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Ausbildungsmarkt

IHK: Mehr als die Hälfte der Lehrstellen in der Ortenau bleibt unbesetzt

© DistelAPPArath/pixabay
Viele Unternehmen können ihre Ausbildungsplätze nicht mehr ausreichend besetzen. Auch die Ortenau ist stark betroffen mit 56 Prozent unbesetzter Lehrstellen. Besonders in der Industrie und der Gastronomie ist die Situation schwierig, trotz aller Recruiting-Maßnahmen in Social Media oder auf Stellenbörsen. Die IHK-Studie gibt Aufschluss über die Bemühungen der Betriebe und die Gründe für die Misere.

Trotz der angespannten wirtschaftlichen Lage investieren viele Unternehmen im Kammerbezirk der IHK Südlicher Oberrhein in die Zukunft und wollen ausbilden. Das Problem: Viele Ausbildungsstellen bleiben zurzeit unbesetzt, wie die IHK mitteilt. Zum einen fehle es an der Nachfrage, zum anderen entsprechen Bewerbungen oft nicht den erforderlichen Ansprüchen. Besonders groß sei die Lücke in der Industrie und Gastronomie, obwohl die Unternehmen Anreize setzen.

Seit 2015 befragt die IHK Südlicher Oberrhein jährlich die Unternehmen in ihrem Kammerbezirk zur Aus- und Weiterbildung. Zum ersten Mal in diesem Zeitraum liegt demnach der Anteil der Betriebe, die nicht alle Ausbildungsplätze besetzen konnten, über der Hälfte bei 50,2 Prozent. Zum Vergleich: Im ersten Jahr der Erhebung beklagten sich nur 35 Prozent über fehlenden Nachwuchs.

Besonders betroffen vom Azubi-Mangel im Kammerbezirk seien der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald mit 60 Prozent und der Ortenaukreis mit 56 Prozent unbesetzter Lehrstellen. Die Branchen mit den größten Nachwuchssorgen sind Industrie, Gastronomie und das Transportgewerbe, wo jeweils rund zwei Drittel der Unternehmen angaben, nicht alle Lehrstellen besetzt haben zu können.

Zu wenige Bewerbungen

In der Umfrage machten die Unternehmen auch Angaben zu den Gründen, warum ihre Ausbildungsplätze unbesetzt geblieben sind. Die mit Abstand häufigste Antwort laute: „Es lagen keine geeigneten Bewerbungen vor“ (74 Prozent). Dahinter folge die Angabe: „Es lagen keine Bewerbungen vor“ (38). Zu den weiteren Gründen zählten: „Die Ausbildungsplätze wurden von den Auszubildenen nicht angetreten“ (10), „Der Ausbildungsvertrag wurde durch uns nach Beginn der Ausbildung aufgelöst“ (9) oder „Die Ausbildungsverträge wurden von den Auszubildenden nach Beginn der Ausbildung aufgelöst“ (7).

Es sei längst nicht mehr so, dass Unternehmen sich zurücklehnen und auf Bewerbungen warten würden. Bei der Suche nach Nachwuchskräften würden sich viele Betriebe große Mühe geben. Um auf ihre Ausbildung aufmerksam zu machen, nutzen sie natürlich auch das Internet: 90 Prozent der teilnehmenden Unternehmen gaben an, dass sie auf ihrer Webseite oder auf Karriereseiten für die Ausbildungsmöglichkeiten in ihrem Haus werben; 59 Prozent betätigen sich aktiv auf Online-Stellenbörsen wie Stepstone, Monster, Indeed oder der IHK-Lehrstellenbörse.

TikTok wird noch zu selten eingesetzt

Mehr als jedes zweite Unternehmen suche den Kontakt zu den Azubis mittlerweile auch über die sozialen Medien. Dabei steht Instagram der Studie zufolge derzeit am höchsten im Kurs (52 Prozent), gefolgt von LinkedIn, Xing und Facebook, die jeweils von circa 42 Prozent zu Rekrutierungszwecken bespielt werden. Auf Kanälen wie TikTok, YouTube oder WhatsApp sind die Betriebe (noch) eher selten unterwegs (jeweils circa 14 Prozent).

Weiterhin würden die Unternehmen bei der Azubi-Gewinnung aber auch stark auf klassische Methoden zurückgreifen: 79 Prozent setzen auf das Anwerben durch eigene Mitarbeitende, 78 Prozent bieten Schüler- und Schnupperpraktika an, 65 Prozent nehmen an Ausbildungsmessen teil und 54 Prozent besuchen Schulen oder gehen mit Schulen Kooperationen ein. Und diese Klassiker scheinen bisher noch am besten zu funktionieren, wenn es darum geht, die junge Zielgruppe zu erreichen. Bei der Frage nach dem Erfolg der einzelnen Rekrutierungsmaßnahmen schnitten Schüler- und Schnupperpraktika, das Anwerben durch eigene Mitarbeitende und Schulbesuche und -kooperationen am besten ab:  65 bis 75 Prozent der teilnehmenden Unternehmen vergaben hier die Noten „sehr gut“ und „gut“.

Um sich für Azubis attraktiver zu machen, setzen viele Unternehmen Anreize. 64 Prozent gaben in der Umfrage an, dass sie die Hierarchien im Betrieb abgeflacht haben; 49 Prozent locken mit finanziellen und materiellen Anreizen; 47 Prozent haben die Ausstattung mit IT-Geräten modernisiert und hoffen damit, junge Arbeitskräfte anzusprechen. Die Ausnahme sind Angebote von mobiler Ausbildung (10 Prozent) oder Ausbildungen in Teilzeit (9).

Suche auch im Ausland

Auf der Suche nach Azubis schauen die Unternehmen auch über den EU-Tellerrand hinaus. Doch bei der Ausbildung von Menschen aus Drittstaaten hapere es zuweilen. Als größtes Hindernis wurden in der Umfrage die geringen Deutschkenntnisse der Interessierten genannt (83 Prozent), gefolgt von der Bürokratie und Dauer der Verwaltungsverfahren, etwa für Visa oder Aufenthaltstitel (39) und fehlendem Wohnraum in Betriebsnähe (36).

Nicht selten stellen Unternehmen fest, dass Bewerber:innen auf die beruflichen Anforderungen unzureichend vorbereitet sind. Auf diese mangelnde Ausbildungsreife reagieren die Unternehmen unterschiedlich. 47 Prozent geben nach eigenen Angaben auch ohne öffentliche Unterstützung lernschwächeren Jugendlichen eine Chance. 46 Prozent bieten in ihren Unternehmen eigene Nachhilfen an. 25 Prozent sagen, sie würden mehr Ausbildungsplätze mit lernschwächeren Bewerbern besetzen, wenn sie über Schulzeugnisse hinaus besser über Stärken und Schwächen der Jugendlichen informiert wären, etwa über eine differenzierte Beurteilung.

„Wir können uns glücklich schätzen, dass es in unserer Region so viele Ausbildungsbetriebe gibt, aber diese stehen vor immer größeren Herausforderungen“, wird Simon Kaiser, IHK-Geschäftsführer der Aus- und Weiterbildung, zitiert. „Schon jetzt lassen sich viele Betriebe eine Menge einfallen, um junges Personal zu gewinnen. Es wird in Zukunft noch mehr auf ein kreatives Azubi-Marketing ankommen“, so Kaiser. Die IHK unterstütze in diesem Bereich mit Angeboten wie der AzubiCard.

Ausbildungsbotschafter an Gymnasien

„Wir müssen jungen Menschen vermitteln, was für einen Wert eine solide Ausbildung für den beruflichen Erfolg hat. Hier spielen auch die Schulen eine wichtige Rolle. Die in Baden-Württemberg beschlossene Rückkehr zu G9 bietet die Chance, dass insbesondere auch an Gymnasien die zusätzliche Zeit genutzt wird, mehr Gewicht auf die Berufsorientierung zu legen“, so Kaiser. Wünschenswert wäre aus seiner Sicht zum Beispiel eine zweite BOGY-Praktikumswoche. Darüber hinaus richte die IHK ihre praktischen Berufsberatungen speziell auch an Gymnasiasten und entsendet hierfür Ausbildungsbotschafter. „Wir müssen auch Gymnasiasten zeigen, dass es zum Studium eine attraktive Alternative gibt: die Ausbildung in einem innovativen Unternehmen“, so Kaiser.

 Ferner fordert Kaiser Erleichterungen bei der Anwerbung von Auszubildenden aus dem Ausland. „Hier liegen immer noch zu viele Steine im Weg. Angesichts des Fachkräftemangels, der die Zukunft unserer Betriebe gefährdet, können wir uns diese bürokratischen Hemmnisse nicht mehr leisten.“

Siehe auch:

Per Speeddating gegen den Azubi-Mangel

So können Betriebe freie Ausbildungsplätze besetzen

Azubi-Recruiting: So geht´s

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