatten will, das ist dann ein Milliardenprojekt. Das können sich viele Betriebe nicht leisten. Man braucht auch passende Traktoren dazu oder Lizenzen für die Nutzung der Managementprogramme, die einem beim Berechnen helfen.

Ortenau Journal: So eine Umstellung braucht Zeit.

Thomas Huschle: Genau. Finanzstarke Großbetriebe können das stemmen. Aber wenn ich an unsere Strukturen hier in der Ortenau denke, da ist es für viele Betriebe aussichtslos. Da muss man dann schauen, ob man vielleicht mit Betriebsgemeinschaften oder Förderungen arbeiten. Aber in der Politik ist man auch vorsichtig bei Fördergeldern. Möglichkeiten gibt es zwar, aber um das flächendeckend umzusetzen, das ist ein sehr weiter Weg. Gentechnik ist eine Möglichkeit oder neue Wirkstoffe bei Pflanzeschutzmitteln. Aber da tut sich die Industrie auch schwer. Dann banale Dinge wie Fruchtfolge oder alternative Bodenbearbeitungssysteme.

Ortenau Journal: Wäre denn der Anbau von Soja eine Alternative?

Thomas Huschle: Also ich baue selbst Soja im Betrieb an. Den habe ich am 19. Juni ausgesät, aber der hat auch schon unter der Nässe gelitten. Er entwickelt sich im Moment schön, aber ich weiß nicht, ob der Sommer lang genug ist und er reif wird. Für viele Betriebe ist Soja eine sinnvolle Ergänzung, aber es mit Sicherheit kein Allheilmittel.

Interview: Wolfgang Huber

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